antwort als ganzes – gilt für alle punkte

Geschrieben von schlumpf am 02. August 2006 11:47:15:

Als Antwort auf: Bibel als Quelle von Schauungen geschrieben von detlef am 02. August 2006 04:12:38:

Hallo Detlef...

ich antworte auf alle drei Fragepunkte zusammen, weil die Frage möglicher Schauungen, der Ansatz der Exegese, der Ansatz der Prophetie und der mythologische Kontext bei allen drei gleich ist. Eine Frage bleibt, natürlich.
Die Bibel ist ein Epos. Sie beginnt mit Katastrophen (die Verteibung aus dem Paradies und die Zerstörung der Welt durch die Sindflut) und sie endet mit Katastrophen (die Schlacht bei Armaggedon, der Einschlag des Kometen, und dann, das neue Jerusalem.


1.Ob es Schauungen gibt, die Frage stellt de Exegese (textwissenschaft) nicht, in dem regulären Ansatz der Exegese sind alle Stellen, die möglicherweise Schauungen enthalten könntenimmer tagespolitisch gefärbte Reaktionen.
Da sitzt das ockhamsche Rasiermesser (nimm immer die Hypothese, die am wenigsten übernatürliche Ansätze braucht). Mit dem textkritischen Ansatz würde zum Beispiel bei dem Irlmaier vermutet werden,
die Partie XY seiner Prophetie hättte er bei X gelesen (was auch stimmen mag, und da eingeflickt), Partie DFR wäre eine Reaktion auf den Film "das große Grauen der Medusa" der 1956 im Kino lief... also,
die Bibel wird in der sogenannten textkritischen Methode mit dem Auge dessen gelesen, dem du in deinem Forum Hausverbot erteilen würdest. Klassisches Beispiel: die Endzeitrede Jesu, etwa Mätthäus 24,1 - 25,46,
soll nach 70 entstanden sein und Jesu in den Mund gelegt worden sein, da sie die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 andeutete. NUR: Jeder Blinde konnte damals wissen, dass der Aufstand drohte (davon erzählt
das neue Testament ja) und jeder, der geistig einigemaßen bei Kasse war, wusste wie das ausgehen würde — katastrophal. Ist dazu Hellsehen notwendig?

2.Das alte Testament (wie das neue auch) handeln von dem Zusammenprall einer nomadisch geprägten Kultur mit den großen, grausamen Imperien (Ägypten, die Kaaniter, Assur, Babylon, Die Griechen... Rom.... ).
Das geschah einer Gesellschaft, Israel,die ursprünglich eine Stammesgesellschaft gewesen war und in ihrer Tradition diese Zeit als ideal vergötterte (es kommt mehr dazu, würde aber diesen Rahmen hier sprengen).
Als die Lage unhaltbar für die Stämme wurde, erkoren die Juden sich einen König, David, der zwar ihnen militärisch Ruhe verschaffte, sie aber genauso knechtete,
wie die anderen Völker sie vorher auch (Man kennst das, wenn eine Kooperative in der Marktgesellschaft übedauern will, muss sie wie eine Firma geführt werden).
Natürlich, die jüdischen Könige vergeigten später das kleine Reich, das kam dazu.

Die Apokalyptik entstand mit der Besetzung durch die Griechen, nach Alexander dem Großen, die nicht nur einen fiesen Kapitalismus einführten, am liebsten junge Knaben oder Sklaven fickten, aber selber nie ihren Arsch hinhielten,
eine absolut universelle Zivilsation hatten (von Gibraltar bis Dehli reichte ihr Einfluss) und dazu die Eigenschaft hatten, dass sie alles mit ihrer Art zu leben überformen wollten. Sklavenhalter waren sie ja auch. Mental und moralisch hielten sie sich für topfit und das nonplusultra.
Und in dieser Zeit entstand der Gedanke, dass nicht nur das jeweilige Imperium vergehen würde (wie Assur oder Babylon) sondern die "Welt" als ganze: das "Imperium" der Griechen und später das der Römer hatte ja auch einen "totalen" Anspruch.

3.der mythologische Kontext. Orientalisches Denken vollzieht sich in Kreisen, nicht linear, es gibt weder Vergangenheit als unwiederbringliches, noch Zukunft als neues, sondern nur Kreise, das heißt, S. geht, wird wiederkommen, wie der Winter geht,
wiederkommt, wie.. Situationen wiederholen sich, man denkt nicht in punktuellen Ereignissen, sondern in Konstellatioen.
Es gibt Personen, aber die sind nicht das, was sie heute sind.
Persona ist die Maske des Schauspielers, beim Theater, was zählt ist nicht die Identität (die kommt erst mit dem Christentum oder der Spätantike) sondern die Rolle, man ist König, Bauer, Knecht, Sklave, Philosoph, Prophet. Und nun, das ist die Crux dabei,
so wie ein König handelt, so wird der nächste auch handeln, was Assur machte, wird Babylon auch tun, und was Rom tat, werden die Amerikaner auch tun — prophezeit wird, das was in der jeweiligen Rolle gespielt wird.

4. es gibt Prophezeiungen. Wenn man daran glaubt. Und wenn man das tut, gibt es keinen Grund, sie nicht auch in den Schriften zu suchen, die wie die alte und neue Testament, der Koran, die Upanishaden lange von vielen als "heilig" geschätzt wurden. Und, die meisten aller
"Schauungen" , die hier im Forum verhandelt werden, stammen von Leuten, die ganz sicher die Bibel jahrelang gelesen hatten, in einer Kultur aufgewachsen sind, die die biblischen Bilder tradiert — eine "reine", nicht religiös geprägte Schauung zu finden, dürfte schwer sein.

grüsse schlumpf




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