Re: Gedanken zum richtigen Verständnis von Schauungen

Geschrieben von Bonifatius am 03. August 2006 19:27:50:

Als Antwort auf: antwort als ganzes – gilt für alle punkte geschrieben von schlumpf am 02. August 2006 11:47:15:

Lieber Detlef,

nach den Entgleisungen, die es zu diesem Thema in den letzten Tagen gab, freut mich dein Neuanfang. Allerdings sehe ich deine Aufgabenstellung als schwierig an.

Du schreibst:

>was ich mir ausdruecklich verbitte, sind glaubensbekenntnisse.
so etwa nach dem motto: das ist egal, was weltliche dazu sagen, die bibel ist von gott und kann deshalb nicht falsch sein. - wer hier schreibt, wird sich schon etwas mehr muehe geben muessen.

Klingt einerseits gut. Aber andererseits werden dann hier überwiegend nur Missionare schreiben, seien es Lästerer oder Christen. Warum? Nimm als Beispiel Nostradamus: Da darf (mal kritisch ausgedrückt) wie wild an den Texten herumgebogen werden. Man verändert die Übersetzung so lange, bis es irgendwie passt. Andererseits: Die Chance besteht, dass man beim Probieren eins Systematik entdeckt, um den Rest besser zu verstehen. Vor den Ereignissen, nicht nur hinterher.

Was würde passieren, wenn du an Nostradamus die gleichen Maßstäbe anlegst wie an die Bibeldiskussion? Du würdest sehen, dass mal so und mal anders übersetzt wird. Dass Nostradamus mit dem gleichen Wort mal das eine meint, mal das andere. Dass ein Städtenamen mal die Stadt meint, vielleicht aber auch das Land, oder dass es vielleicht für den Herrscher steht. Ist das "passend machen/hinbiegen"? Oder ist das der Versuch, die Botschaft zu erkennen, die zwischen den Zeilen steckt, nicht in ihren Worten?

Ich muss etwas ausholen. Sicher gibt es viele Erlebnisse, die dir und deiner Frau viel zu sagen haben. Vielleicht verbindet ihr viel mit einer Filmmelodie. Oder mit der Musik, zu der ihr das erste mal getanzt habt. Und wenn ihr ausgeht und du darauf achtest, dass beim Essen genau dieses Lied gespielt wird, dann wird das deiner Frau viel bedeuten. Und sie wird darauf reagieren.

Nur, was würde die kritische Betrachtung sagen? "Das kannst du in die Tonne kloppen", würde es vielleicht heißen. Denn in deinem Bericht würdest du nur ein altes Motiv aufgreifen. Das längst geschehen und vorbei sei. Und alles andere sei Wunschdenken. Aber hat das alte Motiv (z.B. euer Lieblingslied) nicht gerade deshalb eine Bedeutung für die Zukunft, weil es alt ist? Weil deine Frau damit viel verbindet?

Ähnlich sehe ich es bei Prophezeiungen. Gibt es da nur die "Lottozahlen-Prophezeiungen", die etwas direkt und in klaren Worten sagen? Ich hole nochmal aus: Hat dir schon jemand etwas erzählt, was an sich keine Bedeutung für dich hat? Aber plötzlich hat es "klick" gemacht und dir ist etwas eingefallen ("Hilfe, den Geburtstag hätte ich ja beinahe vergessen"). Kannst du dir vorstellen, dass so etwas nicht immer nur rein zufällig geschieht? Wenn ja, dann weißt du, was ich meine. Es gibt manchmal eine Art "Führung". Oder nenne es "innere Stimme" oder wie auch immer. Aber das sind meist Dinge, die nicht direkt gesagt werden. Sondern die zwischen den Zeilen stehen.

Wie willst du als Außenstehender diese Führung erkennen? Oder das erkennen, was zwischen den Zeilen steht? Reicht es, dazu nur auf die Worte zu achten? Oder muss man dazu nicht erstmal ein Verständnis entwickeln? Und muss dazu den Text, die Ereignisse nicht erstmal für sich selbst sprechen lassen? Also die Liebe sehen, die hinter dem Spielen des Liedes steckt, statt die Musk auf akustische Phänomene zu reduzieren und dann über die Musikindustrie zu lästern? Und wie den Musikindustrie den einen oder anderen ausbeutet, etc - du kannst vom hundertsten ins tausendste kommen. Und hast doch immer noch nichts von der Bedeutung verstanden.

Schlumpf hat das kürzer geschrieben und bringt mich zum nächsten Punkt, er schreibt:

>Mit dem textkritischen Ansatz würde zum Beispiel bei dem Irlmaier vermutet werden, die Partie XY seiner Prophetie hättte er bei X gelesen (was auch stimmen mag, und da eingeflickt), Partie DFR wäre eine Reaktion auf den Film "das große Grauen der Medusa" der 1956 im Kino lief...

Genau das ist es! Natürlich greift Irlmaier Dinge auf, lässt sie unbewusst mit einfließen. Nur: Das macht seine Schauungen noch lange nicht falsch!. Wenn ich jetzt versuche zu beweisen, dass der Film schon in den Kinos lief, was habe ich dann gewonnen? Hätte ich damit nicht eher das Thema verfehlt? Oder wenn Nosti/Irlmaier/... ein altes Ereignis einfließen lassen - kann es dann keine Prophetie mehr sein? Kann es nicht sein, dass sie genau das schreiben, um damit die Zukunft anzudeuten? Und sei es auch nur unbewusst? Was hilft also der Beweis, dass der Film bereits gespielt wurde?

Ich kann die Frage auch umgekehrt stellen: Was erwartest du von einem Nosti/Irlmaier/...-Ausleger? Dass er dir erstmal beweist, dass eine Aussage nicht auf Assoziationen von Bekanntem beruht? Und wieder vom hundertsten ins tausendste zu gehen, statt mal zu sehen, zu welchem Ergebnis er kommt, wenn er den Text so oder so betrachtet?

Lass doch lieber den Text und die Auslegung einfach stehen. Dann kommt man zu viel mehr Ergebnissen, als wenn man versucht, alles zu zerpflücken. Denn wenn es indirekte Aussagen gibt, Botschaften zwischen den Zeilen, dann ist es falsch, einen Text auf die Buchstaben zu reduzieren, um dann seine Aussage zu zerreden. Und in solchen Diskussionen findest du dann nur noch Missionare der einen oder der anderen Seite. Und gewinnst nicht für das Thema. Viel mehr Chancen hast du, wenn du dich dem Text von innen heraus näherst, wohlwollend. Und den Autor und seine Botschaft besser zu verstehen.

Schlumpf hat noch einen wichtigen Punkt angesprochen:

>4. es gibt Prophezeiungen. Wenn man daran glaubt. Und wenn man das tut, gibt es keinen Grund, sie nicht auch in den Schriften zu suchen, die wie die alte und neue Testament, der Koran, die Upanishaden lange von vielen als "heilig" geschätzt wurden. Und, die meisten aller
>"Schauungen" , die hier im Forum verhandelt werden, stammen von Leuten, die ganz sicher die Bibel jahrelang gelesen hatten, in einer Kultur aufgewachsen sind, die die biblischen Bilder tradiert — eine "reine", nicht religiös geprägte Schauung zu finden, dürfte schwer sein.

Meine Rede seit Wochen. Aber bei Irlmaier & Co werden die religiösen Aussagen erstmal als echte Schauung genommen. Nimmt mal aber die gleichen Aussagen aus der Bibel, dann heißt es "Oh, Vorsicht, Gefahr, das muss man alles ganz anders sehen...". Ich denke da an 3 Tage (!) große Finsternis (!), den Sternenfall (!) oder den großen Monarch (!), bei dem es keine Not mehr gibt, keinen Hunger und keine Krankheit. Aber warum gilt der "große Monarch" im Lied der Liede als echt, in der Bibel aber als religiöse Fälschung?

Also, wenn du die biblischen Schauungen so genau prüfen möchtest, dann müsstest du das auch für die modernen Schauungen tun. Zumindest müsstet du die biblischen Motive in Frage stellen, die sie ständig aufgreifen. Und erst weitermachen, wenn deren Grundlage geklärt ist. Aber wäre das sinnvoll? Oder warum willst du das Motiv in der Bibel lange hinterfragen lassen, aber nicht dort, wo es später aufgegriffen wird?

Kommt man nicht eher zur eigentlichen Aussage, wenn man wohlwollend an Nostradamus und Irlmaier herangeht? Kann man die Botschaft zwischen den Zeilen überhaupt anders erkennen?

Detlef, ich möchte mich hier nicht in die Reihe der Missionare einreihen. Die beweisen wollen, dass ein Text falsch ist. Oder dass er richtig ist. Ich will hier nicht beweisen, dass der eine Text falsch ist oder der andere richtig. Sondern ich möchte sehen, was die Texte aussagen. Seien es Nostradamus, Irlmaier, Waldviertler, Parravincini oder auch die Bibel. Ich möchte das einfach stehen lassen, um dann vergleichen nicht zu können. Aber das wird nichts, wenn ich oder ein anderer erst etwas lange beweisen muss. Denn, wie gesagt: Dass Irlmaier einen bestimmten Film kannte und vielleicht sogar aufgriff, das mag alles stimmen. Verfehlt aber das Thema, die Aussage seines Textes.

Viel zu lange, der Beitrag, ich weiß...

Gruß in die Runde


B.


Antworten: