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Keine authentische Seheraussage (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Sonntag, 23.07.2017, 09:20 (vor 2469 Tagen) @ Dannylee (2403 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Sonntag, 23.07.2017, 09:33

Hallo!

für den Herrn, der auch mal gerne im Joh-Forum mitschmökert:;-)
Zitat aus "Prophezeiungen ernst genommen" von Erich Berger (2013):

Der Titel des Buches ist aus quellenkritischer Sicht leider genauso falsch, wie er aus naivgläubiger Sicht alles unreflektiert ernst Nehmender treffend ist. ;-)

Überlieferung aus dem Bayerischen Wald

Die Frauen tragen als allgemeine Mode (zumindest in Deutschland) die Haare vorn
länger als hinten. Die Überlieferung bezeichnet dies als "Arschlingsköpfe", wohl
dem Aussehen nach.

Manfred Böckl schreibt die "Arschlingsköpfe" dem Stormberger zu. In den alten "authentischen" Stormbergerhandschriften aus dem Zeit von 1780 bis vor 1900 kommt dieses Wort nicht vor. Folglich handelt es sich mit Sicherheit um eine später entstandene Fälschung, die dem Stormberger untergeschoben wurde – ein Vorgehen, welches bei Prophezeiungen bis zum heutigen Tage nicht die Ausnahme, sondern die absolute Regel ist.

In der sogenannten Rabensteiner Stormbergerhandschrift von Ende des 19. Jahrhunderts heißt es:
"Wenn aber einmal die umgekehrten Köpfe aufkommen, das wird das Letzte sein."
Dieser Satz kommt wiederum in den älteren Stormbergerhandschriften, die noch näher am realen "Starnberger" (einem Rabensteiner Glashüttenangestellten im Jahre 1766) sind, nicht vor. Folglich handelt es sich mit Sicherheit um eine später entstandene Fälschung, die dem Stormberger untergeschoben wurde – ein Vorgehen, welches bei Prophezeiungen bis zum heutigen Tage nicht die Ausnahme, sondern die absolute Regel ist.

Gewiß ist eine Mode gemeint, die zu jener Zeit (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts) aufkam. Beispiele findet man schnell, z. B. den sogenannten "Pompadour-Stil":
"Um 1880 war der 'Pompadour' Stil in Mode, der das Heben von Haaren auf der Mitte des Kopfes bedeutet und die Locken die herunter fallen bleiben auf den Seiten. Eine der Variationen ist der “französische Pompadour“ wo man das Haar auf dem Kopf stellt und die Locken fallen auf die Stirn. “Das Gibson Mädchen“ war um 1890 bis zu den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. sehr populär. Um diese Frisur machen zu können, haben die Frauen Haarstrehnen meistens aus ihren eigenen Haaren, die sie von den Haarbürsten nahmen und in kleinen Schüsseln aus Glaß oder Keramik aufbewahrten, vorne hinzufügten."

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Was genau mit den "umgekehrten Köpfen" gemeint sein soll, geht wie bei Mühlhiasls "Rabenköpfen" aus dem Text allein nicht hervor. Dem Zeitgenossen wäre es vermutlich ohne weiteres verständlich gewesen, weil die Aussage von ihrem Autor genau für seine Zeit passend angefertigt wurde. Der diffuse Charakter der Aussage erlaubt es, daß jeder in seiner Zeit irgendwo eine Mode findet, die genau auf die Aussage paßt, die er unreflektiert zu glauben beschlossen hat.

Die Grundanforderung, nämlich daß eine nachgewiesene Person eine dokumentierte Schauung hatte, welche die Aussage überhaupt erst würdig machen würde, sie vor dem Hintergrund unserer Zeit zu interpretieren, ist natürlich nicht erfüllt.
Unreflektiert Echtheit zu unterstellen und dann in der typischen Form des glaubensmäßigen Zirkelschlusses den Inhalt auf die Gegenwart zu beziehen, um die unterstellte Echtheit zu bestätigen, führt einen regelmäßig in die Irre.

Obiges herauszufinden ist kein Hexenwerk. Man müsste nur die behauptete Überlieferung zurückverfolgen und würde feststellen, daß die Aussagen der Volkssage sich stets weit entfernt von der angeblichen Seherperson im Dunkel der Zeit verlieren.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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