Re: Verletztenversorgung im Katastrophenfall

Geschrieben von Wissender am 12. Oktober 2005 09:54:

Als Antwort auf: Verletztenversorgung im Katastrophenfall geschrieben von Taurec am 11. Oktober 2005 12:54:23:

Hallo!

Ebenfalls Hallo!

Fällt mir gerade wieder ein, nachdem ich es schon fast wieder vergessen hatte:
Vor mehr als einer Woche kam im bayerischen Radio eine Bestandsaufnahme der Vorkerhungen für ein größeres Ereignis mit vielen Verletzten in der Stadt München.

Wer hat denn diese Bestandsaufnahme gemacht? Wurden nur hauptamtliche Kräfte erfaßt, oder auch Ehrenamtliche? Welches Ereignis lag der Bestandsaufnahme zugrunde?


Essenz: Die Stadt München sei nicht mehr in der Lage, selbst einer relativ kleinen Anzahl Verletzter angemessene Hilfeleistung zu Teil werden zu lassen.

Auch hier wieder: Von was für einer Lage wurde ausgegangen und welche Arten von Hilfskräften wurden erfaßt? Es ist ziemlich einfach zu sagen, daß eine Stadt/Gemeinde/Landkreis nicht genug Leute hat, aber wenn z.B. für ein Großereignis nur von hauptamtlichen Kräften ausgegangen wird, dann hat man eine Milchmädchenrechnung gemacht. Viele hauptamtliche Kräfte haben z.B. kaum eine Ausbildung in der Betreuung Unverletzter. Eine Versorgung solcher Betroffener z.B. auf psychologischer Ebene können sie also gar nicht leisten. Ein Skandal, oder? Zumal es bestimmt nicht genügend Notfallseelsorger gibt! Bloß, die Basisnotfallnachsorge und die notwendige Betreuung ist das Spezialgebiet bestimmter ehrenamtlicher Kräfte. Es gibt bei den Hilfsorganisationen ganze Einheiten, die speziell für diesen Fall ausgebildet und ausgerüstet sind. Wenn Du diese ehrenamtlichen Kräfte bei Deiner Rechnung außen vor läßt, wirst Du Dich garantiert verrechnen.

Im August dieses Jahres gab es zum Beispiel in einem Münchener Nahverkehrsbus einen Amoklauf, bei dem ein Messerstecher acht Menschen schwer verletzte. Es hätten zum Teil Notoperationen durchgeführt werden müßen, wozu man aber nicht in der Lage gewesen wäre, da die Ärtzteteams für den Notfall nicht vorhanden seien, bzw. nicht in Bereitschaft, im Urlaub und sonstwo zugange. Es dauerte mehrere Stunden (So 6-8, wenn ich mich recht erinnere.), bis alle Verletzten auf Krankenhäuser in der Region verteilt worden wären.
Der Grund: Mittlerweile sei ein Großteil des gesamten Apparates privatisiert worden. Seitdem würde eingespart, wo es nur ginge.

Aha, es ging also nur um die hauptamtlich Tätigen. 6-8 Verletzte ist bei uns (nicht in München, nicht mal in Bayern) hart an der Grenze dessen, was hauptamtliche Kräfte noch alleine leisten können. Normalerweise werden dafür bei uns schon weitere ehrenamtliche Kräfte nachgefordert. Dann stehen auch genügend Leute (incl. Ärzte) zu Verfügung. Es ist also durchaus möglich, daß die Einsatzleitung in dem Fall entschieden hat, KEINE ehrenamtlichen Kräfte anzufordern und mit dieser Entscheidung falsch lag. BTW: Not-OP's vor Ort finden nur extrem selten statt, normalerweise versucht man die Verletzten erst in irgendwelche Krankenhäuser zu bringen, bevor man operiert.

Es kann gut sein, daß es in anderen Städten nicht besser aussieht.

Gut möglich. Aber wofür willst Du planen und hauptamtliches Personal vorhalten? Für Dinge, die nur alle paar Jahre mal vorkommen? Notärzte sind teuer! Und für Sonderfälle, wie Katastrophen und den sogenannten "Massenanfall von Verletzten" gibt es ja die Hilfsorganisationen mit ihren ehrenamtlichen Helfern. Dafür sind die da!

Jetzt kann man sich ausrechnen, welches Chaos ausbräche, wenn uns hier in Deutschland mal Ungemach wiederführe. Sei es durch Anschläge, Unfälle, Unruhen, dergleichen. Die hatten schon mit acht Leuten Probleme.

Kaum. Wenn ich mal von einer Einsatzeinheit des Deutschen Roten Kreuzes ausgehe (und das sind nur ehrenamtliche Leute), dann kann EINE Einsatzeinheit 20 Verletzte und über 100 Unverletzte gleichzeitig betreuen. Im Notfall sogar 500. Allein bei uns im Landkreis haben wir schon 4 Einsatzeinheiten. Dazu kommen noch weitere Einheiten anderer Hilfsorganisationen, wie Johanniter und Malteser. Nicht zu sprechen vom hauptamtlichen Rettungsdienst, THW, Feuerwehr und im Zweifelsfall noch Bundeswehr. Dazu kommen dann noch Einheiten aus den Nachbarkreisen, wenn nötig. So schnell geht es mit dem Chaos also nicht. Zumindest wenn es "nur" zu isolierten Anschlägen usw. kommt. Wenn die Sache sich aber flächendeckend über das ganze Land ausbreitet und nicht zur Ruhe kommt, sieht das sicher anders aus.

Ist hier irgendjemand aus der Branche zugegen, der das bestätigen, Stellung zu nehmen könnte?

Sorry, Einsätze der Kollegen in Bayern werde ich nicht kommentieren, das steht mir nicht zu, aber zum Katastrophenschutz kann ich schon was sagen.

Gruß
Taurec

Grüße zurück,

ein Wissender


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