Re: Verletztenversorgung im Katastrophenfall

Geschrieben von Sierrabravo am 13. Oktober 2005 02:03:

Als Antwort auf: Re: Verletztenversorgung im Katastrophenfall geschrieben von Wissender am 12. Oktober 2005 09:54:


Hallo allerseits,

>Auch hier wieder: Von was für einer Lage wurde ausgegangen und welche Arten von >Hilfskräften wurden erfaßt? Es ist ziemlich einfach zu sagen, daß eine >Stadt/Gemeinde/Landkreis nicht genug Leute hat, aber wenn z.B. für ein >Großereignis nur von hauptamtlichen Kräften ausgegangen wird, dann hat man eine >Milchmädchenrechnung gemacht. Viele hauptamtliche Kräfte haben z.B. kaum eine >Ausbildung in der Betreuung Unverletzter. Eine Versorgung solcher Betroffener >z.B. auf psychologischer Ebene können sie also gar nicht leisten. Ein Skandal, >oder?

Eben: Können sie auch gar nicht(Lernen sollten sie's schon). Bei einem Großschadensereignis mit einer Vielzahl an Verletzten sind praktisch alle hauptamtlichen Kräfte der Hilfsorganisationen bei der Versorgung der Verletzten gebunden. Ausserdem gibt es auch ausserhalb des Schadensgebiets noch Menschen. Für diese muss auch eine „Bereitschaft“ vorgehalten werden.

>Zumal es bestimmt nicht genügend Notfallseelsorger gibt! Bloß, die >Basisnotfallnachsorge und die notwendige Betreuung ist das Spezialgebiet >bestimmter ehrenamtlicher Kräfte. Es gibt bei den Hilfsorganisationen ganze >Einheiten, die speziell für diesen Fall ausgebildet und ausgerüstet sind. Wenn >Du diese ehrenamtlichen Kräfte bei Deiner Rechnung außen vor läßt, wirst Du >Dich garantiert verrechnen.

Leider gibt es nicht genug solcher „Einheiten“. Ich kenne keine einzige in meinem Einsatzgebiet.

>Aha, es ging also nur um die hauptamtlich Tätigen. 6-8 Verletzte ist bei uns >(nicht in München, nicht mal in Bayern) hart an der Grenze dessen, was >hauptamtliche Kräfte noch alleine leisten können. Normalerweise werden dafür >bei uns schon weitere ehrenamtliche Kräfte nachgefordert. Dann stehen auch >genügend Leute (incl. Ärzte) zu Verfügung. Es ist also durchaus möglich, daß >die Einsatzleitung in dem Fall entschieden hat, KEINE ehrenamtlichen Kräfte >anzufordern und mit dieser Entscheidung falsch lag. BTW: Not-OP's vor Ort >finden nur extrem selten statt, normalerweise versucht man die Verletzten erst >Es kann gut sein, daß es in anderen Städten nicht besser aussieht.
>Gut möglich. Aber wofür willst Du planen und hauptamtliches Personal vorhalten? >Für Dinge, die nur alle paar Jahre mal vorkommen? Notärzte sind teuer! Und für >Sonderfälle, wie Katastrophen und den sogenannten "Massenanfall von Verletzten" >gibt es ja die Hilfsorganisationen mit ihren ehrenamtlichen Helfern. Dafür sind >die da!

Also 6 – 8 Schwerverletzte ist auch bei uns schon schwer an der Grenze -wenn nicht gar zuviel- für den regulären Rettungsdienst. Auch bei uns können ehrenamtliche Kräfte nachgefordert werden, ob auch genügend Personal erscheint,, hängt von der Tageszeit ab. Im Gegensatz zur Feuerwehr müssen diese nicht vom Arbeitgeber freigestellt werden. Noch nicht mal, wenn der Katastrophenfall ausgerufen wird.

Ich denke in München sollte diese Anzahl vom Rettungsdienst jederzeit zu bewältigen sein. Das Problem lag wahrscheinlich eher an den Krankenhäusern.
Ich erlebe immer wieder dass in größeren Städten Krankenhäuser ihre Notaufnahmen „abmelden“. Zum Teil muss sogar mit der Staatsanwaltschaft gedroht werden, um einen Verletzten in ein geeignetes Krankenhaus zu bringen


>Kaum. Wenn ich mal von einer Einsatzeinheit des Deutschen Roten Kreuzes ausgehe >(und das sind nur ehrenamtliche Leute), dann kann EINE Einsatzeinheit 20 >Verletzte und über 100 Unverletzte gleichzeitig betreuen. Im Notfall sogar 500. >Allein bei uns im Landkreis haben wir schon 4 Einsatzeinheiten. Dazu kommen >noch weitere Einheiten anderer Hilfsorganisationen, wie Johanniter und >Malteser. Nicht zu sprechen vom hauptamtlichen Rettungsdienst, THW, Feuerwehr >und im Zweifelsfall noch Bundeswehr. Dazu kommen dann noch Einheiten aus den >Nachbarkreisen, wenn nötig. So schnell geht es mit dem Chaos also nicht. >Zumindest wenn es "nur" zu isolierten Anschlägen usw. kommt. Wenn die Sache >sich aber flächendeckend über das ganze Land ausbreitet und nicht zur Ruhe >kommt, sieht das sicher anders aus.

Nachdem hier München als Beispiel genannt wurde, werde ich auch mal auf die aktuelle Situation in Bayern eingehen. Auch bei uns gibt es diese Einsatzeinheiten. Diese bestehen aus 16 – 20 ehrenamtlichen Kräften, Ärzte sind nicht vorgesehen!
Die medizinische Ausbildung der Einsatzkräfte beschränkt sich auf 6 Tage! Eine weitere Ausbildung ist nicht vorgeschrieben.
THW und Feuerwehr hört sich gut an, ist aber nicht unbedingt eine große Hilfe bei der Behandlung der Verletzten. Die Bundeswehr können wir erstmal vergessen. Da gibt es nämlich einige Vorraussetzungen, die erfüllt sein müssen: Anforderung durch Landrat; Zustimmung des Kommandeurs bzw. des Verteidigungsministeriums; Benachrichtigung der betreffenden Einheiten. Dann müssen diese BW-Einheiten auch noch einsatzfähig sein (Nacht, Wochenende)

>Sorry, Einsätze der Kollegen in Bayern werde ich nicht kommentieren, das steht mir nicht zu, aber zum Katastrophenschutz kann ich schon was sagen.

Natürlich gibt es bei größeren Schadensfällen auch eine spontane Hilfe durch Unbeteiligte, aber die Grenzen des Katastrophenschutzes, der Hilfsorganisationen und der Krankenhäuser in diesem Land wird von Jahr zu Jahr immer schlechter. Ich hoffe nur, dass die Organisation in deiner Region weiterhin so gut bleibt. Meine Erfahrungen zeigen leider eine in eine andere Richtung.

Gruss

SB


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