Re: Das Problem ist die Überschuldung, nicht der Zins an sich
Geschrieben von BBouvier am 22. Oktober 2004 12:01:17:
Als Antwort auf: Re: Das Problem ist die Überschuldung, nicht der Zins an sich geschrieben von Johannes am 22. Oktober 2004 01:52:54:
Hallo, Johannes!Dein "Kartoffelbeispiel" ist schon interessant.
Man muss nur die richtigen(!!) Schlussfolgerungen ziehen!
Aus einer Kartoffel werden 10.
Aus diesen 10> 100.
Aus diesen hundert> 1000.
Aus 1000 werden 10000.
Im 10. Jahr sind es bereits 10.000.000.000.-
Und so weiter!
Exponential.
Nach 25 Jahren wäre die gesamte Welt 33 Meter hoch
mit Kartoffeln verschüttet.
Aber natürlich kollabiert das gesamte Leben auf der Erde schon vorher!Im Gegensatz zu Zinsen werden die ersten überschüssigen 9 Kartoffeln
am Jahresende verzehrt und sind weg.
"Geld" aber nicht.
Das haste übersehen.Gruss,
BB(Nur Holzlanzen sollten gestattet sein.)
>> (2) Kein Wort zur Verteilung - man tut ständig so, als ob die kleinen
>> Leute plötzlich aus Lust und Laune heraus so sparen, weshalb der Konsum
>> so leide - nicht die Zinslasten der breiten Masse seien am Einbruch des
>> Konsums Schuld, sondern nur die Psychologie.
>
>Hallo Georg,
>ich denke ja auch, daß das Problem in der Verteilung liegt. Nur: Konkrete Verteilungszahlen habe ich derzeit nicht, und Du hast auch keine genannt. So können wir das also derzeit nicht sicher entscheiden - und sollten das "kotzen" also erstmal sein lassen.
>Im übrigen sehe ich nicht den Zins an sich als das Problem an, sondern die (Über)Verschuldung. Zins ist erstmal ein völlig natürlicher Vorgang. Denn würde die Kartoffel, die Du in die Erde steckst, bei der Ernte keine "Zinsen" bringen, würdest Du hungern müssen. Leben vermehrt sich -> und das ist quasi Zins. Und wenn es keinen Zins mehr bringt, ist es am Sterben.
>Zum Problem wird der biologische "Zins" erst dann, wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät und sich eine Pflanze oder ein Tier ungehemmt vermehrt. Andere werden dadurch Aussterben, bis es durch die Überpopulation vielleicht zu einer Seuche kommt, die die sich ausbreitende Pflanze oder das Tier ausrottet und im Endeffekt wieder ein Gleichgewicht herstellt.
>Ähnlich sehe ich auch den Geldzins an, wobei Geld ja nur ein Tauschmittel ist, z.B. für Kartoffeln. Du baust z.B. Deine Kartoffeln an und ernährst Dich davon mehr recht als schlecht und kommst kaum noch dazu, Dich um anderes zu kümmern. Ich sage Dir, leih mir Deinen Kartoffelacker, ich bin effektiver als Du. Und schaffe es, 10% mehr herauszuholen als Du. Und diese 10% sind der Zins, den Dein verliehener Kartoffelacker abgeworfen haben, und den teilen wir uns. Du hast zwar das Risiko, ob ich das wirklich schaffe, hast aber im Normalfall immer noch Deinen Kartoffelacker, bekommst Deine Kartoffeln und noch einen kleinen Zins dazu (oder auch etwas weniger Kartoffeln, dafür aber viel weniger Arbeit). Und ich bekomme Kartoffeln, obwohl ich mir gar keinen eigenen Acker leisten kann. Wir profitieren also beide.
>Natürlich hat dieses System auch Schwachpuunkte. Ich muß schon sehr effektiv sein im Anbau und viele Äcker bewirtschaften können, sonst verhungere ich. Und wenn ich zuviel Fläche pachte und mich übernehme, werde nicht nur ich am Ende hungern, sondern auch diejenigen, die nun keine oder kaum eigene Kartoffeln anbauen. Wenn aber jeder in seinem Bereich effektiv ist, dann bringt eine solche Arbeitsteilung für jeden Vorteile, und der Ausgleich untereinander erfolgt durch Pachtzins. Oder, bei anderen Waren, die sich besser durch das Tauschmittel Geld verrechnen lassen, eben durch Geldzins.
>Und so sehe ich im Zins an sich kein Problem. Es bleibt das gleiche, wenn Du statt über den Zins eine Firmenbeteiligung in Aktien hast, Du erwartest einen Ertrag. Bei Aktien bestimmst Du mehr mit, bei einer Verrechnung durch Zins für das geliehende Geld kann die Firma unabhängiger handeln. Auch wenn man es nicht als Zins bezeichnet, so ist auch die Dividene oder der Mietzins ein Zins. Problematisch wird es, sobald das Gleichgewicht durcheinander kommt und sich die Zinszahlungen verselbständigen. Aber das ist wiederum unabhängig davon, ob Du den Zins in Geld oder in Sachleistungen ausdrückst. Nicht der Zins an sich ist das Problem, sondern die Überschuldung - und die haben wir für meine Begriffe schon lange erreicht.
>Ich nehme jetzt einfach mal die Zahlen so, wie sie Guerrero gebracht hat, auch wenn ich gern noch mehr Details wüßte. Laut diesen Zahlen hat jeder der 38,9 Millionen privaten Haushalte Schulden in Höhe von 39.800 Euro. Ein Teil sicher in günstigen Hypotheken, einen anderen Teil in mittelteuren Ratenkrediten, und ebenfalls einen Teil in extrem teuren Überziehungen (über das Limit hinaus). Wenn ich das mal grob auf 8% schätze, dann zahlt jeder Haushalt um die 250 Euro im Monat.
>Das waren jetzt nur die privaten Schulden. Wie hoch sind die Schulden von Firmen, Banken und Versicherungen, die diese über die Preise auf die Kunden umlegen müssen?
>Ich habe eben noch etwas gegoogelt. Demnach hatten 1999 die 29,3 (?) Millionen Haushalte ein verfügbares Jahreseinkommen von 43.300 DM, also ca. 22.000 Euro. Es scheint unterschiedlichet jeder Haushalt ein verfügbares Einkommen von 1.390 Euro, von denen er 250,00 Zinsen für private Schulden zahlen muß. Bei erwarteten 40 Milliarden Neuverschuldung allein der Bundesregierung entfallen auf jeden Haushalt noch einmal 85 Euro Schulden.
>Jeder Haushalt zahlt also derzeit im Schnitt 18% seines Einkommens allein für private Schulden, und das ist jenseits der Grenze, bei der noch ein gesundes Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen bleibt. Ich würde mal gefühlsmäßig so 2-3% als dauerhaft tolerierbare durchschnittliche private Verschuldung sehen, dann sind das quasi Nutzungsgebühren für Geld oder private Investitionen. Aber fast jeden 5. Euro nur für die private Verschuldung zu zahlen, das bringt das Gleichgewicht ins Kippen - sprich, das obere Drittel wird reicher, das untere Drittel ärmer (um das zu prüfen hätte ich gern ausführlichere Zahlen).
>Der Unterschied zwischen Zins an sich und Verschuldung ist mir übrigens sehr wichtig, deshalb auch mein langer Beitrag. Wenn ich über den Zins an sich schimpfe, dann kann ich mir mit jedem einig sein, der mehr konsumiert, als er einnimmt (denn das Mehr an Konsum muß er sich leihen und dafür Zinsen zahlen). Aber auch, wenn es wehtut: Wir müssen die Ursache in den Griff kriegen (Verschuldung), nicht nur über die Folgen schimpfen (Zinszahlungen). Sicher: Verzicht auf Schulden bedeutet weniger Wirtschaftswachstum - aber wir haben dafür ein langfristig stabiles System.
>Gruß
>Johannes
- Re: Das Problem ist die Überschuldung, nicht der Zins an sich Johannes 22.10.2004 12:57 (10)
- Re: Das Problem ist die Überschuldung, nicht der Zins an sich Bonnie 22.10.2004 13:18 (9)
- Das Problem ist die Überschuldung, nicht der Zins an sich. Guerrero 22.10.2004 21:59 (0)
- Re: Das Problem ist die Überschuldung, nicht der Zins an sich Johannes 22.10.2004 13:42 (0)
- Falsch - Geld ist kein Produktionsfaktor - Georg 22.10.2004 13:33 (6)
- Ohne Geld keine Erhöhung der Produktivität . Guerrero 22.10.2004 22:26 (5)
- Sehe ich ähnlich, aber Georg 23.10.2004 13:47 (2)
- Wachstum. Achillesferse. Guerrero 23.10.2004 15:33 (1)
- Ja, genau - auch ein schönes Wochenende (owT) Georg 23.10.2004 19:27 (0)
- Re: Überschuldung - Krankheit oder Symptom? franz_liszt 23.10.2004 01:54 (1)
- Gier? Guerrero 23.10.2004 15:55 (0)