Knifflig (Freie Themen)

Isana Yashiro, Montag, 15.02.2021, 03:36 (vor 1166 Tagen) @ Giraffe (549 Aufrufe)

Hallo!

Eine Frage an die Runde, gibt es einen Vorteil wenn man kritisch denkt? Wenn man z.b. Schauungen hinterfragt oder ganz allgemein wenn man Nachrichten und gesellschaftliche Entwicklungen hinterfragt?

Die Frage beschäftigt mich inzwischen so sehr, daß ich mich schon frage, warum sie mich eigentlich so sehr beschäftigt. Das liegt vielleicht daran, daß ich unter einer Nachricht etwas ganz anderes verstehe als unter einer gesellschaftlichen Entwicklung und darunter wieder etwas ganz anderes als unter einer Schauung. Bei dem Versuch das alles in einem beantworten zu wollen hat sich mir wohl ein Gehirnknoten gebildet.

Ich kenne sehr viele spirituelle Lehrer, Priester, Bekannte, die die Nachrichten der Massenmedien unhinterfragt übernehmen.

Das gehört bei Lehrern und Priestern zu ihren Aufgaben. Wenn man sich schon als Organ der staatlichen Propaganda versorgen läßt, dann sollte man sich auch wie ein Organ der staatlichen Propaganda benehmen. Bei spirituellen Lehrern ist es peinlich.

Bei mir war es auch lange so. Meine Frage ist nun, gibt es irgendeinen Vorteil dadurch das man Dinge hinterfragt?

Dazu gab es schon gute Antworten. Eine fehlte bisher: Weil man sonst anfängt, Zeit und Geld dafür zu verschwenden, ein U-Boot zu bauen. Das gilt dafür, Schauungen zu hinterfragen. Falls man dagegen gesellschaftliche Entwicklungen hinterfragt, dann wird man eher von Fernweh ergriffen und fängt an, ein Boot zu bauen.

Es gibt ja einige Nachteile Dinge zu hinterfragen, z.b. bringt es wenig um die Karriere Leiter innerhalb von Religionen oder Unternehmen zu besteigen. Im Gegenteil es sind meistens jene die bereit sind sich zu unterwerfen und andere auszuschalten, welche befördert werden.
Ist es also nicht von Vorteil die Beschreibung von gut und schlecht aus den Medien und Religionen zu übernehmen, um sich im Lichte der Gemeinschaft zu sonnen?

Ja, das ist es. Falls man dieses Ziel im Leben hat.

Gibt es einen Grund warum manche (wenige) Menschen Dinge hinterfragen und die weit aus größere Menge dies mit Abscheu tituliert? Hat es irgendeinen Vorteil?

Für gewöhnlich unterliegen biologische Eigenschaften einer Gauß-Verteilung. Das gilt auch hier. Diejenigen Menschen, die Dinge hinterfragen, sind überdurchschnittlich kritisch und überdurchschnittlich gebildet. Auf der gegenüberliegenden Seite der Glockenkurve befinden sich Menschen, die (neuro-)physiologisch nicht dazu in der Lage sind, etwas zu hinterfragen, selbst wenn sie es wollten. Im Hauptteil der Glockenkurve befinden sich Menschen, die schon dazu in der Lage wären, aber sich lieber im Lichte der Gemeinschaft sonnen. Darum konnte ich vor einigen Tagen im Gelben Forum lesen (aber jetzt leider den Beitrag nicht mehr finden), daß die Menschen ganz schnell wieder intelligenter würden, sobald es ihnen schlechter ginge.

Ein weiterer Fakt aus der Biologie spielt noch eine Rolle: Lebewesen leben nicht in der Umwelt, an die sie angepaßt sind. Das ist ein häufiges Mißverständnis. Obwohl die gesamte Theorie der Evolution auf Funden der Geologen beruht, werden Erkenntnisse der Geologen in der Biologie viel zu wenig beachtet. Zum Beispiel sind sämtliche Theorien zum Landgang der Arten hinfällig, denn vor einmilliarden Jahren schwammen die Lebewesen fröhlich vor sich hin und dann fanden sie sich plötzlich an Land wieder: https://www.wissenschaft.de/astronomie-physik/erdentwicklung-kontinente-tauchten-ploetzlich-auf/ Logischerweise waren die Lebewesen davon völlig überrascht und in keinster Weise an das Leben auf dem Land angepaßt! Sie mußten nur irgendwie damit zurechtkommen und sei es nur, indem sie einen Weg zurück ins Wasser fanden. Kaum hat man sich an eine neue Umwelt angepaßt, schon ändert sie sich wieder. So fiel mal der Sauerstoffanteil der Atmosphäre ab (das beendete das Zeitalter der Rieseninsekten) und ab und zu gefror der Planet zu einem Eisklumpen und taute später wieder auf.

Die Anpassungen an solche Veränderungen erfolgen unter Ausnutzung der Gauß-Verteilung. Nur wenn die Eigenschaften weit genug gestreut sind, dann gibt es Exemplare in einer Art, die mit neuen Umweltbedingungen besser klarkommen. Andernfalls stirbt die Art aus. Der Mensch hat bisher an Umweltveränderungen nur eine Teilvereisung und ein paar kleinere Temperaturschwankungen erlebt. Außerdem hat er es geschafft, an ein paar Stellen durch Grundwasserentnahme den Boden abzusenken und durch Entwaldung in einigen Gegenden die Erosion stark voranzutreiben. Das Dümmste, das der Mensch bisher geleistet hat, ist sich selbst einen Lebensstil aufzuzwingen, an den der Mensch nicht angepaßt ist. Der Mensch ist nämlich noch immer weitgehend an das Leben in der Altsteinzeit angepaßt. Da gab es keine Karrieren in Religionen oder Unternehmen. Es gab auch keine Massenmedien. Kritisch zu denken half einfach nur dabei, Gefahren zu erkennen und dadurch zu überleben. Darum gibt es für die Zukunft drei Möglichkeiten:

1. Das kritische Denken schleift sich noch aus.

2. Wir fallen in die Altsteinzeit zurück und dadurch bleibt das kritische Denken nützlich.

3. Das kritische Denken findet eine neue Funktion während wir uns an eine veränderte Umwelt anpassen.

In den letzten beiden Fällen kann das kritische Denken zum Normalfall werden. Aber wahrscheinlich werden kritische Menschen weiterhin am Rand der Normalverteilung mitgeschleppt, weil sich die Natur auf diese Weise auf unerwartete Veränderungen vorbereitet.

Gruß,
Shiro


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