dummdreiste gedanken (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Montag, 05.09.2011, 09:04 (vor 4623 Tagen) @ BBouvier (2931 Aufrufe)

BB!

nirgendwo wurde von mir behauptet, dass sich die vierte ekloge auf octavian bezieht. und kein damaliger leser der aeneis hätte das so verstanden. denn octavian wurde schon 63 geboren, die ekloge erst zwischen 40 und 35 geschrieben. allenfalls könnte man spekulieren, sie wäre eine gefälligkeit des dichters gewesen mit blick auf die erste schwangerschaft der livia nach ihrer (skandalösen, jedoch politischen) heirat mit octavian. doch das kind war dann ein mädchen und starb sofort nach der geburt.

die ekloge ist vielmehr, als öffentliche äußerung, ein historischer beleg für die spezifische friedenssehnsucht jener menschen, die an der grenze zur vierten und letzten epoche eines kulturzyklus leben. das zitat von timoschenko ist ein paralleler beleg aus unserer eigenen zeit, denn wir befinden uns zyklisch gesehen in derselben geschichtlichen (morphologischen) situation.

spengler weiss das ganz genau, hat also erkannt, dass diese "friedenssehnsucht" ein spezifisches merkmal einer definierten geschichtsepoche ist. aber er, der doch immer von "tatsachen" redet, kriegt nicht die kurve, dieses historische faktum anzuerkennen. stattdessen hat er den "frommen wunsch" (ich drehe dabei seine argumentationsweise gegen ihn selbst und übertreibe ein wenig), die weissen völker sollten doch besser weiterhin die menschheit abschlachten, bevor sie selbst abgeschlachtet würden. so wenigstens kann man diess blödsinnige zitat von 1936 verstehen.

in wirklichkeit geht es aber gar nicht um krieg oder frieden. sondern es geht um die suche nach einer "gesamtstruktur" für die sog. "menschheit". die letzte epoche im kulturzyklus ist immer die suche nach einer synthese. sie ist das bemühen, die drei vorangegangenen epochen inhaltlich mit der aktuell anstehenden situation in einklang zu bringen - und den zyklus zu vollenden. deswegen heute das ständige gerede von "ganzheiten" und von "systemen" und von "neuen weltordnungen" und von "einheit der menschheit" und von UNITED NATIONS und von "umfassendem weltfrieden".

der im kulturgang angelegte innere zwang zur synthese ist aber nicht nur in der politik vorhanden. ptolemäus etwa hat das gesamte antike wissen der mathematik und der astronomie in vier büchern (tetrabiblos) zusammengetragen. galenos tat dasselbe mit der medizin und pharmazie (16 bücher der methodi medendi). vitruv leistete diese arbeit für die baukunst (zehn bücher über architektur). justinian bei der kodizifierung des rechts (Codex Justinianus). die kirchenväter suchten eine synthese zwischen antiker philosophie und jüdischer religiosität. etc. etc. solche bemühungen, eine "summe" zu finden, bringen dann werke hervor, die für sehr lange zeiten maßstäblich sind - alle die genannten bücher bildeten bezugspunkte beim neuaufbau des nächsten kulturzyklus (ab 500 n.chr.), bis ins 17. jahrhundert haben professoren aus diesen schriften "vorlesungen" gehalten und sie kommentiert. erst mit unserem eigenen spätmittelalter (ab etwa 1250-1300) beginnen wir, uns allmählich von den antiken vorbildern zu lösen und eigenständig zu werden. aber wo immer etwa von einem "heiligen römischen reich" die rede war (oder sein wird), ist dabei das von Cäsar (=Kaisar, Tzar) und Augustus geschaffene vorbild geistig (in spuren) präsent.

der friede und das recht sind also einerseits nur äußere form, in der sich die gesamtlösung präsentieren muss. andererseits sind sie ein inneres politisches programm/idee, ein staatsrechtliches kriterium. nur um die form zu manifestieren und die idee zu veranschaulichen, wird es die ganzen zeremonien geben, ob in aachen oder köln oder rom (sog. "heimführung des papstes"). und man wird beim namen des "Heiligen Reiches etc." durchaus bleiben, weil man auch die geschichtliche tradition mit einbeziehen will bzw. letztendlich aus ihr heraus auch handelt. realpolitisch dreht es sich bei der sog. "kaiserkrönung" darum, dass die staatlichen und die kirchlichen institutionen sich gegenseitig anerkennen und kooperation(sbereitschaft) zeigen. das sind zwei der grundprinzipien des (hier inneren) friedens.

solche lösungen zu erarbeiten und sie dann aufrecht zu erhalten (was nicht länger als 300 jahre gelingen kann, wobei sich der machtschwerpunkt nach osten und in den slawischen bereich verlagern wird), das allerdings erfordert kampf und laufende anstrengung. schon heute. der eine wartet, bis die (welt sich wende und die) Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt. frei nach Dante Alighieri.

was Albert betrifft, so wünsche ich dir, dass du ihn noch sehen kannst. er ist schon unter uns. und "sein" papst ist bereits bischof.


gl


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