Kaliningrad: Schröder unterstützt Russland

Geschrieben von IT Oma am 11. Juni 2002 08:47:58:

Als Antwort auf: EU-Erweiterung --- Kaliningrad schlimmer als der kalte Krieg geschrieben von JBl am 10. Juni 2002 22:32:04:

10-06-2002


Kaliningrad: Schröder unterstützt Russland


St. Petersburg (ld). Bundeskanzler Gerhard Schröder hat im Streit zwischen der Europäischen Union und Russland um eine zukünftige Regelung des Transitverkehrs nach Kaliningrad deutlich Position bezogen - für Russland. Auf der Tagung der Regierungs-Chefs der Ostseerat-Staaten in St. Petersburg forderte Schröder „viel Phantasie“, um eine Lösung für die Verbindung zwischen dem russischen Kernland und seiner Exklave an der Ostsee zu finden.

Anlässlich des zehnten Jubiläums des Ostseerates waren die Premierminister der zwölf Mitglieder in St. Petersburg zusammengekommen. Russland führt gegenwärtig den Vorsitz in der Organisation, der neben den Ostseeanrainern auch noch Norwegen, Island und die EU-Kommission angehören.

Obwohl sich der Ostseerat mit einer Vielzahl von Fragestellungen befasst – von Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit über Seuchenbekämpfung, Seenotrettung, Umweltschutz bis hin zur Kriminalitätsbekämpfung – dominierte ein Thema die Zusammenkunft: Nach dem für 2003 oder 2004 zu erwartenden Beitritt Polens und Litauens zur EU wird das Gebiet Kaliningrad zu einer Insel innerhalb des EU-Gebietes und der Schengen-Zone mit ihren scharfen Außenkontrollen und einheitlichen Visa-Bestimmungen. Russland wünscht sich deshalb Sonderregelungen, um den Personen- und Güterverkehr zwischen den Landesteilen möglichst ungestört betreiben zu können. Die Europäer bieten zwar allerlei Hilfe zur wirtschaftlichen Entwicklung des Territoriums an, machen aber wenig Anstalten, von ihren Standard-Regeln an den Grenzen abzurücken. Man möchte einfach kein Loch in den Schengener Sicherheitseitszaun um Europa reißen. Während des EU-Russland-Gipfels Ende Mai in Moskau hatten beide Seiten keine Lösung für das Problem gefunden; der Ostsee-Gipfel diente jetzt zum weiteren Abtasten der Standpunkte.

Konkret fordert Russland die Einrichtung von Eisenbahn- und Automobil-Korridoren durch Litauen ins eng mit ihm liierte Weißrussland, über die seine Staatsbürger unbürokratisch und visafrei nach Kaliningrad und zurück gelangen könnten. Dabei legt Moskau großen Wert darauf, dass eine Transitregelung nicht nur für die heutigen Bewohner der Nordhälfte des einstigen Ostpreußens gelten soll, sondern für alle russischen Staatsbürger. Wladimir Putin als Hausherr des Treffens sprach gar von einer Einschränkung der Bürgerrechte, wenn seine Landsleute sich nicht mehr frei von und nach Kaliningrad bewegen könnten.

Putin appellierte an die EU, doch das Modell des einstigen Transitverkehrs nach West-Berlin wieder aufzugreifen. Selbst zu den Hochzeiten des Kalten Krieges hätte man für ein derartiges Problem eine akzeptable Lösung gefunden. „Das was uns heute vorgeschlagen wird, ist schlechter als die damaligen Lösungen“, ärgerte sich der Präsident. Darüber, ob Russland bereit wäre, wie seinerzeit die Bundesrepublik bis zu 860 Millionen Mark als jährliche Transitpauschale zu bezahlen, schwieg sich Putin aber aus – abgesehen davon, dass damals kaum ein Berlin-Reisender den Wunsch hegte, sich unterwegs in die DDR abzusetzen.

Premierminister Michail Kassjanow diagnostizierte bei seinen westlichen Partnern gar eine „künstliche Furcht“ vor angeblicher Gefahr durch eine Aufweichung der Schengen-Regeln rund um die Exklave: In Kaliningrad sei die Kriminalität keineswegs höher als in den Nachbarregionen, behauptete er.

Doch die Premierminister aus den gegenwärtigen und zukünftigen EU-Ostseestaaten betonten meist nur ihren guten Willen, doch noch zu einer konkreten Lösung kommen zu wollen. Reichlich unscharf ergingen sie sich nur über die Chancen, die sich für Kaliningrad durch die enge EU-Nachbarschaft ergeben würden. Anders der Bundeskanzler: Er sprach von Russlands „völlig berechtigten Wünschen“ und forderte „Phantasie“: Korridore seien im Luft- und Bahnverkehr durchaus zu verwirklichen, nur beim Autoverkehr sehr kompliziert. „Wir müssen verhindern, dass in Russland psychologische Probleme auftreten“, so Schröder – was der Fall wäre, wenn man ein ausländisches Visum brauche, um von einem Landesteil in den anderen zu kommen. Und schließlich griff Schröder noch einen von Putins Gedanken auf: Man solle das Problem vor dem Hintergrund der in letzter Zeit bewiesenen russischen Bereitschaft sehen, auf Europa zuzugehen. Dies liefe auf eine Sonderregelung im Kaliningrad-Transit hinaus - als Dividende für Russlands politische Öffnung nach Westen.



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