Re: Wie man geschickt manipulieren kann / Analyse zum Öl und dem Krieg der USA

Geschrieben von Johannes am 09. November 2005 21:54:20:

Als Antwort auf: wäre ja schön... geschrieben von another am 30. September 2005 02:43:29:

>> Ich kann Busch nicht ausstehen, weil ich seine Art Kriege zu führen
>> Missbillige.

> Ist dir die Art, wie Putin seine Kriege führt denn angenehmer? Oder magst du
> den auch nicht? Oder hast du noch gar nichts davon gehört, dass Putin seit
> Jahren Krieg führt, weil dir das niemand in derselben Lautstärke und in ähn-
> lich einfachen, prägnanten Phrasen immer wieder einhämmert wie im Fall von
> "Bush's Kriegen"?!

Hallo another,

das ist auch das Problem, das ich sehe. Die Bestialitäten in Tchetschenien werden eher achselzuckend hingenommen (Motto: "Nicht schön, aber so ist es halt"), während Bush in alle Richtungen kritisiert wird.

Das Interessante an der Kritik an Bush ist, daß sie sich weniger auf die Sache bezieht, stattdessen mehr das Gefühl anspricht. Kritik, die auf die Sache bezogen ist, könnte man sachlich diskutieren und dann z.B. Einsätze der Russen in Tchnetschenien mit denen der Amis im Irak vergleichen. Und dabei auch beachten, wer abhängiger von Ölimporten ist und wer wem die Ölzufuhr im Hintergrund abschneidet.

Auf diese Sachkritik wird aber meist verzichtet, sie bleibt zumindest im Hintergrund. Stattdessen werden von den Medien und vielen Internetseiten keine Fakten, sondern Gefühle transportiert. Es werden Aussagen in den Raum gestellt, die logisch erscheinen (Krieg ist sche..., Bush führt Krieg, Bush will Krieg, Bush ist...), aber letztendlich nicht zwingend sind, zumindest nicht in eine Richtung. Der nicht so sichtbare Krieg wird in der Diskussion beiseite gedrängt, es bleibt nur bei Gefühlen.

Es ist interessant, das mal mit der Werbung zu vergleichen: "Licher Bier - aus dem Herzen der Natur". Über den Geschmack wird nichts gesagt, und das Reinheitsgebot beachten fast alle deutschen Biere. Es ist also gar keine Aussage, die sich wirklich auf das Produkt bezieht, aber sie transportiert ein Image. Schau den Vogel an, der sich im Flug Wasser holt, und Du denkst sofort an gutes Bier. Obwohl keinerlei Details zum Bier selbst genannt werden.

Das ist auch bei der anderen Werbung so. Auch wenn die wenigsten von uns jemals eine Harley Davidson fahren werden, die Werbung ist bekannt: Keine Infos zu P.S. oder Straßenlage, sondern ein Motorrad, das auf weiter, freier Strecke fährt. Es wird nicht ein technisches Transportgerät verkauft, sondern ein Lebensgefühl. Und ein Motorrad zum Inbegriff eines Lebensgefühls zu machen, das ist bei der Harley Davidson gut gelungen, und so hat sie ein Image, daß sich gut von anderen Motorrädern unterscheidet.

Denke mal an die andere Werbung, fast immer wird nur das Gefühl angesprochen und ein Image transportiert, das sich festsetzen soll. Die ganze Marktforschung zielt darauf, festzustellen, wie das Image ist und wie man sich damit besser von der Konkurrenz abheben kann. Nur wenige setzen beim Image auf technische Qualität, bei der meisten Werbung geht es um Lebensgefühl oder ähnliches (Du hast eine glückliche Familie, wenn Du ihr Rahma aufs Brot schmierst, oder Du bekommst eine hübsche Frau, wenn Du dieses Auto fährst).

Ist das in der Politik anders? Nein, gerade auch bei Bush fällt auf, daß Fakten eigentlich höchstens als Mittel zum Zweck genommen werden, ansonsten geht es darum, ihn als dumm, doof, bösartig, gierig, versoffen etc. darzustellen, kurz: zum Feindbild Nummer 1.

Nun will ich die Politik der USA keineswegs rechtfertigen, ich halte den Krieg im Nahen Osten für sehr gefährlich. Aber da kann ich nicht eifach dem, über den die Medien am meisten etwas Schlechtes berichten, auch die Schuld geben. Denn in der Diskussion werden die Argumente oft ausgeklammert, auch wenn es auf den ersten Blick anders scheinen mag.

Beispiel: "Der Kampf ums Öl". Von den Kritikern bekommen wir ja gewissermaßen eingehämmert, daß es Bush & Co nur ums billige Öl ginge, um damit gut verdienen zu können. Sachlich wird dies gar nicht hinterfragt, sondern einfach immer wieder so fest behauptet, daß dann auch viele glauben, Bush würde mal so locker einen Angriff auf das eigene Land befehlen (WTC). Klar, wie soll es anders sein? Das ist ja das Image, das man ihm die ganze Zeit verpaßt hat, also immer draufhauen, bei so einem Kerl muß das ja einfach stimmen...

Allerdings ist die Behauptung, es ginge ums billige Öl, Unsinn. Zum einen sind die Gesamtkosten des Kriegs viel höher als die mögliche Ersparnis beim Öleinkauf, der Irak hätte das Öl auch gern von alleine preiswert verkauft (durfte das aber nicht) und die Ölfirmen verdienen an teurem Öl genauso gut wie an billigem Öl. Dann wird der Preis halt noch ein wenig mehr angehoben, verdient wird immer noch mehr als genug. Der Umkehrschluß ("sie müssen auf Teufel kommraus billig einkaufen, weil sie verdienen wollen") ist also nicht gültig, paßt aber wunderbar zum Image, das man Bush und der "Öl-Mafia" verpaßt hat. Also muß es doch einfach wahr sein! Muß es das?

Ich sehe es anders. Sicher, die Ölfirmen und auch Firmen wie Haliburton verdienen gut. Aber die würden auch bei anderer Gelegenheit verdienen. Jetzt eben beim Öl, ansonsten woanders. Aber dennoch geht es ums Öl, nur anders, als dies dem in den Foren üblich Bush-Image entspricht.

Hier als Einschub mal etwas Statistik zum Öl:

Nehmen wir als Beispiel einmal an, jedes Land, das Öl fördert, müßte sich selbst versorgen. Dann hieße das, daß die USA ihr Öl viel schneller verbraucht hätten als Rußland, denn die verbrauchen 25% der weltweiten Ölpruduktion, haben aber nur 3% der Reserven. Rußland verbraucht dagegen 4% bei 5% der Reserven, d.h. der Faktor ist 8,33 zu 0,8, die USA sind also extrem abhängig von Erdölimporten.

Die USA verbrauchen 25% des weltweiten Öls, können aber nur 8% dieses Öls selbst produzieren, zwei Drittel müssen importiert werden. Umgekehrt Rußland: Das produziert 11% des weltweiten Öls, verbraucht aber nur 4%, d.h. es gehen zwei Drittel des Öl in den Export.

Hier sieht man nebenbei auch, wer durch den 11.9. letztendlich profitiert hat. Es ist Rußland, das inzwischen die Ölfirmen quasi verstaatlicht hat, nachdem sie zuvor mit westlichem Geld und Knowhow aufgebaut wurden.

Die Abhängigkeit der USA vom Ölimport ist also extrem. Wer auf die Situation in Südamerika achtet, der weiß, daß es immer mehr sozialistisch wird, der Ölimport für die USA ist also gefährdet. Um den Zusammenhalt der sozialistischen Regierung bzw. das Wachstum der Bewegung zu stärken, würde unter Beteiligung u.a. von Kuba ein neuer Sender gegründet, der das lateinamerikanische Gegenstück zu CNN bilden soll (Quelle unter anderem: "Wir sind in der Offensive. Unser Gegenstück zu CNN und anderen lügenden Massenmedien ist »Tele Sur« (Tele Süd). Das Programm soll im März ausgeweitet werden., siehe http://www.jungewelt.de/2005/03-07/021.php).

Die USA sind also extrem vom Import abhängig, gleichzeitig sind die Reserven in ihrer Nähe (Venezuela hat mehr als doppelt soviel Reserven wie die USA) stark gefährdet. Und vor diesem Hintergrund ist es besonders brisant für die USA, daß die islamischen Bewegungen gewachsen sind und die Russen sehr gute Beziehungen zu Iran und anderen Staaten haben sowie israelfeindliche Staaten mit modernsten Waffen beliefern (wenn es dort zum großen Knall kommt, dann bricht die Ölproduktion zusammen, von der die USA abhängig ist).

Insgesamt ergibt sich für mich also, daß die USA mit aller Gewalt versuchen, Einfluß im Nahen Osten zu gewinnen, um ihre Abhängigkeit etwas zu verringern. Die Maßnahmen teile ich keineswegs, ich halte sie auch für sehr gefährlich, aber die USA haben Angst vor einem Zusammenbruch der Wirtschaft, wenn sie erpreßt werden können. Und da geht es nicht nur um den Verdienst der "Öl-Mafia", sondern da wären wir alle von betroffen.

Kann sich jemand ausmalen, wie es wäre, wenn der Westen tatsächlich mit dem Öl erpreßt würde? Damals, zur ersten Ölkrise, war das noch recht harmlos. Zum einen spielte es auf einem niedrigen Preisniveau des Öls, zum anderen hatte auch der Westen noch recht viel eigenes Öl. Beides hat sich geändert. Wenn wir jetzt durch Öl erpreßt würden, dann hätten wir Massenarbeitslosig und Versorgungsengpässe, daß wir von den Hartz IV-Zeiten nur noch träumen können.

Die Notwendigkeit für die USA (und den Westen), im Nahen Osten Regierungen an die Macht zu bringen, ist also nicht die Frage des Verdienstes einzelner Firmen (die verdienen auf jeden Fall), sondern es ist eine Frage des Zusammenbruchs, von Sein oder Nichtsein.

Man könnte auch Alternativen diskutieren, wie wir vom Öl unabhängig werden(statt Flächenstillegungsprämien der EU lieber Förderung für den Anbau von alternativer Energie, etc.) und wir könnten beginnen, uns massiv einzuschränken, um so der Abhängigkeit zu entkommen und die Krise zu vermeiden.

Dies war jetzt einmal der Versuch einer Analyse? Aber wird der öfters unternommen, werden öfters die Zahlen herangezogen, um Abhängigkeiten und Chancen zu erkennen? Oder wird lieber auf Image und Gefühle gesetzt und Feinbilder bedient?

Die Kritik an Bush funktioniert für meine Begriffe genauso wie die normale Werbung, und wenn ich mir ansehe, wie sich die Medien daran beteiligen, da werde ich schon nachdenklich.

Gruß

Johannes


(ja, Hinterbänkler, ich weiß, das war wieder viel zu lang...)


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