Prohezeiungen und Irankrieg - laut nachgedacht

Geschrieben von Micha aus dem Süden am 18. April 2006 15:47:55:

Als Antwort auf: Simsalabim: Iran und die P-2-Zentrifuge geschrieben von Stephan Berndt am 18. April 2006 14:30:18:

Lieber Stephan,

Deine Arbeit und Dein Buch schätze ich SEHR, also bitte nicht auf die Füßegetreten fühlen, wenn Du vielleicht anderer Meinung bist:

Leider sind die Rollen in dem sich aufbauenden Konflikt nicht "schwarz-weiß" verteilt.

Auf der einen Seite:

Bush: religiöser Endzeitfanatiker, Marionette der gleich folgenden Mitspieler; versteht es glänzend, den Konflikt als "Kampf der Kulturen" und als "Krieg gegen den Terror" aufzuladen.

Rumsfeld/Big Oil: sehen wegen Peak Oil die "Notwendigkeit", sich den wesentlichen Teil der verbleibenden Öl- und Gasreserven unter den Nagel zu reißen und betreiben die entsprechende Raub-Politik.

Pentagon/ US-Streitkräfte: sehen die strategische Bedeutung der Öl- und Gasreserven für die weiterhin bestehende Übermacht der Supermacht und identifizieren sich mit dem Auftrag, die US-Vorherrschaft in Nahost zu behaupten.

Israel/Juden in USA und weltweit: verteidigen das Existenzrecht Israels; befürchten die arabische Rache für die israelische Politik der letzten 60 Jahre; laden teilweise den Konflikt religiös bis apokalyptisch auf; viele sehen/erleben den westlich orientierten israelischen Staat auch als Bollwerk der modernen Zivilisation inmitten arabischer Rückständigkeit. (Um ehrlich zu sein - MÜSSTE ich in Nahost wiedergeboren werden und dürfte mir aussuchen, welches land - dann wahrscheinlich auch am ehesten Israel, obwohl ich als Buddhist keinerlei Beziehung zu Juden und ihrem "heiligen Land" habe. Aber allein, dass Frauen dort frei leben dürfen, wäre ein Grund - und dass ich dort Buddhist sein dürfte, ohne deswegen geköpft zu werden.)

Enge Verbündete der USA (Blair-GB; Howard-Australien, Japan...): glauben, von einer Vormachtstellung der USA mehr zu profitieren, als vom Untergang der USA; versprechen sich noch größere Vorteile von Vasallentreue.

"Verbündete" der USA, z.B. NATOstaaten wie D, F, ES: sehen einerseits die Fehler der US-Irakpolitik; sehen andererseits auch ihre eigenen Interessen bedroht, wenn der Iran über Atomwaffen verfügt und damit die wichtigeste Öl- und Gasregion der Welt außer Kontrolle der westlichen Länder gerät. Wirtschaft und Gesellschaft in den westlichen Ländern hängen existentiell von einem günstigen und nur langsam steigenden Ölpreis ab. Ein Ölpreisschock könnte die Wirtschaften in den Abgrund treiben, die in D, F, I, GB usw. eh schon seiltanzen. Außerdem gibt es freundschaftliche Bande oder gar Verpflichtungen gegenüber Israel. Die Lage wird durch die ohnehin schon gespannte innere Lage ind diesen Ländern mit muslimischen Einwanderen nicht leichter: D hat seine Türken und Araber, F seine Algerier, ES die Marokkaner, GB Pakistaner und alle möglichen Muslime als potentielle Bürgerkiregsparteien im eigenen Land. Schon jetzt kochen die Emotionen in allen diesen Ländern immer höher - NL hatte seinen Gogh, D seinen Ehrenmord und seine Rütlischule, F die brennenden Vorstädte...

Auf der anderen Seite...

... formiert sich eine islamistische Allianz unter der Führung Achmadenidschads, die antiwestlich und antiisraelisch agiert:

Achmadenidschad versucht, sich als Anführer aller Moslems gegen den Westen und gegen Israel zu etablieren. Die Palästina-Konferenz am Wochenende war ein erfolgreicher Schritt - das "US-Verbündete" Ölscheichtum Katar (wo die US-Basen im Irakkrieg stationiert waren) unterstützt die Hammas jetzt mit 50 Mio $ im Monat. Die Massen im Irak, in Afghanistan, in Pakistan, im Iran sowieso, hat er wohl jetzt schon hinter sich. Fehlen noch Saudi-Arabien, Ägypten, die Ölscheichtümer....

Mubarak hat die Tage geschickt versucht, dagegenzuhalten, als er die Karte "Sunniten gegen Schiiten" spielte. Ein entsprechender Bürgerkrieg im Irak könnte Achmadenidschads Reputation erheblich schmälern - er ist Schiit, die Mehrheit im Irak sind Schiiten - die Gewinner der US-Besetzung und die Mehrheiten in den arabischen Ländern sind aber sunnitisch. Diese beiden Konfessionen sind sich spinnefeind - bis in die Moscheen in Deutschland hinein.

Schon jetzt ist Achmadenidschad in ziemlich starker Position - strategisch (Zugriff auf die Öl-Gebiete und Öl-Wege; Zugriff auf die Massen in Afghanistan, Pakistan, Zugriff auf potentielle Attentäter in aller Welt) und politisch (politische und militärische Schwäche der USA wegen Irak-Desatser; Rückhalt bei China und Russland).

Aber sein Ziel ist klar: eine Scharia-Welt vom Atlantik bis zum Pazifik, geführt vom Iran, dominant über alle anderen Regionen, Religionen und Kulturen, Dominanz auch über die verhasste "westliche Zivilisation", also auch Durchsetzung der Scharia in Europa, und Auslöschung von Israel.

Seine Mittel: Öl, Öl, Öl, Gas, Truppen, zigtausende Selbstmordattentäter rund um die Welt und die islamischen Massen auf der Straße, Atombomben.


An der Seitenlinie (noch):

China, Russland, Indien. Sie haben alle drei weder Interesse an einer uneingeschränkten Vormacht der USA in der Ölregion, noch an einer "islamischen Weltrevolution" oder einem "islamischen Weltreich". Alle drei haben überdies selbst Probleme mit aufständischen Moslems/Terroristen. Sie selbst brauchen Öl, aber auch einen stabilen Nahen Osten und (noch) die USA als Handelspartner.


Scheißlage, das alles. Weil alle ziemlich Dreck am Stecken haben. Weil alle Zutaten zu einem Weltkonflikt gegeben sind:

existentielle wirtschaftliche Interessenkonflikte; religiöse Aufladung; krasse kulturelle Gegensätze und eine lange leidvolle Konfliktgeschichte mit vielen Anlässen zur "Abrechnung".

Ich weiß nicht, ob die Kräfte sich gegenseitig in Balance halten können, wie im Kalten Krieg, oder ob die Entwicklung dahin stürmt, dass der Konflikt gewalttätig ausgetragen (und endlich entschieden?) wird.

Das Szenario beißt sich aber mit den Prophezeiungen: ok, dass es mit einem Krieg in Nahost losgeht passt, und der Irankrieg hätte auch das Zeug, einen Weltkrieg auszulösen. Aber "die Moslems" spielen in den Prophezeiungen eine so untergeordnete Rolle (wie würden in F, D, GB... die Straßen brodeln, wenn Achmadenidschad zum heiligen Krieg aufruft!!!) - vom Bürgerkrieg ist ja auch die Rede, aber von MOSLEMS????

Wie kriegt man das wieder passend?

Ich versuch's mal:

1) Die Unruhen in Europa werden von Moslems ausgelöst, aber das haben "die Seher" übersehen, oder aber die Interpreten der Seher haben das nicht so auf dem Schirm gehabt und ihrerseits übersehen...?

2) Die gegenwärtige Lage ist noch lange nicht prophezeiungsrelevant - erstmal wird der Konflikt mit den Moslems "abgehakt", so dass die später dann gar keine besondere Rolle mehr spielen. Wir sind also immer noch in der "Vorrunde"

3) Den USA gelingt es, im ersten Schlag Achmadenidschad auszuschalten (und seine Führungsmannschaft), damit wäre die Leit- und Identifiktionsfigur gleich mal weg vom Fenster. Und ohne klaren Boss "funktionieren" muslimische Massen nicht (das ist in ihre Kultur so eingebaut, da kenne ich mich aus). Es gibt zwar einzelne Maßnahmen, Scharmützel, Anschläge... vielleicht sogar "the big one" against big apple ... aber insgesamt kommt keine gesamtmuslimische Gegenwehr mehr zustande, die ins weltpolitische Gewicht fallen würde. "Die Moslems" fallen als Konfliktpartei einfach aus - sie kommen nur noch als gelegentliche Partisanen ins Spiel. Aufgrund der Nachrichtenlage überschätzen wir (ich?) ihre Rolle jetzt, die "beim Ablauf" selbst dann gar nicht mehr ins Gewicht fällt.

Trotzdem könnten terroristiche Anschläge in der Folge des Irankrieges den Ölpreis zum Explodieren bringen (z.B. Sprengung der Verladeterminals in Saudi-Arabien...), nimm noch ein paar Hurricans im Golf von Mexico dazu (die Saison 2006 wird wieder hurtig, der Südatlantik ist mangels Wärme-ab-transport durch den Golfstrom schon mal nett vorgeheizt), veilleicht den Anschlag auf New York ... und die Weltwirtschaft kollabiert mitsamt dem Dollar. Und schon passt es doch wieder ins Schema...

Also mal so:
aus dem Krieg gegen Hitler schließt das Pentagon/die CIA: hätten wir dem Anstreicher aus Braunau gleich am Anfang erwischt, wäre Europa ein langer, verlustreicher Krieg erspart geblieben.

Erwischen wir den Achmadenidschad gleich am Anfang, gibt es zwar immer noch viel Krach wegen dem Irankrieg, aber die Folgen halten sich für Amiland und den Westen in erträglichen Grenzen. Je länger Achmedenidschad den Krieg überlebt, desto mehr islamischen Widerstand wird er weltweit initiieren.

Beste Grüße,

Micha aus dem Süden




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