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Zu III/61 (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 19.02.2015, 11:34 (vor 3364 Tagen) @ Leserzuschrift (2533 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Donnerstag, 19.02.2015, 11:45

Hallo!

La grande bande & ſecte crucigere,
Se dreſſera en Meſopotamie:
Du proche fleuue compaignie legiere,
Que telle loy tiendra pour ennemie.

Die große Schar und kreuztragende Partei,
Erhebt sich in Mesopotamien.
Vom nahen Fluß leichte Kompanie,
Die jenes Gesetz für feindlich hält.

Der Vers ist so allgemein gehalten, daß er keiner bestimmten Zeit zugeordnet werden kann. Ich neige zu der Ansicht, daß er mit dem künftigen Konflikt zwischen dem Abendland und dem Islam zu tun hat, der in der Erhebung "Chyrens" zum christlichen Imperator endet.

Ein paar Verse dazu habe ich hier bereits aufgegriffen: Chyren der "Islambezwinger"

Wahrscheinlich gehört dieser Vers in die Zeit der christlichen Reconquista, die das Abendland zurückerobert und schließlich tief in das islamische Reich vordringt.

Die Kreuzträger erscheinen hier im nahen Osten. Sie sind entweder selbst die "leichte Kompanie", die "jenes Gesetz" (den Islam) für feindlich hält oder die Moslems sind die leichte Kompanie und halten das Christentum für feindlich. Wahrscheinlich ist beides zutreffend.

Diesem Vers voraus geht III/60, der vermutlich damit zu tun hat:

Par toute Aſie grande proſcription,
Meſme en Myſie, Lyſie, & Pamphylie:
Sang verſera par abſolution,
D’vn ieune noir remply de felonnie.

Durch ganz Asien große Verfolgung,
Sogar in Mysien, Lykien und Pamphylien.
Blut vergießt er mit Absolution,
Durch einen jungen Schwarzen, erfüllt von Treuebruch.

Z. 1: Der Begriff "Asien" richtet sich wahrscheinlich nach seiner antiken Bedeutung und bezeichnet das heutige Kleinasien, die Türkei.
Z. 2: In Kleinasien liegen auch die antiken Regionen Mysien, Lykien und Pamphylien
Z. 3: "Absolution" ist eigentlich eine abendländisch-christliche Erfindung. Hier schlachtet also einer mit kirchlichem Segen.
Z. 4: Der "junge Schwarze" könnte der "schwarze Kraushaar" sein, auf den in meinem Chyren-Beitrag eingegangen wird: der Obermoslem. Der ist antichristlich, böse, nicht vertrauenswürdig. Vielleicht geht der Angelegenheit auch ein konkreter Vertragsbruch voraus. Damit rechtfertigt der Blutvergießer (wahrscheinlich Chyren oder einer seiner Feldherren) seine Taten.

Hinzu passen könnte z. B. V/80:

Logmion grande Biſance approchera,
Chaſsé ſera la barbarique ligne:
Des deux loix l’vne l’eſtinique lachera,
Barbare & franche en perpetuelle brigue.

Der Ogmios nähert sich dem großen Byzanz.
Verjagt ist das barbarische Bündnis.
Von zwei Gesetzen das eine, das ist ungerecht, erschlafft,
Barbarisch und fränkisch in ständigem Streit.

Z. 1: "Ogmios" ist eine keltische Sagenfigur, der mythische Gründer von Paris, der entfernt an Herkules erinnert. Ein eher grober Charakter. Er kommt hier nach Byzanz (Türkei) und verjagt die Barbaren (Moslems).
Z. 3: Das ungerechte Gesetz erschlafft, nämlich der Islam (auch hier wieder Gesetz = Religion).
Z. 4: Barbarisch und fränkisch (also französisch/abendländisch) in ständigem Streit. Es begann mit der Rückdrängung der islamischen Expansion im 8. Jahrhundert und wiederholt sich offenbar in der Zukunft.

"Ogmios" halte ich für einen untergebenen Chyrens, für Chyren das, was Agrippa für Augustus war - ein Mann fürs Grobe, der in Kleinasien mit Absolution Moslems schlachtet. Er kommt auch in VI/42 in Zusammenhang mit dem Islam vor:

A logmyon ſera l aiſsé le regne,
Du grand Selin qui plus fera de faict:
Par les Italies eſtendra ſon enſeigne,
Regi ſera par prudent contrefaict.

Dem Ogmios wird die Herrschaft gelassen,
Des großen Selin, der mehr macht an Tat.
Über Italien breitet er sein Banner aus,
Regiert wird duch kluges Abbild.

"Ogmios" bekommt hier Herrschaftsgebiete zugesprochen, die im zurückeroberten Italien liegen (vgl. IV/77 im Chyren-Beitrag). Dort herrscht er wohl als eine Art Abbild, also als Statthalter für den klügeren Chyren, der sich selbst in den Nahen Osten aufmacht, um dort sein Schicksal zu finden (siehe IV/77). Damit schließt sich der Kreis zu III/61. Chyrens Heer ist vermutlich die kreuztragende Partei.

Selene ist eine griechische Mondgöttin und steht als Chiffre für den Islam. Der "große Selin" ist entweder Chyren, der wie z. B. Scipio Africanus den besiegten Gegner als Beinamen trägt, oder der Islam, dessen ehemalige Herrschaftsgebiete "Ogmios" bekommt.
"Mehr an Tat" hieße dann entweder: Chyren macht sich auf zu weiteren Eroberungen. Oder: Der Islam begeht noch weitere (Un-)Taten. "Faict" kann auch Verbrechen bedeuten.

Das ganze ist ein interpretatorisches Kartenhaus aus lauter Versen als Karten, die sich gegenseitig recht gut zu stützen scheinen.

Mit dem IS hat III/61 wohl kaum zu tun.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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