(Mehr als nur eine) Filmkritik

Geschrieben von Swissman am 04. Januar 2003 00:20:30:

Vorgestern hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, besser gesagt, das grosse Missvergnügen, den Film „The Messenger - Johanna von Orleans“ zu sehen. Dieses Machwerk ist mein Top-Anwärter auf das Prädikat „schlechtester Film“ aller Zeiten, ein Auswuchs der Dekadenz: Luc Besson sollte sich zutiefst dafür schämen, was er aus dem grandiosen Stoff gemacht hat – Bezüge zur Realität sucht man weitgehend vergebens, stattdessen wird Johanna von Orléans, eine der bemerkenswertesten Frauengestalten, die die Geschichte überhaupt kennt, 2 ½ Stunden lang systematisch herabgesetzt und durch den Dreck gezogen:

Dabei sind das, wohl bewusst, wenig weibliche Aussehen der Hauptdarstellerin sowie die unpassende Synchronstimme noch bei weitem der geringste Vorwurf, denn der Film sich machen lassen muss:

Anstelle der historischen Johanna – Visionärin, Heldin, Heilige und die einzige Feldherrin von Bedeutung (kurz gesagt, ein Vorbild für alle) – zeigt uns Luc Besson eine dauerflennende Hysterikerin, eine weinerliche Psychotikerin, die dann und wann in bizarre Wahnvorstellungen (oder sollten es Drogentrips gewesen sein? – So in der Art stelle ich mir einen Horrortrip vor) abtaucht. Wenn Milla Jovovich privat auch andauernd derart ekelhaft in der Gegend herumkreischt, könnte einem ihr Ex-Mann, Luc Besson, beinahe schon wieder leid tun.

Der Film beginnt mit einer frei erfundenen Darstellung der Kindheit Jeanne d’Arcs, kulminierend in der Vergewaltigung und anschliessenden Ermordung ihrer Schwester durch englische Marodeure. Jeanne fühlt sich schuldig, da sie das Versteck ihrer Schwester benutzt hatte. Von Stund an bildet sie sich ein, Visionen zu haben, deren göttlicher Ursprung für den Zuschauer zumindest zweifelhaft erscheinen muss.

Mit der Realität hat all das jedoch, wie jeder, der die tatsächliche Vita der Johanna von Orléans kennt, bestätigen wird, überhaupt rein gar nichts zu tun.

Vergeblich sucht man in den Schlachtenszenen nach den englischen Langbogenschützen, die doch seit der Schlacht von Azincourt die französischen Schlachtfelder uneingeschränkt beherrscht hatten. Es war niemand geringeres als Jeanne d’Arc, die deren Vorherrschaft durch den erstmaligen massierten Einsatz von Artilleriegeschützen für immer zerbrach.

Ebenfalls unterschlagen wurden mehrere Verwundungen, die Jeanne erlitt.

Der Dauphin – ein weibischer Jammerlappen, dessen grösste Sorge seiner Garderobe gilt. Der Prozess, der zum Verständnis Johannas in ihrer ganzen Grösse und Erhabenheit unabdingbar notwendig ist, wird in weniger als fünf Minuten abgehaspelt. Anstattdessen wird ein Dialog mit dem Leibhaftigen (allem Anschein nach verdient Satan seine Brötchen heutzutage als Psychotherapeut) gezeigt, an dessen Ende die Erkenntnis durchscheint, dass ihr ganzes Leben ein Fehler, ihre Visionen blosse Einbildungen waren... Dafür zeigt der Quisling Pierre Cauchon, Bischof von Beauvais und Vorsitzender des Prozesses, Zweifel an seinem Tun, von denen in der Realität ebenfalls rein gar nicht überliefert ist, ganz im Gegenteil.

Der Widerruf nach der ersten Urteilsverkündung ist nach dieser Verfilmung ein blosser Irrtum – Jeanne unterschreibt nämlich demnach ein Papier, dessen Inhalt sie nicht kennt, das sich dann als Widerruf herausstellt. Offenbar konnte es sich der Drehbuchschreiber nicht vorstellen, dass ein Mensch, der bei lebendigem Leibe verbrannt werden soll, dabei Angst verspürt... Ein völlig natürlicher Vorgang. Denn, so George S. Patton, nicht derjenige ist wahrhaft heldenhaft, der niemals Furcht verspürt, sondern vielmehr derjenige, der seine Furcht bezwingt und sich darüber hinwegsetzt. Und genau dies hat Johanna ja dann auch getan, zur ewigen Beschämung ihrer „Richter“, wie auch derer, die sie heute glauben demontieren zu müssen.

Zusammenfassend gesagt: In „The Messenger“ wird eine nach Rache dürstende Geisteskranke präsentiert, die als Johanna von Orléans ausgegeben wird: Fast 600 Jahre nachdem sie in einem Schauprozess verurteilt und bei lebendigem Leib verbrannt wurde, verbrennt diese Film sie nun gleichsam zum zweiten Mal.

Mehr als einmal musste ich bei diesem Film an den russischen Überläufer Stanislav Lunev denken, der u. a. berichtete, dass man im Osten der Gewinnung von Sympathisanten und Agenten in der US-Filmindustrie grössten Wert beimisst – diese sollen, bewusst oder unbewusst, die westliche Moral untergraben, indem sie dazu geeignete Filme produzieren. – „The Messenger“ gehört eindeutig in diese Kategorie!

Und an noch jemand fiel mir währenddessen ein: Der chinesische Militärtheoretiker Sun Tsu, der bereits vor 3000 Jahren dem angehenden Eroberer den Rat mit auf den Weg gab, den Feind bereits im „Frieden“ möglichst stark zu schwächen. Kurz gesagt: „Tretet alles in den Schmutz, was im Land eurer Feinde gut ist – ihre Sitten, ihre Helden, ihre Götter. Danach wird der Feind zu ernsthaftem Widerstand nicht mehr die Kraft haben.“

Genau so ist es: Jedes Volk hat und braucht seine Helden. Eine Welt, in der kein Platz ist für Menschen wie William Wallace, George Patton, Charles Gordon, Arnold von Winkelried, oder Jeanne d’Arc, verurteilt sich selbst dazu, wieder in Staub zu versinken.

Typen wie Besson vertrauen darauf, dass der durchschnittlich verdummte Pöbel von heute zum Heldentum moralisch unfähig ist, und es deshalb nicht erträgt, daran erinnert zu werden, dass es einst Menschen gab (und zweifellos immer noch gibt), die ihnen moralisch turmhoch überlegen waren, die nicht nur Überzeugungen hatten, sondern dafür auch kämpften, ja sogar ihr Leben gaben. Die Vorstellung, dass eine Jungfrau („Selbstverständlich kann dies nur ein Missverständnis sein, tatsächlich handelte es sich natürlich um eine junge Frau“, höre ich eine „Bischöfin“ einwenden) in schimmernder Rüstung auf einem Streitross sitzt, dass sie altgedienten Generälen Befehle erteilt, dass sie an der Spitze eines Heeres reitet (ZwischenruferIn: „Die Frau ist so dumm, dass sie noch nicht einmal merkt, wie sie vom Patriarchat benutzt wird! – Sie soll lieber mal lernen, richtig zu atmen.“) und höchstpersönlich die Zinnen feindlicher Bollwerke erstürmt (Eso-Tante: „Dafür wird sie in ihrem nächsten Leben auf jeden Fall einen hohen Preis zahlen! Gewalt löst keine Probleme.“) darf demnach einfach nicht sein.

„Und überhaupt“, wirft ein Zwischenrufer ein, „die ganze Geschichte widerspricht der „Political Correctness“ diametral, somit darf sie nicht stimmen, sie muss einfach falsch sein.“

Eine in jeder Hinsicht weit überdurchschnittliche Persönlichkeit, wie Jeanne d’Arc es ist, bereitet wohl nicht wenigen heutigen Menschen Bauchgrimmen – sie erinnert sie nämlich an ihre eigene moralische Verkommenheit und Dekadenz. Es genügt vollkommen, keine Werte, keinen Respekt vor den grossen Dingen oder gar Helden mehr zu haben, aber daran erinnert werden möchte man nach Möglichkeit dann lieber doch nicht.

Vermutlich werden solche Leute selbst die Tatsache, dass Johanna nach geschlagener Schlacht die Verwundeten beider Seiten pflegte und stets auf die korrekte Behandlung der Kriegsgefangenen bedacht war, gegen sie verwenden und sie ob des (allenfalls scheinbaren) Widerspruches als schizophren abstempeln.

Wie beruhigend ist es doch für derartige Kleingeister, wenn „moderne“ Filmemacher die Geschichte uminterpretieren (warum auch nicht – in den Gerichtssälen wird das Recht ja schliesslich auch tagtäglich (um)interpretiert...) und, in diesem Fall, alles auf verdrängte Traumata aus der Kindheit zurückführen (schliesslich ist die Psychologie eine Wissenschaft – sie kann sich demnach gar nicht irren... meinen jedenfalls manche neunmalkluge Psychologen).

Nun ist es nämlich der Zuschauer, der sich überlegen wähnen darf: Immerhin gehört ja er nicht in die Klapsmühle. – Mutmasslich haben die Macher des Filmes sogar im vollen Bewusstsein um diese Zusammenhänge gehandelt, im Sinne eines den Publikumserfolg erhöhenden Psychotricks...

Jedenfalls kann die Schuld an der miserablen Umsetzung auf gar keinen Fall mangelndem Quellenmaterial zugeschoben werden, denn über Leben und Sterben der Jeanne d’Arc ist ein immenser Schatz an zeitgenössischen Quellen und Augenzeugenberichte überliefert. Die Historiker sind sich einig, dass sie die mit Abstand am besten dokumentierte Persönlichkeit des europäischen Mittelalters überhaupt ist!

Johannas Heldenmut sollte uns allen ein Vorbild sein (für mich ist er es auch), und allein schon die blosse Frage nach anderen als den überlieferten Motiven finde ich obszön. Ich kann mit der zugrundeliegenden Einstellung rein gar nichts anfangen, geschweige denn, mich damit identifizieren! Und tatsächlich werden die westlichen Gesellschaften ja auch ernten, was sie derzeit säen: Eine Gesellschaft ohne Helden und ohne Religion kann nicht unbegrenzt lange überleben, ohne die Konsequenzen zu spüren – früher oder später richtet sie sich selbst unweigerlich zugrunde, sei dies nun direkt (innerer Zerfall) oder indirekt (Angriff von aussen)...

Beten wir, dass in der Stunde der Bewährung trotz allem genügend tapfere Männer übrig bleiben, um das Ruder herumzureissen.

Übrigens gibt es selbstverständlich auch mehrere, zumeist ältere, Jeanne-d’Arc-Verfilmungen, die ich guten Gewissens empfehlen kann: Im selben Jahr wie „The Messenger“ drehte Christian Duguay den Zweiteiler „Jeanne d’Arc“, mit einer Gesamtspielzeit von über drei Stunden. Carl Theodor Dreyers 1999 wiederentdecktes Werk „The Passion of Joan of Arc” (1928) gilt als einer der besten Stummfilme überhaupt, was ich leider nicht beurteilen kann, da ich bislang nicht die Gelegenheit hatte, ihn anzusehen (es gibt den Film sogar auf DVD, bedauerlicherweise nur für Region 1).

Meine absolute Lieblingsverfilmung ist aber nach wie vor „Johanna von Orleans“ (1948), mit Ingrid Bergmann in der Hauptrolle – zu meinem grossen Leidwesen gibt es ihn aber (noch?) nicht auf DVD, und im TV wird er unverständlicherweise auch nur alle paar Jahre gezeigt, obwohl es sich um ein absolutes Meisterwerk handelt!

mfG,

Swissman





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