Johanna von Orleans
Geschrieben von Bern am 05. Januar 2003 08:42:56:
Als Antwort auf: Re: (Mehr als nur eine) Filmkritik geschrieben von Swissman am 05. Januar 2003 02:39:07:
hi ,
vor ein paar Jahren gabs mal einen sehr beeindruckenden
Film von ihr, war aber ein Fernsehfilm mit Deutschen.
Kennt jemand den noch.
Bernd
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>Hallo Arkomedt,
>>Hier wirst Du für meinen Geschmack etwas zu emotional.
>Ich will gar nicht erst abstreiten, dass Jeanne d’Arc eine meiner Lieblingsheiligen ist – es ist daher durchaus möglich, dass mein Text auf den einen oder anderen etwas emotional wirkte (bereits meiner Deutschlehrerin fiel seinerzeit bei der Korrektur meiner Aufsätze auf, dass gelegentlich das Pathos ein wenig mit mir durchgeht *g *)
>>Die historische Jeanne d’Arc mag ja die bestdokumentierte Persönlichkeit des Mittelalters gewesen sein, die Frage, wer diese Dokumente geschrieben, gepflegt, archiviert und verwaltet hat, darf aber nicht verboten sein, oder?
>Bei den Dokumenten handelt es sich zum einen um Briefe, die sie anfangs diktierte, später selbst schrieb. Sodann finden sich in den französischen Archiven zeitgenössische Aufzeichnungen, und die Akten des Rehabilitationsprozesses von 1456 sind ebenfalls vollständig erhalten. Im Rahmen dieses Prozesses wurde ihre gesamte Lebensgeschichte von Kindheit an aufgerollt, wozu jede noch lebende Person unter Eid befragt wurde, die mit Jeanne je Kontakt gehabt hatte. - Ein Eid hatte damals ein ganz anderes Gewicht, als heute: Kaum jemand hätte es gewagt, unter Eid zu lügen!
>Nicht zuletzt sind aber auch die Akten des Prozesses, der zu ihrer Verurteilung führte, erhalten geblieben. Diese decken sich, abgesehen von der Interpretation, vollumfänglich mit den Erkenntnissen des Rehabilitationsprozesses. Dies ist umso bemerkenswerter, als diese Aufzeichnungen von ihren eingeschworenen Feinden, den Engländern, stammen, denen man wohl kaum ein grosses Interesse an Jeannes Glorifizierung nachsagen kann – im Gegenteil.
>>Wir brauchen dringendst eine "Heldendemontage"! Zumindest eine Demontage der militärischen Helden!
>Finde ich ganz und gar nicht.
>>Es wäre doch gerade im Moment sehr angebracht, Heldentum nicht allein auf militärische Groß- oder Greueltaten (abhängig vom Standpunkt des Betrachters) zu beschränken.
>Natürlich hast Du in diesem Punkt Recht: Heldentum kann sich auch (aber eben nicht nur) auf anderen Gebieten, als demjenigen des Waffenhandwerks zeigen
>>Laß uns in Deutschland Helden suchen. Mir fällt spontan Koch, Semmelweis, Virchow, Kant ein. Aber auch(!) Lützow und Nietzsche.
>Zustimmung
>>Überliefert sind eben auch die dilettantischen Führungseigenschaften der Jeanne, die unnötigerweise vielen ihrer Gefolgschaft (war ja nur Fußvolk!) das Leben kostete. Da klingt es schon wie Hohn, daß sie sich nach der Schlacht aufopfernd um die von ihr blöderweise Verheizten kümmerte, meinst Du nicht?
>Diese These wird zwar gelegentlich vorgebracht, entbehrt aber, wie im folgenden zu zeigen sein wird, jeder Grundlage (bemerkenswerterweise sind es zumeist britische Historiker, die Jeanne d’Arcs militärisches Können infrage stellen...).
>Selbst zeitgenössische englische Quellen kommen nicht umhin, Jeannes ausserordentliches militärisches Geschick anzuerkennen. So erkannte sie das Potential der damals gerade aufkommenden Geschütze. Sie war die erste, die in grösserem Ausmass Artillerie zur Angriffsvorbereitung einsetzte.
>Tatsächlich waren die Offiziere anfänglich alles andere als begeistert von der Aussicht, von einer Frau Befehle entgegennehmen zu müssen – ihr Rat wurde weitgehend ignoriert, und sie musste sich den Respekt der Truppe zuerst verdienen, was ihr durch ihr Können sowie ihren persönlichen Mut auch bald gelang.
>Der Herzog von Alençon gab während des Revisionsprozesses zu Protokoll: „Im Führen einer Lanze, Aufstellen einer Armee, Befehlen von militärischen Unternehmungen und im Einsatz der Artillerie war sie ausserordentlich befähigt. Jeder war erstaunt darüber, dass sie diese Dinge beherrschte wie ein Hauptmann mit zwanzig oder dreißig Jahren Kriegserfahrung.“
>Der Vorwurf des "Dilettantismus" wird aber insbesondere auch durch die Schlacht von Patay widerlegt, die durch eine doppelseitige Umfassung der englischen Streitkräfte entschieden wurde und mit deren weitgehenden Zerschlagung endete.
>Bekanntermassen ist die doppelseitige Umfassung eines Heeres die schwierigste Aufgabe, die einem Feldherrn gestellt werden kann. Hannibal war der erste Feldherr, den wir kennen, dem bei Cannae dieses Meisterstück gelang. Sein Gegner Scipio Africanus revanchierte sich dafür in der Schlacht von Zama, indem er die Karthager seinerseits umfasste. Danach war der Anwendung dieser Taktik lange Zeit kein Erfolg mehr beschieden, bis Alexander Newski im Jahr 1242 auf dem zugefrorenen Peipussee die Ritter des Deutschen Ordens vernichtend schlug.
>Und 1429 waren es die englischen Truppen, die in Patay ihr eigenes Cannae erlebten. Die Planung und Führung dieser Schlacht allein würde daher bereits vollauf genügen, um Jeanne d’Arc unter die bedeutendsten Feldherren der Kriegsgeschichte einzureihen.
>Nebenbei bemerkt: Der grosse Hannibal versuchte bereits an der Trebia, die Römer zu umfassen, was ihm aber nur teilweise gelang – dem Gros der Legionäre glückte dieses Mal noch der Ausbruch. Die Karthager reorganisierten darauf ihr Heer, um der römischen Kampfweise besser begegnen zu können. Am Trasimenischen See errangen die Karthager zwar einen grossen Sieg, jedoch nicht mittels doppel-, sondern einseitiger Umfassung, wobei dem See die Rolle des Amboss’ zukam. Erst bei Cannae gelang es Hannibal, seinen Plan, die Römer beidseitig zu umfassen, vollumfänglich zu realisieren.
>Jeanne d’Arc hingegen gelang dies bereits beim ersten Versuch!
>Was die „unnötig vielen“ Gefallenen angeht, die durch Jeannes „Fehler“ starben, so waren die französischen Opferzahlen dem erreichten durchaus angemessen. So verloren die Franzosen etwa in Patay fünf (!) Mann, gegenüber mehr als 2000 gefallenen Engländern, sowie mehreren hundert Gefangenen (bei einer englischen Anfangsstärke von ca. 3500 Mann) – der Preis erscheint mir für die völlige Vernichtung der feindlichen Hauptmacht durchaus angemessen.
>Zudem gehört es nun einmal zum Wesen des Krieges, dass dabei Menschen sterben und verwundet werden – es ist, wie Montgomery einmal klagte, die Tragik des Feldherrn, dass er mit jedem Angriffsbefehl, den er gibt, zugleich auch einer Anzahl von Menschen den Befehl erteilt, in den Tod zu gehen.
>mfG,
>Swissman
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