Re: (Mehr als nur eine) Filmkritik
Geschrieben von Arkomedt am 04. Januar 2003 04:33:16:
Als Antwort auf: (Mehr als nur eine) Filmkritik geschrieben von Swissman am 04. Januar 2003 00:20:30:
Hallo Swissman,
habe diesen Film auch gesehen und teile weitestgehend Deine Einschätzung. Es gibt wahrhaftig Besseres, vor Allem den von Dir erwähnten Zweiteiler.
Soweit, so gut. An einer Stelle Deiner Kritik bin ich aber hängengeblieben.>Johannas Heldenmut sollte uns allen ein Vorbild sein (für mich ist er es auch), und allein schon die blosse Frage nach anderen als den überlieferten Motiven finde ich obszön. Ich kann mit der zugrundeliegenden Einstellung rein gar nichts anfangen, geschweige denn, mich damit identifizieren! Und tatsächlich werden die westlichen Gesellschaften ja auch ernten, was sie derzeit säen: Eine Gesellschaft ohne Helden und ohne Religion kann nicht unbegrenzt lange überleben, ohne die Konsequenzen zu spüren – früher oder später richtet sie sich selbst unweigerlich zugrunde, sei dies nun direkt (innerer Zerfall) oder indirekt (Angriff von aussen)...
Hier wirst Du für meinen Geschmack etwas zu emotional. Die historische Jeanne d´Arc mag ja die bestdokumentierte Persönlichkeit des Mittelalters gewesen sein, die Frage, wer diese Dokumente geschrieben, gepflegt, archiviert und verwaltet hat, darf aber nicht verboten sein, oder? Heldenverklärung nützt letztendlich doch auch nur dem, der sie in Auftrag gab. Jeanne ist heiliggesprochen worden, sie wurde über Jahrhunderte von der Kirche zur Märtyrerin aufgebaut. Die Kirche hat bekanntlich die meiste Zeit!
Du hast sehr Recht damit, daß die Darstellung in dem besprochenen Film tendenziös, manchmal richtig peinlich war. Deswegen ist doch aber noch lange nicht allein die Frage nach anderen als den überlieferten Motiven "obszön"! Ganz im Gegenteil, will mir scheinen. Wir brauchen dringendst eine "Heldendemontage"! Zumindest eine Demontage der militärischen Helden!Es wäre doch gerade im Moment sehr angebracht, Heldentum nicht allein auf militärische Groß- oder Greueltaten (abhängig vom Standpunkt des Betrachters) zu beschränken. Für viele Amis ist Bush der Held der Stunde, für viele Moslems ist es Bin Laden.
Laß uns in Deutschland Helden suchen. Mir fällt spontan Koch, Semmelweis, Virchow, Kant ein. Aber auch(!) Lützow und Nietzsche.
Sicherlich nicht Skorzeni oder Hess, aber auch nicht Thälmann oder Luxenburg.Was das mit Jeanne d´Arc zu tun hat? Nur soviel, daß ich mir ansehe, wer letztlich hinter dem "Heldenbild" steht. Und das sind eindeutig klerikale UND französische Nationalinteressen. Geht man noch tiefer, royalistische französische Interessen. Mit dieser Heldenfigur habe ich wirklich nicht das Geringste zu tun!
Überliefert sind eben auch die dilettantischen Führungseigenschaften der Jeanne, die unnötigerweise vielen ihrer Gefolgschaft (war ja nur Fußvolk!) das Leben kostete. Da klingt es schon wie Hohn, daß sie sich nach der Schlacht aufopfernd um die von ihr blöderweise Verheizten kümmerte, meinst Du nicht?Hast Du Dich mal mit dem deutschen Volkshelden Arminius oder Hermann, dem Cherusker, näher beschäftigt? Tragische Figur, alles in allem, zutiefst menschliche Eigenschaften wie Stammesverbundenheit, Opportunismus und Machtstreben lassen ihn schillern, aber nicht glänzen. Na und?
Und genau dieses "Na und" sollten wir dem französischen Regisseur zugestehen, der über die französische Nationalheldin einen Film machte.
Freundlichst, Arkomedt.
- Re: (Mehr als nur eine) Filmkritik Swissman 05.1.2003 02:39 (1)
- Johanna von Orleans Bern 05.1.2003 08:42 (0)