Geschichtslektion - wie bekommt man einen Kriegsgrund ?

Geschrieben von franke43 am 23. August 2002 08:34:33:

Hallo Leute

Wenigstens wir sollten aus der Geschichte wissen und gelernt haben,
dass, wer Krieg führen will, immer einen Grund bekommt.

Das Beispiel des polnischen "Überfalls" auf den Radiosender im
schlesischen Gleiwitz ist ja hinlänglich bekannt. Genauso der
angebliche japanische Überraschungsangriff auf Pearl Harbor zwei
Jahre später.

Aber schon frühzeitig haben die wahren Kriegstreiber es verstanden,
der Gegenseite die Schuld am Krieg zuzuschieben. Ein Paradebeispiel
ist der gallische Krieg von Caesar.

Langweiliges Zeugs aus dem Lateinunterricht ? Nicht unter real-
politischen Aspekten.

Was war los ?

Caesar brauchte einen Krieg

- um seine desolaten Privatfinanzen via Kriegsbeute zu sanieren

- um von einem Prozess abzulenken, den man ihm in Rom machen
wollte, und den man einem siegreichen Feldherrn nicht macht

- um seine bescheidenen Provinztruppen auf eine riesige Privat-
armee (offiziell: Armee des römischen Staates) aufstocken zu
können.

Dabei durfte der Krieg nicht um irgendein kleines Gebiet mit
fünf armseligen Dörfern geführt werden. Ein grosser Brocken
musste es sein. Und es wurde ein grosser Brocken: das ganze
heutige Frankreich einschliesslich Belgien und dem Westen von
Deutschland. Dazu noch die Schweiz. Selbst für das römische
Reich war das ein Riesenzugewinn auf der Landkarte.

Aber Caesar war nur Provinzstatthalter. Er hatte keine grosse
Armee, und er durfte nicht einfach den Gallierstämmen den
Krieg erklären, um sie besetzen, ausplündern und in die
Sklaverei verkaufen zu können. Also brauchte er einen Kriegs-
grund, denn nur dann reichten seine Vollmachten als Statthalter
aus.

Den Kriegsgrund lieferten die Helvetier. Dem Stamm war es im
Schweizer Mittelland rund um Bern und Zürich zu eng geworden.
Man woltle sich woanders in Frankreich ansiedeln.

Also kam eine Abordnung der Helvetier zu Caesar nach Genf,
denn bis nach Genf reichte die römische Provinz Südfrankreich
(Gallia Narbonensis). Man bat um freien Durchzug und war
bereit, mit Geiseln die Sicherheit der römischen Provinz zu
garantieren.

Caesar antwortete Nein und riss die Rhonebrücke bei Genf
ab, damit die Helvetier den durchzug nicht erzwingen konnten.

Die Helvetier nahmen einen Umweg über den Schweizer Jura
und begannen mit ihrem Durchzug durch Gallien auf einem
Weg, der das römische Territorium nicht verletzte. Caesars
Kriegsgrund war dabei flöten zu gehen.

Also musste Caesar die Auswanderung der Helvetier auf eine
andere Weise so umdeuten, dass dadurch römische Rechte
verletzt wurden. Caesar richtete sein Augenmerk auf den
nächstgelegenen Nachbarstamm ausserhalb der römischen Provinz,
die Haeduer. Zogen nicht die helvetier soeben mordend und
plündernd durch das Gebiet dieses friedlichen Stammes ?
Hatten nicht die Haeduer alte Bündnisverträge mit ihren
römischen Nachbarn ? Das war doch was.

Also: die Haeduer brauchten UNBEDINGT römische Hilfstruppen,
und drei lausige Provinzlegionen würden wohl kaum ausreichen,
denn der Haeduerstamm war selbstverständlich völlig ausserstande,
sein Stammesgebiet ohne römische Hilfe zu verteidigen.

Caesar hatte einen Grund, um zunächst den Helvetiern den
Krieg zu erklären. Sie mussten "befreit" werden wie Kuwait.
Caesar hatte einen Grund zur Kriegserklärung, ohne die
Vollmacht des Senats zu benötigen. Und er durfte, ja er
"musste" sogar neue Truppen ausheben und neue Legionen
aufstellen. Truppen, die nach eine siegreichen Feldzug ihm
persönlich und nicht der Regierung in Rom gegenüber loyal
sein würde. Um diese Loyalität gegenüber einer Einzelperson
zu sichern, erlaubte Caesar in der Folgezeit viele
Plünderungen in einem Ausmass, wie es sonst im römischen
Kriegswesen nicht üblich war, obwohl auch andere siegreiche
Feldherren nicht zimperlich waren.

Als die Helvetier abgeschlachtet waren, brauchte Caesar
einen neuen Kriegsgrund, um weitermachen zu können. Er
fand ihn im Suebenkönig Ariovist, der den Nachbarstamm der
Haeduer, die Sequaner, besetzt hatte und angeblich die
Haeduer bedrohte. Also "musste" Caesar seinen Bündnis-
verpflichtungen nachkommen und den Haeduern und Sequanern
gegen Ariovist helfen.

Bei Verhandlungen zwischen Caesar und Ariovist stellte sich
letzterer auf einen interessanten Standpunkt. Er konnte
nicht einsehen, warum Caesar an ihn Forderungen richtete.
Schliesslich waren sie beide Fremde in Gallien, und der
eine Fremde dürfe dem anderen Fremden keine Vorschriften
machen. Das dürften bestenfalls die Ureinwohner.

Das war in Caesars Augen natürlich genau die "Provokation",
die er benötigte, hatte sich doch Ariovist erfrecht, sich
die gleichen Rechte anzumassen wie der Weltpolizist Rom.

Nach dem Sieg über Ariovist brauchte Caesar einen Kriegsgrund
gegen die Belgier, dann gegen die Küstenstämme, dann gegen
die Briten, die angeblich den Festlandsgalliern Militärhilfe
gegen die römische Armee gewährt hätten. So war das:
Die Gallierstämme durften sich gegenseitig nicht mit Militär
beistehen, nur die römische (eigentlich: Caesars) Armee
durfte auf fremdem Territorium intervenieren, wie immer es
dem Feldherrn gerade passte.

Jahre später nutzte Caesar die gleiche Armee, um auf Rom zu
marschieren (Rubicon) wie später Franco auf Madrid.

Quintessenz: wer einen Kriegsgrund braucht, bekommt ihn
auch.

Hat der angebliche Dummkopf Bush jr. Caesars gallischen
Krieg gelesen ? Sieht er sich als den Caesar unserer
Zeit ? eine gewisse entfernte Ähnlichkeit wäre sogar
vorhanden.

Gruss

Franke 43



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