Re: Das ist mir längst aufgefallen

Geschrieben von XI am 23. August 2002 16:25:10:

Als Antwort auf: Das ist mir längst aufgefallen geschrieben von franke43 am 23. August 2002 15:17:27:

Hallo FZ!

Wir dürften eine USA in der Phase der späten römischen Republik
kurz vor der Einführung des Kaisertitels miterleben. Leider -
so die geschichtliche Parallelle - war das damals erst die
Entwicklungsphase kurz vor dem Zenit der römischen Macht,
nicht etwa die unmittelbar vor dem Zusammenbruch des
Weltreichs. Abgewirtschaftet hatte das römische Weltreich erst
nach etwa 250 Jahren Kaiserzeit, und auch dann dauerte es noch
über 150 Jahre bis zum endgültigen Zusammenbruch.
Also noch 300-400 Jahre Kaugummi, Hamburger und Coca-Cola ??

Fast. Wir erlebten in der Tat die Blütezeit der Neuzeit. Wir sind aber in der Kristallisierungsphase einer Hochkultur. D.h., wir haben den Scheitelpunkt, die Amplitude, einer Entwicklungswelle längst überschritten und befinden uns im Abstieg (im letzten Drittel). Genau diese Abstiegsphasen ähneln sich in vielen Hochkulturen. Der Lebenszyklus einer Hochkultur ist eine vorangehende Kreativphase (Kultur und Kunst, Aufbau), dann die Verschwendungsphase (der Kristallisierungsprozess, Zeichen des Abstiegs) und zum Schluss die Militärphase (totaler Abstieg).

Wenn Du Dich noch erinnern kannst, sprachen wir vor einem Jahr über das Thema, wo ich den Begriff "Cäserismus" einbrachte. Und genau dies ist im Begriff zu passieren. Nach unserer Verschwendungsphase (die letzten 200 Jahre mit kleinen Militärphasen dazwischen) treten wir ein in das Endstadium einer Kristallisierung: die Militärphase. Werte werden sich ändern (z.B. Geldmacht verschwindet, Kriegsadel kommt etc.) und plötzlich scheinbar von einem Tag zum anderen ist nicht der Besitz von Geld von Bedeutung, sondern von Ländereien, Resourcen etc.

Ich sehe keinen Zusammenbruch eines Weltreiches, im Gegenteil, die Einführung in die Kaiserzeit (ich weigere mich nur, diesen Begriff zu verwenden, Weltherrscher scheint mir abstrakter), die Erschaffung eines Weltreiches mit abschliessendem Zusammenbruch und Übergang in eine neue Hochkultur (in ca. 100-200 Jahren). Der Abschluss einer Hochkultur (der letzte Akt gewissermassen) ist immer die Errichtung einer Weltmacht.

Du musst bedenken, dass wir heute die Mittel haben, diesen Prozess, der normalerweise an die 500 Jahre dauert, zu beschleunigen. Und weiters musst Du bedenken, dass diese Phasen wiederkehrende Prozesse sind. Das Streben nach Weltherrschaft ist keine neuzeitliche Idee, wie Du weisst. Auch ist sie kein Qualitätsurteil eines Entwicklungsgrades. Eine weiterentwickelte Kultur, wie wir sie haben, impliziert nicht, dass wir diesem Prozess "entwachsen" wären, genauso, wie wir noch die selbe animalische Basis besitzen, wie unsere Vorfahren vor 20.000 Jahren. Nur weil wir 20.000 Jahre weiter entwickelt sind, bedeutet dies nicht, dass diese animalische Basis nie wieder in den Vordergrund kommen wird. Man muss in diesem Universum zyklisch denken.

Nur hatten unsere Vorgänger nicht die Möglichkeit dazu (das Weltreich von Alexander ist doch heute betrachtet ein "gösseres Dorf", viele Gegenden ja sogar Kontinente waren gar nicht erschlossen). Erst heute haben wir die besten Voraussetzungen für eine wirkliche Weltherrschaft, für eine Herrschaft *aller* auf diesem Planeten sich befindlichen Lebewesen.

Wissenschaftlich betrachtet finde ich es faszinierend. Persönlich finde ich es Scheisse.

Gruß
XI


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