Re: @IT Oma, auch @Johannes und @Bonnie, Must-read-link zum Thema Wirtschaft ..

Geschrieben von IT Oma am 22. Januar 2005 00:50:57:

Als Antwort auf: @IT Oma, auch @Johannes und @Bonnie, Must-read-link zum Thema Wirtschaft ..... geschrieben von NoPasaran am 19. Januar 2005 13:04:12:

Hallo NoPasaran,

Hier meine Antwort auf Dein Posting an mich, Johannes und Bonnie.

Die ersten Absätze übergehe ich einfach mal, damit rennst Du bei mir offene Türen ein, und erzählst mir auch nichts Neues. So bis inklusive:

Geld hat in unserem System eine Doppelfunktion, nämlich als einerseits Tauschmittel und andererseits Medium der Wertaufbewahrung. Der Witz ist, daß das nicht funktioniert, nicht funktionieren kann. Diese beiden Funktionen sind sozusagen inkompatibel.

Aber dann sagst Du:

Geld ist universelles Tauschmittel, das zunächst mal für Waren, und dann, in weiter entwickelten Gesellschaften, auch für Dienstleistungen quasi den Platzhalter machen kann. Fangen wir mit den Waren an, denn das ist das Ursprünglichere, und zwar sozusagen ganz low level, mit materiellen Waren. Damit das wirklich funktioniert, muß eine Eigenschaft von Waren, nämlich deren Wert, in Geld abbildbar sein, und da fängt das Problem jetzt an: Es gibt eine Eigenschaft aller materiellen Strukturen, somit also auch aller materiellen Waren, universal, die in unserem Geld nicht abgebildet ist: Der Verfall. Ganz wurscht, was ich habe, wenn ich es eine Zeitlang einfach vor sich hin gammeln lasse, verliert es an Wert. (Ich rede hier nicht von Weinen oder Oldtimern oder sonstigen Dingen, die mit zunehmendem Alter teurer werden: Darum geht's hier nicht.)

Geld ist (u.a.) dazu da, den Wert der Waren abzubilden, soweit stimmt's noch. Dann sagst Du: weil die Eigenschaft "Wert" der Waren sich im Laufe der Zeit verändert (höher oder niedriger), ist es ein Problem, daß im Geld diese Veränderung nicht abgebildet ist. Nun, das ist das Kennzeichen einer guten Maßeinheit: daß sie sich nicht verändert. Täte sie das, so wäre sie als Maßeinheit ungeeignet. Ein Beispiel mit einer anderen Maßeinheit, z.B. dem Längenmaß Meter/Zentimeter: Wenn ich mir ein Kleid nähen will, und die Anleitung sagt mir, ich brauche 2 Meter Stoff, der 80 cm breit ist, so muß ich mich darauf verlassen können, daß der Meter und der Zentimeter als Maßeinheiten immer gleich lang bleiben, sonst wird das Kleid entweder zu klein oder zu groß. (Nächstes Mal gibt's ein Beispiel, mit dem auch Mannsbilder was anfangen können *g*)

Das Problem ist also nicht, daß Geld als Maßeinheit sich nicht verändert (den Fall der Inflation lasse ich jetzt mal beiseite), sondern, daß es außerdem auch als Wertaufbewahrungsmittel und Ware benutzt wird. Ich nehme an, das meinst Du, wenn Du weiter unten sagst:

Als Tauschmittel muß Geld nämlich umlaufen. Als Mittel der Werterhaltung soll es das genau nicht, da liegt der Hase im Pfeffer...
Was in dieser Theorie ausgespart wird, ist der Umstand, daß Geld ebenfalls dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterliegt, und daß der, der Geld hat, gegenüber dem, der keines hat, im Vorteil ist.

Daß Geld dem Gesetz von Angebot und Nachfrage unterliegt, wird schon in der VWL Einführungsvorlesung gelehrt: "Der Ertragspreis von Boden und der Ertragspreis von Kapital werden durch Angebot und Nachfrage bestimmt". Dabei ist der, der Geld hat nicht in jedem Falle im Vorteil gegenüber demjenigen, der Sachwerte hat. Siehe zum Beispiel die Hyperinflation 1919-1923.

Dann gehst Du auf meine Definition der Entstehung von Kapital aus akkumuliertem Einkommen ein:


Denn nicht nur, daß Eigentum ja auch gepflegt werden muß, - das Eigentum, das via Miete, Zins, Dividende etc. Einkommen produziert, ist in aller Regel vorher ja irgendwann erarbeitet und erspart worden. (Manchmal auch geraubt, auf diesen Fall gehe ich später ein). Wird Einkommen sofort wieder für Bedürfnisbefriedigung ausgegeben, so entsteht kein Kapital, sondern erst, wenn es angesammelt und später in ein langlebiges Gut umgetauscht oder als Geldkapital anderen zur Verfügung gestellt wird.
Der Punkt ist schlicht und ergreifend der, daß ein relativ großer Teil der Bevölkerung, selbst hier bei uns, gar nicht anders kann als sein Einkommen postwendend wieder auszugeben für Bedürfnisbefriedigung - zur Befriedigung der Bedürfnisse nach Wohnung, nach Kleidung und nach Atzung; von der dritten Welt wollen wir da noch gar nicht mal reden. Wo nix is, kannst auch nix sparen, und - um mich mal in die aktuelle Polemik einzuklinken - wo, bitte, soll ein Hartz-IV-Abhängiger noch was sparen können ? Der darf ja per Gesetz kein ernstzunehmendes Sparguthaben mehr sein Eigen nennen, sonst ist sie gleich wieder weg, die Stütze .....
Auf die Gefahr hin, jetzt als überheblich, unverschämt oder sonst noch was bezeichnet zu werden: Die oben zitierte Argumentation - die mit der Bedürfnisbefriedigung versus dem Ansparen - ist im ungünstigsten Fall zynisch, im günstigsten dumm.

Schade, daß Du dem Drang zur Unsachlichkeit nicht widerstehen konntest. Ich hatte nicht, wie Du schreibst, "argumentiert", sondern die Entstehung von Kapital beschrieben, ganz ohne moralische Wertung, und ohne darauf einzugehen, ob das alle so machen können oder nicht. Ich bin keineswegs so dumm und blind, wie Du offenbar denkst - habe selbst lange Jahre in Verhältnissen gelebt, die es mir völlig unmöglich machten, Kapital zu bilden. Aber darum ging es mir hier nicht, sondern um eine Kritik der Begriffe "leistungsloses Einkommen" und "einkommenslose Leistung" bei Norbert Rost.

dann bedeutet das, daß von allem, was wir kaufen - sei's das Essen, ohne das wir verhungern, sei's die Miete, die wir zahlen müssen, falls wir zur Miete wohnen, sie's der unnötigste Luxus, den sich jemanden eben leisten kann -, durchschnittlich bis zu vierzig Prozent des Preises, den wir dafür bezahlen, an die Leute gehen, die das Kapital zu seiner Herstellung bereitgestellt haben.
Was, alles in allem, eine satte Marge ist.
Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Denn die Leute, die da abkassieren, sind nicht die, die ihr Geld rein zum Überleben gleich wieder ausgeben müssen, ganz und gar nicht. Die zahlen natürlich ihrerseits auch wieder diese durchschnittlich nis zu vierzig Prozent Kapitalkosten, wenn sie sich was kaufen, die eigentlich relevante Relation liegt eine Ebene drüber.....
Nochmal, das muß man sich klarmachen: Diese ganze Geschichte ist eine schleichende Riesenumverteilung von unten nach oben, von denen, die gezwungen sind, ihr ganzes Einkommen in ihr Überleben zu stecken, hin zu denen, die ohnehin schon soviel haben, daß sie nicht mehr wissen, wohin damit.

Da stimme ich Dir zu. Auch der daraus resultierende pathologische Zwang zum Wirtschaftswachstum ist meiner Meinung nach äußerst unheilvoll.

Aber leider kannst Du erneut nicht widerstehen und wirst unsachlich:

@IT Oma:
Kaufen sie Möbel, und in dem Preis stecken 70% Kapitalkosten des Möbelproduzenten, so bezahlen sie dafür, daß er ihnen das Bauen der Möbel und die Beschaffung des für Rohstoffe und Maschinen nötigen Kredits abgenommen hat.
Eben nicht. Unsauberes Denken, das darauf schließen läßt, daß das eigentliche Problem noch nicht erkannt ist: Die 70% Kapitalkosten in diesem Beispiel werden nicht bezahlt dafür, daß der Möbelbauer das Bauen der Möbel abgenommen hat.

Das hab ich auch nicht behauptet. (Unsauberes Lesen?) Ich habe geschrieben, "sie bezahlen dafür" (und zwar den Kaufpreis, nicht nur die Kapitalkosten).

Daß der dafür einen angemessenen Preis bekommt, das heißt einen, auf den er sich mit dem Abnehmer seiner Möbel zu beiderseitiger Zufriedenheit einigt, das ist völlig okay. Auch, daß er einem die Beschaffung des für Rohstoffe und Maschinen nötigen Kredits abgenommen hat, ist nicht der Punkt, das ist BlaBla: Du schmeißt Kapitalkosten, Materialkosten und Personalkosten durcheinander.

Nein, siehe oben. Und die Kreditbeschaffung ist nicht Blabla, denn viele Käufer haben nicht die nötige Bonität für einen solchen Kredit, und könnten deshalb diese Rohstoffe und Maschinen nicht beschaffen, auch wenn sie die Möbel theoretisch selbst bauen könnten.

Der Witz ist, daß der Möbelbauer, um bei dem Beispiel zu bleiben, selber dafür ablöhnen muß, wenn er Geld braucht, das, aus welchem Grund auch immer, der laufende Betrieb grad mal nicht hergibt, und daß natürlich diese Kosten auf die Preise umgelegt werden, aber der Möbelbauer hat davon nichts, das läuft bei ihm sozusagen durch, es landet bei den Leuten, die imstande sind, Geld herzuleihen, wozu man bekanntlich nur imstande ist, wenn man mehr davon hat, als man zum Überleben braucht.

Daß er, der Möbelbauer, davon nichts hat, stimmt nicht ganz. Denn er bekommt dadurch die Möglichkeit, den großen Auftrag anzunehmen, den er sonst ablehnen müßte. Der bringt ihm Gewinn. Und anschließend kann er mit den für diesen Kredit gekauften Maschinen schneller und zu langfristig günstigeren Kosten, da in Serie, produzieren, als vorher. Und mit jedem Möbelstück, das er verkauft, kann er potentiell mehr Gewinn machen (allerdings nur, wenn er auch genügend Käufer zu diesem Preis findet). Aber er zahlt natürlich mit seinen Kreditkosten indirekt auch die Kapitalkosten seines Kreditgebers, sowie die Kapitalkosten von dessen Kreditgeber usw. usw. und reicht die via Preis an den Möbelkäufer weiter.

Du hast recht (und es empört mich auch - nur daß ich Gefühle und Analyse trenne), es ist ein Schneeballsystem, das dahintersteckt. Jeder Geldkapitalgeber, der zwischen dem Rohstoff und dem fertigen Produkt Kredit an Produzenten und Händlern gegeben hat, bekommt seinen Zins, und den angestellten oder von Rente oder Sozialhilfe lebenden Käufer als letzten beißen die Hunde. Er kann seine Kapitalkosten an niemanden weiterreichen, und hat oft noch nicht einmal die Wahl, ob er die der anderen via Preis zahlen will. Und natürlich sagt uns niemand in dem Schneeballsystem, daß es eines ist.
Daß dies Pyramidenspiel nicht schon seit langem geplatzt ist, liegt nicht nur an der Unwissenheit, in der man uns hält, sondern zu einem nicht geringen Teil auch daran, daß der Prozentsatz der DM-Millionäre, die davon profitieren, nach 50 Jahren Frieden nicht so klein ist, wie Du meinst, und daß (theoretisch jedenfalls) jede/r das auch kann, die/der den Sprung in die Selbständigkeit wagt.

Aber wo ist die machbareAlternative?

Du erwähnst Silvio Gesell und das "Wunder von Wörgl". Wörgl erhob eine "Strafgebühr" für das Behalten der "Arbeitswertscheine", durch die sie innerhalb eines Monats 1 % ihres Wertes verloren. Dadurch wurden die Wertscheinbesitzer dazu animiert, sie nicht zu horten, sondern sie möglichst schnell weiterzureichen. Wegen des resultierenden Überangebots konnten sie natürlich keinen Zins dafür verlangen. Der Vorteil der schnellen (wenn auch zinslosen) Kreditvergabe für den Wörgl-Geld-Besitzer war, daß sein Geld sich nicht entwertete, solange es in seinem Besitz war, der Vorteil für den Unternehmer am Ort war, daß er investieren konnte, neue Beschäftigung schaffen konnte und die Umsätze stiegen. Also ein gutes Mittel gegen Deflation. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, daß es für das Horten ja immer noch den österreichischen Schilling gab, und die Arbeitsscheine jederzeit umgetauscht werden konnten, wenn auch nur zu 2 % ihres Nennwertes. Ganz „ohne Netz und doppelten Boden“ hätten die Leute das „Schwundgeld“ vielleicht doch nicht akzeptiert. Das sehr erfolgreiche Wörgler Experiment wurde schließlich auf Veranlassung der Nationalbank durch die österreichische Regierung mit Polizeigewalt beendet.

Dasselbe hatte man übrigens schon im Mittelalter mit den sog. Brakteaten eingeführt, und es führte zwischen ca. 1000 n.Chr. und 1270 n.Chr. zur Blüte des Hochmittelalters.
Der Pferdefuß war, daß Fürsten oder Monarchen, die sich – meist für Kriege - stark verschuldeten, die weitaus ertragreichere und regelmäßigere Einnahmen bringende Steuer bevorzugten (denn die konnte man im voraus beleihen!) und teilweise zusätzlich zu Münzfälschungen griffen, bei denen das Münzgeld regelmäßig durch wesentlich minderwertigeres "erneuert" wurde. Dies führte bei der Bevölkerung natürlich zur Hortung wertvollerer älterer Münzen und zum Aufkommen des Barrengeldes.

Der Hang zur Kapital- und Machtvermehrung des Staates hat seine Wurzeln offenbar sehr früh in der menschlichen Geschichte, mindestens mit Beginn der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit, vermutlich aber schon früher, wie die Funde großer Städte und Tempelzentren auf Jäger- und Sammlerbasis in der Türkei in Asikli und Göbekli Tepe belegen.

Es scheint sehr schwierig zu sein, das zu vermeiden. Denn eine Organisation, sei sie staatlich oder weltanschaulich, muß sich immer irgendwie vorfinanzieren. Das heißt: Steuern und Staatsverschuldung. Deshalb seh ich, ehrlich gesagt, auch nicht, daß die Idee von Gesell im aktuellen System an Boden gewinnen könnte. Womöglich müßte man vor die Städte und Tempelzentren zurückgehen, um dem Schneeballsystem zu entgehen. Das hieße: Jäger- und Sammlergesellschaften, Subsistenzwirtschaft ohne feste Zentren und ohne organisierte Religion.

Wenn die Prophezeiungen recht behalten, könnte das allerdings eher kommen, als wir denken. Insofern sind wir einer Meinung.

Gruß
ITOma


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