Re: In welchem Rahmen verwirklicht sich Freiheit?
Geschrieben von Marc Malbec am 05. Februar 2004 16:52:27:
Als Antwort auf: Nur deshalb keine Feindschaft ... geschrieben von franke43 am 05. Februar 2004 15:44:39:
Hallo Franke,
jetzt sind wir am Nerv der Sache:
>Ja, aber so wie ich JeFra und seine Gesinnungsgenossen verstehe,
>ist das eben nur die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit
>unter "Volksgenossen" einer "Volksgemeinschaft" in einem
>homogenen, ethnisch sauberen "völkischen" Staat und nicht etwa
>Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der gesamten Menschheit.Lassen wir ihn bitte selbst dazu Stellung beziehen. Die Begriffe "Volksgenossen", "Volksgemeinschaft", "ethnisch sauber" und "völkisch" würde ich entschieden zurückweisen.
Ich halte es für einen schweren Fehler, den Nationalstaat kurzerhand mit Nazismus gleichzusetzen. Meiner Ansicht nach verhält es sich vollkommen anders:
Die einzige Struktur, in der Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und soziale Sicherung bislang - halbwegs - verwirklicht wurden, ist der Nationalstaat.
Ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen ist das glatte Gegenteil dessen, was man als "homogen" oder "völkisch" bezeichnen könnte. Der Nationalstaat wie ich ihn verstehe ist "der institutionelle Rahmen für die demokratische Auseinandersetzung" (Jean-Pierre Chevenement).
Es ließe sich folgende Regel formulieren: Je mehr der Nationalstaat in internationalen Gebilden (EU, UNO) aufgelöst wird, desto mehr gehen Freiheit, Selbstbestimmung und soziale Sicherung verloren; also so ziemlich alles, was unser Leben erträglich macht, und uns noch minimalste Möglichkeiten der politischen Einflußnahme beläßt. Wenn wir zur Bundestagswahl gehen, ist unsere Stimme eine von 60 Millionen, bei den Europa-Wahlen eine von mehreren hundert Millionen, und im Weltmaßstab eine von mehreren Milliarden.
Wer sich selbst zur politischen Ameise machen möchte - Stimmvieh paßt gar nicht mehr, dafür sind die Nutztiere, Rinder, Schweine, Hühner etc. zu groß - sollte für den Weltstaat plädieren.
"Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" für die ganze Menschheit zu fordern, nimmt sich beim Lesen noch sympathisch aus, wirft aber Probleme auf, daß einem schwindlig werden kann:
- Sollen die Postulate mit Waffengewalt exportiert werden?
- Wen ja, ist das nicht eine flagrante Mißachtung anderer Kulturkreise und ein Verstoß gegen das Gleichheits-, Freiheits- und Brüderlichkeitsgebot?
- Wollen wir den anderen Ländern und Kulturen nicht die Freiheit lassen, den ihnen gemäßen Weg zu suchen und zu finden?
- Was ist, wenn andere Länder, z.B. die shiitische Mehrheit im Irak, von unseren Segnungen, auch nach der Befreiung, nichts wissen will?
Ich würde entschieden davor warnen, mit den Parolen der französischen Revolution im Munde einen Weltstaat anstreben zu wollen. Denn anders als mit brutaler Gewalt, diktatorischen Zwangsmaßnahmen und einem orwell´schen Überwachungssystem wird dieses Gebilde nicht aufrechtzuerhalten zu sein.
Schon die Versuchsstation für den Weltuntergang, nein, die Weltregierung, die EU, zeigt, wie alles, was unser Leben erträglich macht, unter die Räder kommt.
Hinzu kommt dann noch das Problem der Machtkonzentration und die damit verbundene Schwierigkeit, etwas an den Verhältnissen zu ändern.
>Hier Weltgemeinschaft und "Arbeiter aller Völker, vereinigt
>Euch", dort Rassen- und Volksgemeinschaft und "Du bist nichts,
>Dein Volk ist alles".Mir sind, wie ich versucht habe zu erklären, derartige Gemeinschaften von Grund auf suspekt. Ich meine, daß der Nationalstaat die einzige Möglichkeit darstellt, Unterschiedlichkeiten zu leben, sie sogar, über Regierung und Opposition, zum tragenden Element einer Gesellschaft zu machen.
Meiner Ansicht nach wird in der politischen Debatte laufend, und zwar mit hinterhältiger Absicht, die falsche Frage gestellt, nämlich, "Wie können wir die bestehenden Staaten zu größeren Gemeinschaften zusammenschließen?"
Die richtige Fragestellung sollte ganz anders lauten:
"In welchem Rahmen können wir Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung, Rechtsstaat und soziale Sicherung am besten verwirklichen."
Marc Malbec
- In welchem Rahmen verhindert man Krieg ? franke43 06.2.2004 08:13 (4)
- Re: Frieden herrscht am meisten auf dem Friedhof Marc Malbec 06.2.2004 10:39 (3)
- Re: Frieden herrscht am meisten auf dem Friedhof DaveRave 06.2.2004 11:02 (2)
- Re: Bitte bei der Sache bleiben Marc Malbec 06.2.2004 11:37 (1)
- Re: Bitte bei der Sache bleiben DaveRave 06.2.2004 11:57 (0)