Christentum, Hinduismus, Buddhismus und "Muktologie"

Geschrieben von Swissman am 04. Mai 2003 00:18:31:

Als Antwort auf: Gewalt und Gegengewalt.. geschrieben von RMuktananda am 03. Mai 2003 20:00:00:

Hallo RMuktananda,

>Aufgefallen ist mir aber, mit wieviel hmm.. kann man es schon Hass nennen? agiert wird, wenn die eigene Gewaltbereitschaft im Krisenfall nicht unterstützt wird. Da ist dann von "Ohrfeigen", von "tiefster Verachtung" und Schlimmerem die Rede.

Mit Hass hat das nicht viel zu tun: I'm Gegenteil, Du tust mir leid, denn Du glaubst den pazifistischen Quatsch offensichtlich tatsächlich.

>- die meisten hier bezeichnen sich als Christen und Christ und Gewalt passt eigentlich nicht zusammen ( So dich einer auf die linke Wange schlägt.. )

Das verträgt sich sogar sehr gut, vorausgesetzt, die richtigen Leute werden davon getroffen: Jesus selbst hat den Tempel mittels einer Geissel von den Händlern und Geldwechslern gereinigt! Und gemäss Bibel wird Jesus am jüngsten Tage wiederkehren, um die Welt zu richten und die Bösen zu strafen!

Nicht vergessen sollte man zudem, dass das Christentum sich bereits sehr früh grosser Beliebtheit unter den Legionären erfreute. Gerade unter den frühen Heiligen finden sich erstaunlich viele Soldaten: Georg, Demetrius von Thessalonike, Theodor von Euchaïta, Martin von Tours, Mauritius und die thebanische Legion, um nur einige zu nennen. Auch die früheste erhaltene, eindeutig christliche, Steininschrift stammt vom damaligen Kommandanten der nabatäischen Reiterei.

Es wäre mir nicht ein einziger Fall eines Legionärs bekannt, der nach seiner Taufe die Notwendigkeit gesehen hätte, den Beruf zu wechseln.

Wie verbreitet das Christentum unter den Legionären tatsächlich war, ersieht man auch an der Herkunft des lateinischen Wortes für "Heide", "paganus": Ursprünglich stand es für einen Vertreter der Landbevölkerung, im Soldatenslang nahm es aber bald die Bedeutung "Zivilist" an und wurde auch ausserhalb der Legion allsbald nur noch mit dieser Hauptbedeutung verwendet. Mit dem Aufkommen des Christentums scheint dieses sich in der Legion derart verbreitet zu haben, dass der die Begriffe "Zivilist" und "Heide" allsbald synomym wurden.

In der Gestalt meiner Lieblingsheiligen, Jeanne d'Arc, hat das Christentum der Menschheit sogar eine der wenigen weiblichen Feldherren geschenkt - wohlverstanden: Sie tat dies allein deswegen, weil Gott ihr dies befohlen hatte! Man könnte sogar so weit gehen, meinen Namenspatron, den Heiligen Erzengel Michael, als den ersten namentlich bekannten Soldaten überhaupt anzusehen...

Alles in allem sehe ich nicht den geringsten Anlass zu Vermutung, das Christentum sei eine Religion von und für Pazifisten!

>- die Gewaltbereitschaft wird umso größer, je mehr einer betroffen ist, der zu den geliebten Menschen zählt.

Hier schätzest Du mich nun völlig falsch ein: Wie nahe mir das Opfer eines Kriminellen steht, ist überhaupt nicht entscheidend dafür, ob ich eingreife - entscheidend ist ausschliesslich die Tatsache, dass ein Verbrechen im Gange ist (das Opfer kann mir bis dahin völlig unbekannt gewesen sein!), und in diesem Falle bin ich natürlich verpflichtet, den Kriminellen durch zufügen von Schmerzen und/oder Verletzungen dazu zu zwingen, von seinem Opfer abzulassen.

>- Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass sich das eigene "Gut-Böse" denken allen anderen ebenso darstellen muss. Dies ist definitiv nicht der Fall.

Habe ich auch nicht behauptet - der Verbrecher würde seine Tat nicht begehen, wenn er nicht davon ausgehen würde, das Recht dazu zu haben. In diesem Fall darf und muss die Gesellschaft ihn eben eines besseren belehren.

Wenn man Deine Philosophie konsequent umsetzen würde, hätte dies den Zusammenbruch jeglicher Ordnung und die totale Anarchie zur Folge. Nach einiger Zeit würde sich dann so etwas wie eine neue Ordnung herausbilden: Die Verbrecher würden sich zu Banden zusammenschliessen und ihre Territorien abstecken, derweil die vernünftigeren unter der Bevölkerung sich ihrerseits zusammenschliessen würden, um die Verbrecher mit Feuer und Schwert auszutreiben.

>Eine Ohrfeige, die mir unterstellt wurde, war die, dass ich alle vergewaltigten Frauen verhöhnen würde, da ich den Vergewaltiger nicht selbstverständlich und sei es in Selbstjustiz, umbringen sondern möglicherweise sogar noch schützen würde.

Von Selbstjustiz war gar nie die Rede - die Diskussion dreht sich um Notwehr.

>Es gehört nicht unbedingt hierher, zur Erklärung aber dennoch: Ich bin selber 2x vergewaltigt worden.

Dies tut mir aufrichtig leid. Allerdings kann ich Deinen Standpunkt im Wissen darum noch viel weniger verstehen. Evtl. handelt es sich um die Folge eines nicht therapierten Traumas?

>2. Die Religionen, die ich am besten kenne ( Christentum, Hinduismus und Buddhismus ) sagen alleNICHT aus, dass wir unser Ego durch gewaltsame Aktionen fördern sollen und Gewalt irgendwann ein Mittel der Wahl sei.

Zum Christentum habe ich mich bereits weiter oben geäussert. Zum Hinduismus ein Zitat von Mahatma Gandhi:

"Among the many misdeeds of the British rule in India, history will look upon the act of depriving a whole nation of arms, as the blackest."

"Unter den vielen Missetaten der Britischen Herrschaft in Indien wird die Geschichte die Entwaffnung einer ganzen Nation als eine der schwärzesten ansehen."

Und als Vertreter des Buddhismus folgt nun der Dalai Lama persönlich:

"If someone has a gun and is trying to kill you, it would be reasonable to shoot back with your own gun."

"Wenn jemand eine Schusswaffe hat und versucht, Dich zu töten, dann wäre es vernünftig, mit Deiner eigenen Waffe zurückzuschiessen."

>Und nicht mehr als auf diese Freiheit, die göttlich ist, berufe ich mich.

Von mir aus darfst Du das ja auch, aber ich verlange, dass Du mir die gleiche Freiheit zubilligst! Auch wenn ich zu völlig konträren Schlüssen gelange.

Einerseits vertrittst Du hier den Standpunkt, dass es so etwas wie (absolut) Gut und Böse nicht gebe, andererseits aber glaubst Du ganz genau zu wissen, dass Notwehr etwas ganz furchtbar schlimmes sei! - Ich erblicke darin einen gewaltigen Widerspruch!

Angenommen, Du hättest Recht, dann lass mich doch einfach tun, was ich tun muss - denn passieren kann mir ja eigentlich nicht viel: Im schlimmsten Fall würde ich eben wiedergeboren - Na und, was soll's, wo bleibt dabei die Drohung?

Zudem schätze ich es nicht allzusehr, von Dir in die "Schämecke" gestellt zu werden: Verbrecher entschuldigst Du, Leute, die ihnen entgegentreten, sind aber fast schon der Leibhaftige...? Das kann's ja wohl wirklich nicht sein!

Im Grunde empfinde ich die Notwendigkeit, diese Diskussion überhaupt führen zu müssen, als Armutszeugnis - die Berechtigung und Verpflichtung zur Notwehr sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, die keiner weiteren Begründung bedarf.

mfG,

Swissman

P. S.: Elegant, wie Du Dich einmal mehr darum gedrückt hast, meine Fragen zu beantworten...


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