Die Taktik der USA und Irak

Geschrieben von King Henry am 24. März 2003 19:38:25:

Hallo,

habe mir ein paar Gedanken gemacht über die Taktiken der Angreifer und Verteidiger. Der ganze Krieg könnte uns helfen, im zukünftigen Konflikt das Handeln der Kriegsparteien besser einzuschätzen. Auch für einen Zivilisten nützlich, etwas von der Taktik der Militärs zu wissen.

Taktik des Irak:

1. Die Republikanischen Garden führen das Kommando über die regulären Truppen und sichern so die Disziplin der Armee. Mir fällt ein Vergleich ein: Die Rep. Garden gleich der "SS".

2. Der Süden wird überwiegend kampflos aufgegeben.

3. Die Truppen sind verteilt über die Dörfer

4. Mit Angriffen auf die Nachschubtruppen werden den Angreifern Verluste zugefügt und diese propagandistisch ausgeschlachtet.

5. Die Befehlsgewalt ist dezentralisiert. Die Befehlshaber wissen was zu tun ist, auch wenn die Kommunikation versagt.

6. Der Vormarsch der Amis und Briten kann nur in der Wüste schnell erfolgen. Zwischen den Strömen Euphrat und Tigris sollen ihnen stärkerer Widerstand entgegengesetzt werden.

7. Vor Bagdad soll ihr Vormarsch erfolgreich gestoppt werden. Flächendeckend ist dort die Verteidigung, so das auch Durchbrüche nichts nutzen. Die ersten Einheiten, die durch die Stellungen brechen, werden von überall unter Feuer genommen. Vergleichbar mit der 1. Schlachtreihe im Mittelalter etc.

8. Der Nachschubweg wird immer länger. Von Kuwait bis Bagdad über 500 km - diese Einheiten sollen angegriffen werden. Kampftruppen für dessen Schutz fehlen an der Front.

9. "Moderne" Waffen haben die Iraker noch gar nicht eingesetzt (ohne Gewähr), diese werden wohl erst in einer späteren Phase des Krieges eingesetzt (sie haben sich doch in Weißrußland eingedeckt?) Man denke nur an Fliegerfäuste wie z. B. SA-7 und Nachfolgemodelle ähnlich der amerikanischen "Stinger"; Panzerabwehrlenkraketen usw.

10. Die Luftwaffe wird möglicherweise später noch zum Einsatz kommen und den Angreifern erhebliche Verluste zufügen. Auch Kamikaze-Einsätze sind denkbar.

Der Irak hat Jahre lang Zeit gehabt, sich auf diesen Krieg vorzubereiten. Nun sehen wir, ob sie die Zeit sinnvoll genutzt haben, ob sie klug sind oder eben nicht.

USA:

1. Durch die Wüste sind die Truppen bis auf etwa 200 km an Bagdad herangekommen. Die Stadt soll genommen werden und man hofft, damit die Kapitulation erzwingen zu können.

2. Die Kämpfe im Süden binden nur wenige Truppen. Der Rest stößt weiter vor.

3. Die Luftherrschaft ermöglicht, Breschen zu schlagen und die Stellungen des Gegners zu durchbrechen. (Aber sie würden stecken bleiben, wenn der Verteidiger sich flächendeckend eingegraben hat)

4. Der Nachschub kann schnell erfolgen mittels Hubschraubern.

Mehr kann ich nicht schreiben, der Angreifer "muß das Spiel machen", wie man im Fußball sagt, der Verteidiger kann kontern.

Kampfmoral:

Irak: Sie kommen ins Paradies, wenn sie fallen. Doch diejenigen, die gegen Hussein sind, werden versuchen, aufzugeben oder zu desertieren. Die hohen Verluste verringern teils die Moral, teils jedoch wird sie gestärkt: Jetzt-erst-recht-Mentalität. Alles in allem unausgegoren. Hätte Hussein seine Armee mit großzügigen Privilegien ausgestattet, würden alle wie eine Eins hinter bzw. vor ihm stehen ...

Die Luftangriffe verstärken die Moral. Rache für getötete Zivilisten. Man denke an Deutschland ´45!

USA/GB: Die Soldaten wollen lebend und gesund wieder nach Hause. Dies verringert ihre Kampfmoral und hindert sie an stürmischen, riskanten Angriffen. Sie gehen zu vorsichtig vor.
Verluste sorgen für Verwirrung (Resignation und Jetzt-erst-recht, unterschiedliche Charaktere der Soldaten). Auf jedem Fall verlangsamt dies den Vormarsch.

Risikofaktor Streß: Zusammenstoß von Hubschraubern, Abschuß eines eigenen Flugzeuges, Amoklauf eines Soldaten. Es dauert einige Zeit, bis sich die Soldaten an die geänderten Umstände des Krieges gewöhnt haben. Der Motor muß sozusagen "warmlaufen". Die menschliche Psyche ist der unbekannteste Faktor eines Krieges. Dies trifft natürlich auch auf die Iraker und sonstige Krieger zu.

Das Wichtigste ist (laut Schädlich, "Held oder Feigling") die "Gruppen-Kohäsion", der Zusammenhalt der Gruppe. Kameraden, Freunde, die auf Leben und Tod zusammenhalten - egal ob sie für einen Diktator oder für die edelmütigen Demokraten kämpfen. Solange die Gruppe intakt ist, ist sie zu großer Leistung fähig und kann lange und ausdauernd kämpfen. Sogar bis zum letzen Mann (Vergleich: Waterloo, "Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht".)

Die große Frage ist, ob der Irak kapituliert, sollte die Hauptstadt verloren gehen. Er könnte den Widerstand fortsetzen bis zum Geht-nicht-mehr ähnlich wie Deutschland ´45. Solange nicht klar ist, das Hussein tot oder außer Landes ist, kann der Krieg weitergehen.

Die USA und GB können den Krieg gewinnen, wenn sie bereit sind, die Opfer zu tragen: Tote, Verstümmelte, Kosten, Materialverlust und Verlust des Politischen und religiösen Ansehens. Alles ist nur eine Frage der Zeit.

Bleibt anzumerken, daß Moskau und Peking interessierte Zuschauer sind. Die analysieren den Krieg und können die USA künftig besser einschätzen in Bezug auf Strategie und Taktik.
Folge: Die USA werden berechenbar. Ein erheblicher Nachteil.
(Vorteil ist aber die Kampferfahrung). Und auch Nordkorea wird wissen, wie die US-Truppen im Ernstfall kämpfen werden.

Laut Sun Tsu ist Unberechenbarkeit ein sehr wichtiger Faktor für den Sieg. Die beiden Angreifer verlieren mit diesem Krieg den Vorteil des Unbekannten. Das macht sie verwundbar in künftigen Kriegen. Moskau, Peking und Pjöngjang freuen sich.

Beste Grüße

Henry



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