Blitzkrieg, Bagdad und der weitere Verlauf des Krieges

Geschrieben von Andreas am 24. März 2003 21:19:32:

Als Antwort auf: Re: Die Taktik der USA und Irak geschrieben von Kamikatze am 24. März 2003 20:15:18:

>Vergiss das Ganze!
>Die Amerikaner haben bereits JETZT verloren,denn sie haben die Sympathien des irakischen Volkes verloren!
>Man kann sich also ausmalen,was passiert,falls es die Amis bis nach Bagdad überhaupt schaffen-
>sie haben dann das ganze Volk,die Bevölkerung Bagdads- gegen sich!
>Gruss,
>kamikatze,
>Abtlg.:"Dieser Krieg ist für die USA bereits verloren!"

Ich teile da eine etwas andere Ansicht. Trotz aller unglücklichen Pannen auf Seiten der Alliierten ist es heikel, nach fünf Tagen, von einem irakischen Sieg zu sprechen. Was den Medienkrieg angeht, so steht der Irak mit Sicherheit besser da. Allerdings darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass:

- auf jeden gefallenen alliierten Soldaten mehrere tote Irakis kommen.
- Die US-Luftwaffe die uneingeschränkte Lufthoheit hat und behalten wird.
- Das irakische Regime nicht nur gegen einen äusseren Feind sondern auch gegen zentrifugale Tendenzen innerhalb des Heeres zu kämpfen hat.
- Die Allierten nur noch wenige Kilometer vor Bagdad stehen. Irak ist nicht die Sowjetunion, die dank dem gewaltigen Raum Stalins Kräften das Überleben ermöglichte.
- Die USA sich anschicken werden, bald im Norden und im Westen des Landes weitere Fronten aufzubauen, um Husseins Abwehrfront um Bagdad zu zersplittern.

Die Amerikaner operieren im Grunde nach der von den Deutschen in der Anfangsphase des Zweiten Weltkrieges angewandten Blitzkriegsstrategie: Panzerkeile werden ohne Rücksicht auf offene Flanken durch unbesetzte Räume weit hinter die gegnerische Frontlinie getrieben. Die Luftwaffe versucht derweil die Kommunikation und Nachschubverbindungen zu unterbinden. Die umgangenen gegnerischen Verbände werden von den nachrückenden Kräften isoliert und schrittweise niedergekämpft.

Es sieht ganz dannach aus, als wollten die Allierten, Saddam frühzeitig zu einer Entscheidungsschlacht zwingen. Sie rechnen wohl damit, dass wenn das Machtzentrum mit seinen loyalsten militärischen und geheimdienstlichen Kräften einmal ausgeschaltet ist, der Kampf gegen die im Süden verbliebenen Einheiten um ein Vielfaches leichter ist. Dies erklärt das rücksichtslose Vorpreschen.

Andererseits ist zu sagen, dass der Irak sich bisher als überaus würdiger Gegner erwiesen hat. Von katastrophalen Auflösungserscheinungen scheint nicht viel zu spüren sein, es kämpfen sowohl reguläre Einheiten an der Front wie auch irreguläre Gruppen in den abgeschnittenen Ortschaften mit "List und mit Hinterlist". Die irakische Propagandamaschine versucht geschickt, Sympathien für das Regime zu mobilisieren ("Bauern schiessen AH-64-Helikopter ab.")
Trotzdem wird das bei den grossen Verlusten der irakischen Streitkräfte nicht für eine Pattsituation reichen. Die einzige Chance auf eine signifikante Verlängerung des Krieges, d. h. um Wochen, besteht in der Verlagerung des Kampfes in die Fünf-Millionen-Metropole Bagdad. Diese Lösung böte den bestmöglichen Schutz der eigenen Waffen (auf Kosten der Sicherheit der Zivilbevölkerung) und würde die überlegene Feuerkraft der Amerikaner herabsetzen. Die Kommunikationslinien wären kurz und die eigenen Einheiten stünden unmittelbar im Bannkreise von Saddam und seinen Sicherheitsdiensten. Allerdings müssten die irakischen Kräfte auch den Willen aufbringen, einen langen und mühseligen, aus unzähligen Einzelgefechten bestehend Abnützungskampf zu führen. Ausserdem wäre Saddam einer plötzlichen Rebellion grösserer Verbände gefährlich nahe.

Wenn Saddam ungeduldig die Entscheidungsschlacht einem raschen Sieg bereits vor bzw. ausserhalb Bagdads sucht, so wird eine solcher Versuch unweigerlich zu raschem Scheitern verurteilt sein. Die amerikanschen Truppen können aufgrund ihrer überlegenen Luftunterstüztung nicht aus dem raschen Manöver hinaus besiegt werden, eine Einkesselung grösserer amerikanischer Verbände ist aus meiner Sicht undenkbar, da jede umfassendere irakische Kräfteverschiebung sofort entdeckt und aus der Luft zerschlagen würde. Ein solches Vorgehen könnte allenfalls im Nordirak zum Erfolg führen, wo die amerikanischen Kräfte noch zahlenmässig relativ schwach und ohne schwere Panzer sind. Das Problem ist, dass die alliierten Truppen im Süden bereits so nah an das Machtzentrum Bagdad herangerückt sind, dass an eine potenziell erfolgversprechende Grossoffensive im Norden nicht mehr zu denken ist.

Ich persönlich rechne noch mit einigen taktischen Überraschungen, insbesondere mit dem verstärkten Einsatz von panzerbrechenden, Flugabwehrwaffen sowie schwerer (Raketen-)Artillerie auf irakischer Seite.

Wenn ich eine Prognose aufstellen müsste, würde ich folgendes sagen:
- Hat Saddam die Mehrzahl seiner Kräfte vor Badgad platziert, so wird es einen heftigen, aber relativ kurzen (mehrere Tage) Kampf mit raschem Sieg für die Alliierten geben.
- Wird Saddam die Mehrzahl seiner Kräfte in einer tief gestaffelten Staffelung über Bagdad "verstreuen", so steht ein langer und verlustreicher Abnützungskampf bevor.

Gruss
Andreas


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