Re: Eine Interessante Fragestellung...
Geschrieben von Hubert am 10. September 2002 13:27:14:
Als Antwort auf: Eine Interessante Fragestellung... geschrieben von Mulder911 am 10. September 2002 12:28:33:
Hallo Mulder911,
ich verstehe Deine Augen-zu-Einstellung durchaus. In Deutschland gibt es Hunderttausende von Gutmenschen, die über Jahre systematisch darauf hin dressiert wurden, die Wahrheit nicht mehr sehen zu können.
Der guten Ordnung halber darf ich vielleicht ein paar Zitate aus dem Buch „Die Wut und der Stolz“ von Oriana Fallaci zitieren (Seiten 23-27):
„Über den islamischen Fundamentalismus dagegen wissen wir heute alles. Keine zwei Monate nach der Katastrophe von New York bewies Bin Laden selbst, dass ich nicht zu Unrecht schreie: ‚Versteht ihr denn nicht, wollt ihr nicht verstehen, dass ein Umgekehrter Kreuzzug im Gang ist. Ein Religionskrieg, den sie Jihad, Heiligen Krieg, nennen. Versteht ihr denn nicht, wollt ihr nicht verstehen, dass der Wesen für sie eine Welt darstellt, die erobert bestraft zum Islam bekehrt werden muss.’ Er bewies es während der Fernsehansprache, bei der er einen schwarzen Ring zur Schau trug, dem Schwarzen Stein ähnlich, der in Mekka verehrt wird. In dieser Ansprache bedrohte er sogar die UNO und bezeichnete deren Generalsekretär Kofi Annan als ‚Kriminellen’. In dieser Ansprache schloss er die Italiener, die Engländer und die Franzosen in die Liste der zu züchtigenden Feinde mit ein. Dieser Ansprache fehlte nur die hysterische Stimme Hitlers oder die ordinäre Stimme Mussolinis, der Balkon am Palazzo Venezia oder die Tribüne auf dem Alexanderplatz. ‚Im Wesentlichen ist dies ein Religionskrieg, und wer das bestreitet, lügt’, sagte Bin Laden. ‚Alle Araber und alle Moslems müssen Partei ergreifen, wenn sie neutral bleiben, verleugnen sie den Islam’, sagte er. ‚Die arabischen und moslemischen Staatsoberhäupter, die in der UNO sitzen und deren Politik akzeptieren, stellen sich außerhalb des Islam, es sind Ungläubige, die die Botschaft des Propheten nicht achten’, sagte er. ‚Diejenigen, die sich auf die Rechtmäßigkeit der internationalen Institutionen beziehen, verzichten auf die einzige und authentische Rechtmäßigkeit, die Rechtmäßigkeit, die vom Koran kommt.’ Und weiter: ‚Die große Mehrheit der Moslems auf der Welt war zufrieden mit den Angriffen auf die Zwillingstürme. Das zeigen die Umfragen.’
Waren diese Pünktchen auf dem ‚i’ überhaupt noch nötig? Von Afghanistan bis zum Sudan, von Indonesien bis Pakistan, von Malaysia bis zum Iran, von Ägypten bis zum Irak, von Algerien bis zum Senegal, von Syrien bis Kenia, von Libyen bis zum Tschad, vom Libanon bis Marokko, von Palästina bis zum Jemen, von Saudi-Arabien bis Somalia wächst zusehends der Hass auf den Westen. Er lodert wie ein vom Wind angefachtes Feuer, und die Anhänger des islamischen Fundamentalismus vermehren sich wie die Protozoen einer Zelle, die sich teilt, damit zwei Zellen daraus werden dann vier dann acht dann sechzehn dann zweiundreißig. Und so weiter. Wer das im Westen nicht begreift, möge sich die Bilder ansehen, die uns das Fernsehen jeden Tag zeigt. Die Massen, die die Straßen von Islamabad, die Plätze von Nairobi, die Moscheen von Teheran überschwemmen. Die wütenden Gesichter, die drohenden Fäuste, die Plakate mit dem Bild von Bin Laden. Die Scheiterhaufen, auf denen die amerikanische Fahne brennt und die Puppe mit den Gesichtszügen von Präsident Bush. Die Blinden im Westen mögen sich das Jubelgeschrei über den Barmherzigen-und-zornigen-Gott anhören oder ihre Rufe Allah-akbar, Allah-akbar. Jihad-Krieg Heiliger-Jihad. Von wegen extremistische Randgruppen! Von wegen fanatische Minderheit! Millionen über Millionen sind sie, die Extremisten. Millionen über Millionen sind sie, die Fanatiker. Millionen über Millionen, für die Usama Bin Laden, lebendig oder tot, eine Khomeini ebenbürtige Legende ist. Millionen über Millionen, die nach Khomeinis Tod in ihm ihren neuen Führer, ihren neuen Helden erkannten. Gestern Abend sah ich Bilder von Moslems in Nairobi, einem Ort, von dem nie gesprochen wird. Sie drängten sich auf dem Marktplatz, mehr als in Gaza oder Islamabad oder Jakarta, und dann interviewte der Fernsehreporter einen alten Mann. Er fragte ihn: ‚Who is for you Bin Laden, wer ist Bin Laden für Sie?’, fragte der Reporter weiter. ‚We find another one, wir finden einen anderen’, erwiderte der Alte, ebenso glücklich. Anders gesagt, der Mann, der sie von Mal zu Mal anführt, ist nur die Spitze des Eisbergs: der Teil des Berges, der aus dem Abgrund aufragt. Und der wahre Protagonist dieses Krieges ist nicht er. Es ist nicht der sichtbare Teil, die Spitze des Eisbergs. Der Protagonist ist der überflutete, daher unsichtbare Teil des Berges. Ist jener Teil, der sich seit eintausendvierhundert Jahren nicht bewegt, nicht aus den Abgründen seiner Blindheit auftaucht, den Errungenschaften der Zivilisation seine Türen nicht öffnet, nichts wissen will von Freiheit und Gerechtigkeit und Demokratie und Fortschritt. Der Berg, der trotz des skandalösen Reichtums seiner Beherrscher (denkt an Saudi-Arabien) noch in mittelalterlichem Elend lebt, noch im Obskurantismus und Puritanismus einer Religion dahinvegetiert, die nichts als Religion hervorzubringen versteht. Der Berg, der im Analphabetismus ertrinkt (in den moslemischen Ländern bewegt sich die Analphabetismusrate zwischen sechzig und achtzig Prozent), sodass die ‚Nachrichten’ nur in Form von Karikaturen oder den Lügen der Mullahs zugänglich sind. Der Berg, schließlich, der uns die Schuld für seine materielle und intellektuelle Armut, seine Rückständigkeit und seinen Verfall in die Schuhe schiebt, da er insgeheim neidisch auf uns ist, sich insgeheim von unserer Lebensart angezogen fühlt. Der Optimist, der glaubt, der Heilige Krieg sei mit der Zerschlagung der Taliban-Regimes in Afghanistan zu Ende gegangen, der irrt sich. Der Optimist, der sich von den Bildern der Frauen in Kabul, die keine Burkah mehr tragen und mit unbedecktem Gesicht das Haus verlassen, die wieder zum Arzt, in die Schule und zum Friseur gehen können, blenden lässt, der irrt sich. Der Optimist, der sich damit zufrieden gibt, dass sich die afghanischen Männer nach der Niederlage der Taliban die Bärte kürzten oder abrasierten, so wie die Italiener nach dem Fall Mussolinis das faschistische Abzeichen ablegten, der irrt sich.
Er irrt sich, weil der Bart nachwächst und die Burkah wieder getragen werden wird: In den letzten zwanzig Jahren gab es in Afghanistan häufige Wechsel zwischen abrasierten und nachwachsenden Bärten, abgenommenen und wieder umgelegten Burkahs. Er irrt sich, weil die derzeitigen Sieger genauso zu Allah beten wie die Besiegten, weil sie sich eigentlich nur in der Frage des Bartes von den momentan Besiegten unterscheiden, und in der Tat fürchten die Frauen die einen genauso wie die anderen. Die derzeitigen Sieger verbünden sich mit den Besiegten, befreien sie wieder und lassen sich für eine Hand voll Dollar bestechen. Gleichzeitig bekriegen sie sich wild untereinander, wodurch sie Chaos und Anarchie Vorschub leisten. Doch vor allem irrt er sich, der Optimist, weil unter den neunzehn Kamikaze von New York und Washington kein einziger Afghane war und es für die zukünftigen Kamikaze andere Orte gibt, wo sie trainieren können, andere Höhlen, in die sie sich flüchten können. Schau die Landkarte an: Im Süden von Afghanistan liegt Pakistan, im Norden liegen die moslemischen Staaten der ehemaligen UdSSR, im Westen der Iran. Neben dem Iran liegt der Irak, daneben Syrien, und neben Syrien der Libanon, der mittlerweile auch moslemisch ist. Neben dem Libanon liegt das moslemische Jordanien, daneben das ultramoslemische Saudi-Arabien, und jenseits des Roten Meeres liegt der afrikanische Kontinent mit all seinen moslemischen Ländern. Ägypten und Libyen und Somalia, um nur einige aufzuzählen. Mit seinen alten und jungen Leuten, die dem Heiligen Krieg applaudieren. Im übrigen ist der Konflikt zwischen uns und ihnen nicht militärischer Art. Es ist ein kultureller, ein intellektueller, ein religiöser, ein moralischer, ein politischer Konflikt (ein Konflikt, der zwischen demokratischen und tyrannischen Ländern besteht und immer bestehen wird), und unsere militärischen Siege können die Offensive ihres unheilvollen Terrorismus nicht stoppen. Im Gegenteil, sie fordern sie heraus, verschärfen sie, verstärken sie. Das Schlimmste steht uns noch bevor: die Wahrheit. Und die Wahrheit liegt nicht notwendig in der Mitte. Manchmal ist sie ganz auf einer Seite.“
Herzlichst,
Hubert
Et en passant: Oriana Fallaci ist bekennende Atheistin.
- Re: Eine Interessante Fragestellung... eine Ergänzung Freiwild Freiwild 10.9.2002 22:22 (2)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... eine Ergänzung Mulder911 10.9.2002 23:00 (1)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... eine Ergänzung Freiwild 11.9.2002 00:54 (0)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... Mulder911 10.9.2002 15:26 (5)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... Hubert 10.9.2002 17:44 (4)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... Mulder911 10.9.2002 18:21 (3)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... Hubert 10.9.2002 18:51 (2)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... Spookey 11.9.2002 09:05 (0)
- Re: Eine Interessante Fragestellung... Mulder911 10.9.2002 19:40 (0)
- Kleine Sentenz am Rande... Hubert 10.9.2002 13:52 (1)
- Wie heißt es jetzt.... DaveRave 10.9.2002 14:29 (0)