Was können wir aus dem Untergang der Titanic für unsere Zeit lernen ?
Geschrieben von Bonnie am 09. August 2006 14:39:33:
Viel, meine ich..
Jedes sozialwissenschaftliche Modell, das die Natur des Menschen nicht berücksichtigt, geht nicht nur haarscharf, sondern massiv an der Realität vorbei. Deshalb hat auch der Kommunismus nicht funktioniert und wird auch nicht funktionieren. Aber das nur am Rande.
Zur Titanic. Wenn man die Einzelheiten des Ereignisses betrachtet, wird klar, wie wir tatsächlich funktionieren und warum uns sowas immer wieder passieren kann / muß / wird..
Warum hatte die Titanic sowenig Rettungsboote ?
Die Titanic war vorschriftsmäßig ausgerüstet. Es gab eine Verordnung, die besagte, daß Schiffe ab einer bestimmten Größe eine bestimmte Anzahl an Rettungsbooten haben mußte. Nun kam die Verordnung der Realität, in der die Schiffe immer größer gebaut wurden, nicht mehr nach. Die Schiffe trugen dann ja auch so bezeichnende Namen wie Titanic. Das Schwesterschiff sollte Gigantic heißen, wurde dann aber nach dem Unglück doch Britannic genannt. Die Gigantomanie hatte einen Dämpfer erhalten.
Jedenfalls war die Zahl und Kapazität der Rettungsboote vorschriftsmäßig.Lektion daraus: Auf die Bürokratie kann man sich im Ernstfall nicht verlassen.
Kleine Anmerkung am Rande: Bei der späteren Untersuchung, in der die Ursachen des Unglückes herausgefunden werden sollten, wurde nicht die Zahl und Kapazität der Rettungsboote als "Ursache" aufgezählt. Man fürchtete Schadenersatzklagen.
Mit der Anzahl und Kapazität der Rettungsboote hätte man nicht die gesamte Mannschaft und alle Passagiere retten können, das weiß man. Aber es hätten sehr viel mehr gerettet werden können, wenn man sie ausgenutzt hätte. So stellt sich die nächste Frage:
Wieso waren die Rettungsboote nicht voll besetzt ?
Nur eins der 16 Rettungsboote (wieso muß ich bei dem Wort "Rettungsboote" immer an Bunker denken ? In D ist man - glaube ich - für 3% der Bevölkerung "bestückt", die Schweiz hat für 100% der Bevölkerung einen Bunkerplatz) war voll belegt. Alle hatten eine Kapazität von 65 Personen, das erste Rettungsboot, das herabgelassen wurde, war mit 19 Personen besetzt. Die übrigen waren ähnlich ausgelastet, dabei hätte man sogar 70 pro Boot retten können. Antwort: Es erschien den Passagieren sicherer, auf der großen und komfortblen Titanic zu bleiben, auch wenn sie (angeblich ??!) unterging. Man muß sich den Vergleich vorstellen: Das megagroße, luxeriöse Schiff gegen die kleine Nußschale, das man Rettungsboot nannte. Zumal draußen fürchterliche Temperaturen um 0 Grad herrschten. Da bleibt man doch lieber an Bord der Titanic und lauscht dem Orchester..Lektion daraus: Erklärt sich von selbst.
Wieso haben die Rettungsboote die ertrinkenden Passagiere nicht aufgenommen?
Die Besatzungen der Rettungsboote befürchteten, daß die Ertrinkenden das Boot zum Sinken bringen würde. Die Befüchtung ist ja nicht von der Hand zu weisen, aber wenn alle Rettungsboote in den relevanten 20 Minuten zu den Ertrinkenden gerudert wären, hätte man ohne Gefährdung doch sehr viel mehr retten können. Wenn ein einziges Rettungsboot dahin gerudert wäre, wäre es sicherlich überlastet gewesen. Die Situation hinterläßt einen bitteren Nachgeschmack, denn in den Rettungsbooten saßen die Frauen der Männer, die in Hörweite ertranken.. Vielleicht war aber auch die eine oder andere ganz froh, den Alten loszuwerden. Hinterher gab es dann viele reiche Witwen.
Lektion: Menschen sind anscheinend in Not nicht zu vernünftigen Aktionen fähig und außerdem sind Menschen Schweine (auch Frauen).
Gab es keine Eisbergwarnungen oder wurden sie nicht weitergegeben ?
Hier kommen wir zu einer sehr schönen Parallele zur heutigen Zeit: Ja, es gab Eisbergwarnungen und ja, sie wurden weitergegeben. Es gab drei Tage lang soviele Eisbergwarnungen, daß man völlig genervt war und schon nicht mehr hinhörte. Kann sein, daß die eine oder andere Eisbergwarnung nicht mehr weitergegeben wurde. Einmal wurde sogar das Funkgerät mitten in der Meldung ausgestellt. Ich nehme an, man war genervt von Eisbergwarnungen.
Lektion: Wir sollten die Eisbergwarnungen ernst nehmen, auch wenn wir schon genervt sind ;-)
Das Wrack der Titanic wurde in den 80igerJahren gefunden. Bis dahin glaubte man einige falsche Sachen. Bsp. daß die Titanic in einem Stück untergangen war und daß die Titanic vom Eisberg aufgerissen wurde. Jetzt weiß man, daß die Nieten geplatzt sind und daß sie in 2 Teile zerbrochen war.
Warum glaubte man, daß die Titanic in einem Stück untergegangen war ?
Weil der ranghöchste überlebende Offizier das behauptete. Andere Augenzeugen haben beobachtet, daß die Titanic beim Sinken in zwei Teile zerbrach und sie hatten recht. Aber sie waren nicht so ranghoch und sie hatten keinen Titel, deshalb glaubte man ihnen nicht.
Lektion: Wenn man in der Rangordnung niedrig ist, wird einem auch die Wahrheit nicht geglaubt.
Mittlerweile hat jedes Schiff Rettungskapazität, die 25% über der Auslastung liegt. Rettungsbooteinsatz etc. wird regelmäßig geübt. DAS wird also IN DER FORM nicht wieder passieren. Aber eben nur DAS.
Liebe Grüsse, Bonnie
PS Die Einzelheiten des Titanicunglücks habe ich kürzlich gelesen und jetzt aus dem Gedächtnis geschrieben. Kann also sein, daß das eine oder andere etwas falsch ist. Mir kam es auf die Erkenntnisse an, die man daraus ziehen kann und auf die Parallelen zur heutigen Situation. Vielleicht fallen euch ja auch noch einige auf.
Antworten:
- Was können wir aus dem Untergang der Estonia lernen ? Odin 10.08.2006 09:45 (2)
- Re: Was können wir aus dem Untergang der Estonia lernen ? detlef 10.08.2006 18:58 (0)
- Was können wir aus dem Untergang der München lernen ? MaX 10.08.2006 15:21 (0)
- War es denn die Damast u Co 09.08.2006 19:53 (1)
- Re: War es denn die Bonnie 09.08.2006 21:49 (0)
- Re: Was können wir aus dem Untergang der Titanic lernen ? Alceste 09.08.2006 18:34 (3)
- Re: Was können wir aus dem Untergang der Titanic lernen ? Bonnie 09.08.2006 22:23 (0)
- Re: Was können wir aus dem Untergang der Titanic lernen ? Murphy 09.08.2006 18:52 (1)
- Re: Was können wir aus dem Untergang der Titanic lernen ? Alceste 09.08.2006 19:10 (0)
- die kette der Fehler war noch länger.... schlumpf 09.08.2006 16:53 (1)
- Re: die kette der Fehler war noch länger.... Bonnie 09.08.2006 22:12 (0)
- Interessant u. lehrreich - vielen Dank! (n/t) Vedanta 09.08.2006 15:36 (0)