Leider haben sie ziemlich recht - fast... Reflexion am Sonntagmorgen

Geschrieben von Micha aus dem Süden am 29. Oktober 2006 12:43:36:

Als Antwort auf: Die Apokalyptische Matrix - Kommt es zu einem Krieg der Religionen? geschrieben von Fred Feuerstein am 28. Oktober 2006 13:19:16:

Erstmal - echtes Fundstück das, Glückwunsch! Klasse fürs Forum hier!

Ein fundierter Text, der das Hauptproblem dieser Tage treffend zusammenfasst: fundamentalistische Christen, Juden und Moslems stiegern sich gegenseitig in die Apokalypse-Spirale. Dass Buddhisten und Hindus dazuaddiert werden, teils mit abenteuerlichen konstruktionen - nunja, so sind halt die Trimondis. Seit sie mal 'ne freundliche Abfuhr vom Dalai Lama gekriegt haben, sind sie nicht mehr gut auf ihn zu sprechen und speien Gift und Galle auf ihn. teilweise schon peinlich.
So führen Trimondis die Spannungen zwischen Buddhisten und Moslmes von Nepal bis runter nach Thailand als Beweise ihrer Thesen an - aber weder ist der Dalai Lama für diese Buddhisten irgendwie zuständig, noch haben diese buddhistischen Tradtionen was mit tibetischem Buddhimus zu tun (bis auf Nepal), noch gehen diese Spannungen von Buddhisten aus - und das ist das Wichtigste - es sind fanatische Moslems, die Ärger machen. Die Buddhisten leben ihr Leben, wie schon immer.

Entscheidend: DIE WIEDERKEHR DES RELIGIÖSEN und das Problem DER STREIT DER RELIGIOEN.

Ich habe da eine andere Vision, als die Trimondis:

Der Säkularismus hat uns im Westen von der dogmatischen Diktatur der Religionen befreit. Das war eine zivilisatorische Großtat und Grundlage einer ganzen Epoche mit großen Errungenschaften, die ohne die Überwindung religiöser Dogmatik nicht möglich gewesen wären: Medizin, die Erforschung des Weltalls, bis hin zu Internet, Navigationssystem und Audi TT ;-).

Aber jetzt stehen wir im Übergang in eine neue Zivilisationsepoche - der Globalen Gesellschaft, "Globopolis". Und hier zeigt sich einerseits, dass der Säkularismus seine Grenzen hat, wenn es darum geht, Menschen "für das Gute" zu motivieren. Mit Menschen, die auf nur der Welt sind, um Spaß zu haben, lassen sich keine funktionierenden Gesellschaften bauen - Gesellschaften brauchen Werte-Grundlagen. Solche hatte der Humanismus in der Auseinandersetzung mit der Religion zwar auch formuliert (heute sind es z.B. die Menschenrechte), aber wenn es um die tägliche harte Arbeit am eigenen Charakter geht, um Methoden zur Überwindung eines jeden inneren Schweinehundes, da sind nun mal die Religionen nicht verzichtbar mit ihrem Wissen vom Menschsein und ihren tausenden Jahren von Erfahrung. Der Humanismus kann werte rational begründen, aber die Religionen schaffen emotionalen Zugang zu der Dimension im Menschen/ im Kosmos, die allen Werten zugrundeliegt - je nach Religion interpretiert als "Gott", "offene Weite des Geistes", "Chi"...

Daher die Wiedergeburt des Religiösen - Religion wird schlicht gebraucht.
Nur - in der globalen Zivilisation braucht es globale Werte, gemeinsame Werte, sonst funktioniert sie nicht (und das erleben wir gerade - Dysfunktion). Können sich die Religionen auf Gemeinsamkeiten einigen - als Kollegen kooperieren, statt als Konkurrenten gegeneinander zu arbeiten? Es gibt Tendenzen dahin (z.B. Küng und das Weltethos) - und das bedeutet weit mehr, als das von den Trimondis skiziierte Austasuchen von freundlichen Worthülsen im interreligiösen Dialog. Da sind sie nicht auf der Höhe der Zeit.

Viel stärker werden derzeit aber jene Kräfte, die zurückrudern in das Zeitalter vor der Aufklärung, die wieder religiöse Diktaturen errichten wollen. teils, weil die gesellschaften die Aufklärung und Modernisierung überhaupt noch nicht durchlaufen haben (Arabien, Asien), teils aus weit verbreiteter Dummheit (USA).

Solche Diktaturen werden sich aber nicht halten können, weil sie evolutionär nicht mehr ins Muster passen. Sie werden zusammenbrechen - wahrscheinlich, weil zu ihrem Muster auch dazugehört, andere Religionen zu bekämpfen, damit die eigene Wahrheit nicht durch die Konkurrenz anderer Wahrheiten bedroht wird. Diesen kampf wird aber niemand gewinnen, Kriege kann man heute nicht mehr gewinnen.

Wenn es nicht auf friedliche Weise zu einer globalen Kooperation der Religionen kommt, dann auf die typische Weise (der auch UN und EU ihre Existenz verdanken): nachdem sich im Krieg alle dermaßen erschöpft haben, dass der Krieg nichrt mehr weiter geführt werden kann, werden sie übder die Verluste erschrecken. man wird auf allen Seiten die Hetzer erkennen, beschuldigen, bestrafen, und die Vernünftigen werden die Oberhand bekommen, um die Welt wieder in Ordnung zu bringen. So wird die Globopolis entstehen.

Wie lange die Vernunft dann regieren wird? So lange, wie die Erinnerung an den Irrsinn des globalen Kriegs (um die Dominanz einer Religion/Kultur) noch lebendig ist.

Und dann kommt der nächste Schritt der Geschichte ;-)

Schönen Sonntag wünscht allen

Micha aus dem Süden



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