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Eine Frage des Gottesbildes (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 10.12.2014, 21:23 (vor 3433 Tagen) @ Tannenbaum (1875 Aufrufe)

Hallo!

der nicht persönlich aufgefaßt werden sollte

Gewiß nicht.

Das soll nur als Denkanregung dienen, nicht zur Mission oder nicht für einen ellenlangen Megathread über Glaubensfragen.

Der läßt sich bei solche Fragestellungen wahrscheinlich nicht vermeiden.

Zunächst ist festzustellen, daß die Bibel ein willkürlich nach den Vorstellungen der frühen Kirchenfürsten zusammengestelltes Konglomerat von Texten aus verschiedenen Zeiten ist, deren ursprüngliche Quellen ausnahmslos im Dunkeln liegen oder deren Autorschaft mindestens zweifelhaft ist. Die Behauptung, sie stamme von Gott, läßt sich nur aufrecht erhalten, wenn man alle berechtigte Skepsis fallen läßt, die man gegenüber jeden anderen historischen Schriftstücks walten zu lassen gewillt ist.

Dann stellt sich mir die Frage, wie dieser Gott beschaffen sein soll, wenn er einem Bücher diktiert. In meinem Bild der Welt wirkt ein solcher Gott viel zu flach und vermenschlicht. Man zieht in einfach auf das eigene Niveau herab, um ihn einerseits begreifbarer zu machen, andererseits sich selbst ihm ähnlicher. Gott steht über der Welt und ist die Quelle, aus der die Urkraft strömt, die alles durchwirkt und die Gesetze bestimmt, nach denen sich hier alles ordnet. Er ist nicht personal. Er (besser wäre "Es") würde niemals auf solch platte Weise in seine Schöpfung eingreifen.
Natürlich gibt es andere Quellen aus höheren Ebenen, die Offenbarungen übermitteln können. Hier stellt sich aber die Frage nach deren Qualität, der Qualität der Übermittlung und der Qualität der Dokumentation, wie bei jeder Seherschau oder wie z. B. bei Lorber, Jahenny, Lueken und anderen Empfängern von Botschaften.
Nicht zuletzt, weil die Bibel ein Konglomerat mit verschiedenen dunklen Ursprüngen und Einflüssen ist, meine ich aber, daß die meisten Texte gar nicht höheren Ursprungs sind.

Ich behaupte: Ein Buch von Gott kann es gar nicht geben! Nun steinigt mich. ;-)
Mir scheint, das ist eine fixe Idee, die das Abendland von den magischen Religionen des nahen Ostens übernommen hat, die aber gänzlich unfaustisch ist. Gott ist größer als das, nämlich der Inbegriff der Unendlichkeit und Ewigkeit, das überpersönliche Gegenstück zum persönlichen "Ich" des faustischen Menschen, der seit seinem Erwachen mit Gott, der Welt und dem Schicksal hadert. Aber selbst dieses gewaltige Gottesbild wird ihm nicht gerecht. Daher kann "er" auch keine Bücher diktieren. Jede Quelle einer Offenbarung läßt sich zwischen dem Ich und der unbegreiflichen Ewigkeit Gottes verorten. Wenn man sagen kann, "das stammt 'aus' Gott" oder "das ist Gott", dann ist er es eben nicht. Wer vom "Wort Gottes" redet, pfeift Glaubensdogmen nach, ohne sie je tief reflektiert zu haben.

Prophezeiungen sind nicht über Zweifel erhaben, wenn sie der Bibel ähneln. Vielmehr sind solche Ähnlichkeiten Hinweise auf religiöse und kulturelle Einflüsse oder ganz banal auf Abschreiben.

Mit diesen Zeilen werde ich wahrscheinlich einige schriftgläubige Christen auf die Palme bringen.
Ich bin jedoch weit davon entfernt die Bibel in die Tonne zu stopfen. Sie muß aber, wie alles von Menschen gemachte oder überlieferte differenziert betrachtet werden. Nicht zuletzt sind ihr bedeutende Aussagen zu entnehmen. Allerdings dürfte einiges wegbrechen, wenn der Nimbus des Gotteswortes verweht.

Das führt übrigens zu ganz anderen Problemen, wenn es um die Frage der Reconquista und der Renaissance des Abendlandes geht. Das grundsätzliche Problem der Prophezeiungen über einen Wiederaufstieg der Kirche liegt darin, daß die kirchliche Lehre (zurecht) derart diskreditiert und die Fundamente so in Zweifel gezogen sind, daß sie in der vorliegenden Form niemals wieder genügend Menschen begeistern können, um religiöse Grundlage der europäischen Völker zu werden. Die Herrschaft des Verstandes, der auch in mir und uns hier mächtig ist, hat tief Fuß gefaßt und alles Zweifelhafte der Überlieferung erkennbar gemacht. Ein Rückschritt ist ebensowenig möglich wie ein Greis sich in den Zustand eines Jünglings zurückversetzen und alle Lebenserfahrungen vergessen machen kann.
Zudem machen sich die Kirchen, katholisch wie protestantisch, gerade für alle Zukunft als Institutionen, auf die man bauen kann, unmöglich, indem sie sich dem linken Zeitgeist andienen und ihre Traditionen fallen lassen. Das europäische Christentum ist reif für einen Totalabbruch. Ein Neubau ist nicht möglich durch neue menschengemachte Ideen, die als solche ebenfalls angezweifelt werden können, mögen sie auch noch so richtig sein. Im Grunde bedarf es tatsächlich einer gottgleichen Erscheinung oder einer heilenden Injektion aus dem Urgeistigen, etwas das über jeden Zweifel erhaben ist und dauerhaft alle erfaßt.
Ein Staat ist mit dem, was wir im Augenblick haben, nicht mehr zu machen. Selbst wenn uns die Verjüngung gelänge, bliebe das Dubiose der alten religiösen Fundamente erhalten.

Auch das immer wiederkommende Pseudoargument, daß das Buch des Propheten Daniel nicht wahr sein könne, weil dessen Prophetien tatsächlich eingetreten sind, und es also "später geschrieben" sein muß, klingt irgendwie absurd in einem Forum, wo es um Schauungen geht.

Deine Behauptung ist eine völlige Tautologie: "Das Buch ist wahr, weil es eingetreten ist." Oder andersherum: "Es ist eingetreten, weil es wahr ist." Die Möglichkeit, daß es anders sein könnte, wir noch nicht mal in Betracht gezogen. Für einen logisch denkenden und nach Erkenntnis strebenden Menschen ist das einfach inakzeptabel.
Wenn man voraussetzt, daß die Bibel Gotteswort ist, kann man natürlich nur zu solchen Schlußfolgerungen gelangen, während man, wenn man sie als Menschenwerk erachtet, noch die Möglichkeiten sieht, daß Teile falsch sind, andere richtig, daß Teile gefälscht sind, andere authentisch und daß, auch wenn der Ursprung dubios ist, der Inhalt bisweilen Zustimmung verdient hat. Man ist nicht genötigt, auch den Unsinn zu glauben, weil es geschrieben steht, was letztlich ja auch unbiblisch wäre. => "Prüft alles! Das Gute behaltet!" (1 Thess 5,21)

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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