Nun, beginnen wir die Diskussion über die Gesetzmäßigkeiten

Geschrieben von Badland Warrior am 05. Januar 2005 16:19:50:

Als Antwort auf: Re: Einspruch stattgegeben, oder doch nicht? geschrieben von Alceste am 05. Januar 2005 15:12:12:

Moin, Alceste!

Danke dir für die Antwort. Erstmal ein Lob. Du hast eine hervorragende Art, zu argumentieren. Es wird mir ein Vergnügen sein, mit dir zu kommunizieren.

B.: >Ich widerspreche energisch. Es gibt Gesetzmäßigkeiten der Geschichte.
A.: Dahinter würde ich jetzt mal ein Fragezeichen setzen, gebe aber gleichzeitig zu, daß Deine Ansicht von erlauchten Geistern (Marx, Hegel, Spengler, Toynbee) geteilt wird.
B.: Eine schöne Differenzierung. Gut, über die Tatsache an sich kann man verschiedener Meinung sein. Ich behaupte jedenfalls, dass dem so sei. Ich nehme an, du hast auch meine anderen Beiträge gelesen. Ich finde es erstaunlich, dass außer mir hier noch jemand Toynbee kennt. Respekt.
A.: Ich bin anderer Ansicht, und meine, daß wir beide, jeder auf seine Weise, etwas vertreten, was als dogmatisch bezeichnet werden muß, da keiner der beiden Ansätze wirklich überprüfbar ist. Ein weites Feld also, um sich mit Feuer und Hurrahhh zu streiten. ;-)))
B.: Stellen wir uns mal folgende Szene vor: Wir beide in einer Bibliothek mit Kamin, in bequemen Sesseln, Pfeife rauchend, Tee trinkend, und nebenbei die Fragen der Geschichte diskutierend. So Gentleman-mäßig, das hat Stil, finde ich.:-))) Dogma klingt unangenehm. Sagen wir, wir haben beide unsere jeweils ubjektiven Gründe, die Angelegenheit von verschiedener Warte aus zu betrachten.
>So sind in der Regel die Befreier von heute die Tyrannen von morgen. Siehe auch russische Oktoberrevolution, oder Kuba. Oder: Geschichte verläuft in gaussschen Kurven: alle Reiche und Herrschaftssysteme, alle Kulturen unterliegen dem Gesetz von Entstehung, Höhepunkt und Zerfall. Siehe auch Widowson und Beasley
A.: Würdest Du es wagen, daraus eine klare, eindeutige und folglich überprüfbare Prognose abzuleiten, für uns und den Rest der Welt?
B.: Ja. Das tu ich auch hiermit. Bis zum Jahre 2012 wird es die heutige Zivilisation nicht mehr geben. Die Industrienationen und Entwicklungsländer werden völlig ruiniert sein, und entweder hatten wir dann schon ein Dark Age oder wir sind dann mitten drin. Ferner prognostiziere ich den Tod von mindestens Drei Vierteln der Weltbevölkerung.
>Je mehr Daten, Fakten und Hintergründe man hat, desto genauer kann man prognostizieren.
A.: Du setzt voraus, daß Deine Datensätze die Wirklichkeit annähernd richtig beschreiben. Ich bestreite das mit dem Hinweis, daß Du und wir nicht wissen, nicht einmal ahnen können, was sich demnächst und in fernerer Zukunft alles an Erkenntniszuwachs ergibt.
B.: Die fernste Zukunft, lieber Alceste, ist mir zu hypothetisch. Was im Jahre 3000 sein wird, im Jahre 3.500 oder im Jahre 7000, darüber spekuliere ich nicht, das ist höchstens ein schöner Aufhänger für Science Fiction oder Fantasy,meiner Meinung nach, wobei ich beide Literaturgattungen sehr schätze.
Ich denke, dass meine Datensätze schon recht genau sind, wenn auch unvollständig, und mir zumindest gestatten, grob zu prognostizieren, was geschieht. Ob zwischendurch Asteroiden irgendwo einschlagen und wo genau mit welcher Wucht, ob und wann der Teide oder der Cumbre Vieja ins Meer rutscht, ob und wann die Russen einmarschieren, kann ich nicht sagen. Das sind für mich Unschärfen. Sie entsprechen aber wohl, nehme ich an, den Unwägbarkeiten, von denen du sprachst, ist das richtig?
A.: Um Deinen Ansatz aufrechterhalten zu können, müßtest Du m.E. jetzt schon sagen können, was die Wissenschaft - ich bitte Dich, das Gewicht dieses Wortes sorgfältig abzuwägen - in 1,2,3 und mehr Jahren so alles ans Tageslicht befördern wird.
B.: Da widerspreche ich dir mehrfach. Ich kann dir NICHT sagen, was die Wissenschaft in zwei oder drei Jahren hervorbringen wird oder entdecken wird. Ich sage lediglich, dass Geschichte Gesetzmäßigkeiten aufweist. Die korrekte Antithese zu „Zivilisationen entstehen, erreichen ihren Zenit und verfallen dann, um sich aufzulösen“, wäre „Es gibt Zivilisationen, die sich seit Anbeginn ihrer Entstehung auf gleichem Niveau gehalten haben.“, mit Beweisführung. Oder eine andere Antithese: „Es ist möglich, dass Zivilisationen sich immer weiter nach oben entwickeln.“ Das ist die gängige technokratisch-optimistische These, bei der mir, gelinde gesagt, übel wird, weil sie die fortschreitende Zerstörung des Planeten und das immer stetiger ansteigende soziale Elend negiert oder schlicht außer Acht lässt.
>Natürlich gibt es auch Variablen.
Alceste: Und ob! Diese Variablen werden Deine Ausgangshypothese von der Vorhersagbarkeit der Geschichte gründlich über den Haufen werfen. Erlaube bitte, daß ich Dich an dieser Stelle auf einen fundamentalen Widerspruch in Deiner Argumentation aufmerksam mache:
B.: Lieber Alceste, ich danke dir, dass du mich da auf eine Ungenauigkeit aufmerksam gemacht hast. Es muss natürlich heißen „Unschärfen“ und nicht unbedingt „Variablen“. Das könnte als Widerspruch scheinen, muss aber nicht. Ich wies bereits auf meine Aussage hin, dass bis 2012 die Zivilisation aufgehört hat, zu existieren. Daran ändert auch nichts, ob nun ein Asteroid einschlägt, oder zwischendurch ein Russeneinmarsch stattfindet. Es gäbe auch so genügend Gründe, weshalb sie bis dahin aufgehört haben wird, zu existieren.
A.: Entweder ist die Geschichte vorhersagbar oder es gibt intervenierende Variablen, die alle Prognosen über Bord schmeißen.
B.: Ich dagegen behaupte etwas anderes: Beide Positionen sind nicht starr. Die Geschichte ist nicht absolut und bis ins allerkleinste Detail vorhersehbar. Das habe ich auch nie behauptet. Sie ist aber auch nicht absolut und völlig unberechenbar. Ich behaupte, dass die Variablen lediglich zum Zeitablauf beitragen und zur Zwangsläufigkeit der Ereignisse. Ein Rind, das auf dem Weg zum Schlachthof ausbüxt, kann das Pech haben, überfahren zu werden. Sterben wird es sowieso. Dass sie sterben wird, liegt in der Natur der Sache. Sowohl der Sterblichkeit an sich, als auch darin, dass die kuh nunmal den menschlichen Gegebenheiten unterworfen ist. Sie wird nicht morgen zum Papst ernannt werden (obwohl das meines Erachtens auch nicht viel ändern würde, humoriger Einwurf am Rande)
A.: Meine bevorzugte Variable kennst Du, es ist die vom unvorhersagbaren Zuwachs an Wissen und Erkenntnis. Das ist beileibe nicht die einzige, ich meine nur, daß es diejenige ist, die am sichersten ist, und die wir bis zurück ins Neandertal verfolgen können.
B.: Ich könnte jetzt auch den Spieß umdrehen, und behaupten, dass der Zuwachs von Wissen und Erkenntnis an sich eine Gesetzmäßigkeit sei. Ich muss allerdings zu meiner schande gestehen, dass ich noch nicht allzuviel von dir gelesen habe, was ich umgehend nachholen werde.
A.: Die anderen Aspekte, die alle extrapolierten Prognosen zunichte machen können, lasse ich, weil noch weniger vorhersehbar, beiseite; als da wären: Soziale Umwälzungen, Veränderungen der Population (Zuwanderung, Fertilitätsrate), Wirschaftskrisen, Eingriffe von außen (Naturkatastrophen) und nicht zuletzt das charakterliche/intellektuelle Rüstzeug der(s) jeweiligen Machthaber(s).
B.: Zu letzterem möchte ich konfuzius zitieren: „Selbst wenn jetzt ein Weiser an die Macht käme, würde es eine Generation dauern, bis sich etwas zum positiven veränderte.“ Ich bleibe weiterhin bei meiner These, dass Naturkatastrophen und dergleichen innerhalb der Gesetzmäßigkeit sind. Sie mögen Entwicklungen beschleunigen innerhalb der gaussschen Kurve, aber diese nicht außer Kraft setzen.
>Ein Teil davon kann von Prophezeiungen und Visionen abgedeckt werden, muss aber nicht. Ob jemand etwas richtig vorausgesehen hat, weiß man eh erst hinterher, und es muss dann ja auch die Chronologie stimmen. Sage ich jetzt mal.
A.: Daß man bei Prophezeiungen immer erst hinterher weiß, was richtig war und was nicht, unterschiedet sie fundamental von im weitesten Sinne wissenschaftlichen Ausssagen. Sie sind deshalb nicht wertlos, sondern haben lediglich eine andere Reichweite.
B.: In dem Punkt bin ich mit dir einer Meinung.

Badland Warrior



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