Re: Von der Gesetzmäßigkeit des Ungesetzmäßigen

Geschrieben von Alceste am 05. Januar 2005 20:27:55:

Als Antwort auf: Nun, beginnen wir die Diskussion über die Gesetzmäßigkeiten geschrieben von Badland Warrior am 05. Januar 2005 16:19:50:

N´Abend, Baddy,

bei den teils flegelhaften, teils hinterhältig mobbenden Verhaltensweisen, die wir mittlerweile auch in diversen Foren beobachten können, bekommt man nur selten ein Kompliment serviert. Und ich muß es jetzt leider zurückweisen. Toynbee habe ich nur auf gut Glück in die Debatte geworfen, weil irgendwo im hintersten Eck meiner Erinnerung etwas vor sich hin staubt, von dem ich mal gehört habe, daß....

>A.: Würdest Du es wagen, daraus eine klare, eindeutige und folglich überprüfbare Prognose abzuleiten, für uns und den Rest der Welt?
>B.: Ja. Das tu ich auch hiermit. Bis zum Jahre 2012 wird es die heutige Zivilisation nicht mehr geben. Die Industrienationen und Entwicklungsländer werden völlig ruiniert sein, und entweder hatten wir dann schon ein Dark Age oder wir sind dann mitten drin. Ferner prognostiziere ich den Tod von mindestens Drei Vierteln der Weltbevölkerung.

Auch ich halte dieses Szenario für nicht unwahrscheinlich, um es mal sehr vorsichtig zu sagen. Anders als Du meine ich jedoch, daß wir die Ursache vielleicht weniger in quasi naturgesetzlich obwaltenden und von uns nicht beeinflußbaren Mechanismen suchen sollten, sondern woanders. Eher dort, wo sich Macht und Geld konzentrieren.

Meiner Ansicht nach besteht, oder bestand eine Möglichkeit, die Katastrophe aufzuhalten. Ob auch jetzt noch, darüber bin ich sehr im Zweifel. Wahrscheinlich nicht; der Point-of-no-Return dürfte längst überschritten sein.

Nur würde ich bei der Frage, welche Ursachen das heraufziehende Unglück hat, sehr viel stärker als Du davon ausgehen, daß es im engeren und weiteren Sinn "hausgemacht" ist.

>B.: Die fernste Zukunft, lieber Alceste, ist mir zu hypothetisch. Was im Jahre 3000 sein wird, im Jahre 3.500 oder im Jahre 7000, darüber spekuliere ich nicht, das ist höchstens ein schöner Aufhänger für Science Fiction oder Fantasy,meiner Meinung nach, wobei ich beide Literaturgattungen sehr schätze.

Da habe ich mich ungenau ausgedrückt. Unter "ferner Zukunft" meinte ich die nächsten 10, 20, 30 Jahre.

>Ob zwischendurch Asteroiden irgendwo einschlagen und wo genau mit welcher Wucht, ob und wann der Teide oder der Cumbre Vieja ins Meer rutscht, ob und wann die Russen einmarschieren, kann ich nicht sagen. Das sind für mich Unschärfen. Sie entsprechen aber wohl, nehme ich an, den Unwägbarkeiten, von denen du sprachst, ist das richtig?

Ja!

>B.: Da widerspreche ich dir mehrfach. Ich kann dir NICHT sagen, was die Wissenschaft in zwei oder drei Jahren hervorbringen wird oder entdecken wird. Ich sage lediglich, dass Geschichte Gesetzmäßigkeiten aufweist.

Die Aussage halte ich für in sich widersprüchlich. Wenn wir mal annehmen, daß der Verlauf der Gechichte in erheblichem Maße von neuen Erkenntnissen und deren Anwendung bestimmt wird, diese aber - wie auch? - nicht vorherseh- und -sagbar sind, ist folglich auch die Geschichte nicht prognostizierbar.

Es sein denn, Du würdest die "Gesetzmäßigkeit des Ungesetzmäßigen" postulieren.

>Die korrekte Antithese zu „Zivilisationen entstehen, erreichen ihren Zenit und verfallen dann, um sich aufzulösen“, wäre „Es gibt Zivilisationen, die sich seit Anbeginn ihrer Entstehung auf gleichem Niveau gehalten haben.“, mit Beweisführung. Oder eine andere Antithese: „Es ist möglich, dass Zivilisationen sich immer weiter nach oben entwickeln.“ Das ist die gängige technokratisch-optimistische These, bei der mir, gelinde gesagt, übel wird, weil sie die fortschreitende Zerstörung des Planeten und das immer stetiger ansteigende soziale Elend negiert oder schlicht außer Acht lässt.

Selbst wenn Du recht hättest, würde ich Deine Ansicht nicht unbedingt übernehmen wollen, weil sie zu fatalistisch ist, und dazu verführen kann, Dinge zu akzeptieren, die man gar nicht akzeptieren müßte. Zum Beispiel den alles niederwalzenden, niederbombenden, perversen und kulturlosen Amerikanismus. Vielleicht würde Spengler darin sogar die Vitalität einer jungen, aufstrebenden Zivilisation erkennen, die sich wie viele andere zuvor ihren Platz an der Sonne erkämpft, auch wenn der Weg dorthin über einen Ozean von Leichen führt?

>B.: Ich dagegen behaupte etwas anderes: Beide Positionen sind nicht starr. Die Geschichte ist nicht absolut und bis ins allerkleinste Detail vorhersehbar. Das habe ich auch nie behauptet. Sie ist aber auch nicht absolut und völlig unberechenbar. Ich behaupte, dass die Variablen lediglich zum Zeitablauf beitragen und zur Zwangsläufigkeit der Ereignisse. Ein Rind, das auf dem Weg zum Schlachthof ausbüxt, kann das Pech haben, überfahren zu werden. Sterben wird es sowieso. Dass sie sterben wird, liegt in der Natur der Sache. Sowohl der Sterblichkeit an sich, als auch darin, dass die kuh nunmal den menschlichen Gegebenheiten unterworfen ist. Sie wird nicht morgen zum Papst ernannt werden (obwohl das meines Erachtens auch nicht viel ändern würde, humoriger Einwurf am Rande).

Sind diese Variablen mehr als Allgemeinsätze in der Art, "es vergeht, was besteht"? Ich bin skeptisch, was die Möglichkeiten betrifft, daraus halbwegs präzise Vorhersagen abzuleiten, lasse mich aber gerne eines besseren belehren - vielleicht werden wir noch erleben, wer von uns beiden recht gehabt hat?

>B.: Ich könnte jetzt auch den Spieß umdrehen, und behaupten, dass der Zuwachs von Wissen und Erkenntnis an sich eine Gesetzmäßigkeit sei.

Ja, aber die Gesetmäßigkeit des Ungesetzmäßigen.

>B.: In dem Punkt bin ich mit dir einer Meinung.

Nicht nur in diesem Punkt, aber ich muß das ja nicht gleich an die große Glocke hängen.

Alceste



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