Danke für alle Antworten

Geschrieben von Elisabeth am 26. Mai 2005 15:38:

Als Antwort auf: Bilder von gedemütigten Folteropfern geschrieben von Elisabeth am 25. Mai 2005 16:09:

Hallo Röde, Joe68, Badland Warrior, Tecumseh, detlef, Hinterbänkler, Wizard, Luggage, Harry!

Vielen Dank für eure Antworten. Sorry, da ich mich sonst ständig wiederholt hätte, hab ich versucht, es in eine Antwort zu packen, ist ein bisschen lang dadurch.

ich kenne dieses Forum erst relativ kurz, lese auch nicht viel mit (aus Zeitgründen), sondern lande halt hie und da mal zufällig hier und lese das eine oder andere Posting – der Beitrag stand auf der ersten Seite damals. Auch an Tecumseh – soweit ich mich erinnere, war es tatsächlich der erste Beitrag von dir, den ich gelesen habe, und aus der Überschrift war nicht klar, worum es darin ging und dass mich da solche Fotos erwarten. Und, wie gesagt, ich bin an einer inhaltlichen Diskussion dieser Themen interessiert, ich verschließ keineswegs meine Augen vor der Realität. Ich wollte auch eigentlich keinen Beitrag im Forum schreiben, weswegen ich ja gemailt hatte – da darauf keine Antwort kam, hab ich halt dann gepostet. Ich wünschte auch keine Löschung von Beiträgen, sondern die Herausnahme der Fotos bzw. die Unkenntlichmachung der Identität der Abgebildeten.
Dass niemand hier ein Folterbefürworter ist, braucht ihr mir nicht erklären.

Mir ist das Thema wichtig, ebenso wie es mir wichtig ist, z.B. gegen die unsägliche Formulierung von „ethnischer Säuberung“ vorzugehen – jede/r, der die gebraucht, stellt sich gegen die Opfer.
Dass ich die Augen schließe denke ich nicht – ich denke eher, dass wir genau durch die Masse derartiger Fotos abgestumpft werden. Auch in meinem Bekanntenkreis sind es eher die wenig- und Nicht-Fernseher, die sich wirklich Gedanken um diese Dinge machen. Den Schluss zu ziehen, nur weil ich mich gegen die Verbreitung solcher Fotos an Unterhaltungsmedien wende (Nachrichten dienen heute weniger als Information als als eine Art Gruselfilm), würde ich auch in der Realität wegschauen, das ist unzulässig, und ich habe das auch bereits einige Male widerlegt – ich habe mich bisher immer eingemischt, wenn ich ähnliche Dinge gesehen oder auch nur gehört hatte, egal ob ich gerade zu Fuß unterwegs war, in der U-Bahn saß oder in meiner Wohnung, und ich habe auch immer, wenn jemand ärztliche oder sonstige Hilfe benötigte, mich um ihn/sie gekümmert, und ich hatte auch z.B. während des Jugoslawienkriegs Kontakt zu Flüchtlingen von dort. Zeuge eines versuchten Raubüberfalls oder einer versuchten Vergewaltigung wurde ich allerdings noch nicht, von Belästigungen und körperlichen Auseinandersetzungen sehr wohl, und da hab ich mich auch immer eingemischt, es war auch schon mal nicht ganz ungefährlich.

Die Verbreitung solcher Bilder trägt eher dazu bei, dass das insbesondere von unreifen Jugendlichen als „Normalzustand“ angesehen wird. In Frankreich gab es das Phänomen von Massenvergewaltigungen von Schulmädchen als eine Art „Sport“, in England soll es derzeit „in“ sein, wildfremde Jugendliche im Bus einfach zusammenzuschlagen usw. Die Gewalt wird immer gesellschaftsfähiger – siehe auch die Postings von Joe68 und Wizard, wobei ich das Thema Gefängnis für straffällige Jugendliche bewusst ausklammere, das würde hier zu weit führen.
Ich hab auch ein weit besseres Bild von den Jugendlichen – meine Erfahrung ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber es waren Jugendliche aus der Unterschicht, zum Teil ausländische, und auch damals entsprachen sie schon nicht dem, was kolportiert wurde. Ich hab auch keine Angst, mich in meiner Stadt frei zu bewegen, obwohl es hier sehr viele Ausländer gibt. Solange das hier vor meinen Augen anders ist, sehe ich solche Meldungen zum Glück immer noch als die Ausnahme – es gibt Überfälle, Jugendliche die anderen Geld abpressen, Mobbing usw. – aber der „Normalfall“ ist es zum Glück nicht.
An Hinterbänkler – ich finde es auch nicht richtig, solche detailreichen Bilder der Kreuzigung Jesu überall anzubringen, zumal die von Kindern gesehen werden, die das überhaupt nicht verstehen können. Als religiöses Symbol reicht doch ein einfaches Kreuz, wenn man schon unbedingt ein Symbol braucht.

Natürlich wurden die Opfer nicht gefragt

Das finde ich eben nicht natürlich. Wäre ich ein solches Opfer, ich würde nicht wollen, dass ein derartiges Foto von mir um die Welt geht oder gar Filme. Aber es scheint schon eine Selbstverständlichkeit zu sein, solche Schicksale voyeuristisch auszunutzen. Ein Opfer einer Vergewaltigung ist aus westlich-europäischer Sicht einfach ein bedauernswertes Opfer einer Vergewaltigung, in bestimmten Kulturkreisen ist es aber nochmals viel schlimmer, ich weiß das, weil ich darüber lange Debatten geführt hatte – das Opfer gilt als beschmutzt und hat Schande über seine Familie gebracht, und es war aussichtslos dem, der mir das erklärte, eine andere Sichtweise nahezubringen, so sehr war diese Ansicht in seiner Mentalität verankert. Die „korrekte“ Reaktion wäre es nach dessen Ansicht gewesen, dass das Opfer seine Familie von dieser Schande befreit und sich das Leben nimmt. (Nichtsdestotrotz half er dem Opfer.)

Zu „Es ist die Realität, und die Realität kann man zeigen“: Wenn ich vergewaltigt oder sonstwie erniedrigt würde, hätte ich absolut kein Interesse daran, dass Bilder davon um die Welt gehen.
Zur Frage nach den verbrannten Leichen bei Unglücksfällen – ich brauche diese Bilder nicht, um mir das Elend vorstellen zu können. Ich habe viel über Tschernobyl gelesen, auch heute noch, sehr viele Schicksale, ich habe kein Bild eines Betroffenen gesehen, und mich berührt das, was dort passiert ist, dennoch, und ich kann mir das Elend vorstellen. Wenn wo ein Unglücksfall passiert, und es gibt zigtausend Tote, es wird geschildert, wie und woran sie starben – wozu brauche ich dann noch das Bild einer verbrannten Leiche?
Ich habe von den Konzentrationslagern und der ganzen Zeit des Natinoalsozialismus als Kind erfahren, ohne je einen Leichenberg gesehen zu haben, und es hat mich erschüttert, was ich erfahren habe. Ich habe das Thema auch nicht weggeschoben und mich durchaus damit auseinandergesetzt, auch Bücher gelesen wie Anne Frank zum Beispiel damals. Aber hätte ich solche Fotos als „Beweis“ gebraucht, so wäre es traurig.

Solche Bilder als Beweismittel gehören in die Hände von verantwortlichen Organisationen und Stellen, die sich damit befassen und Konsequenzen ergreifen, die den Opfern aus ihrer misslichen Lage helfen. Ich habe nie gefordert, Beweismittel zu vernichten – bloß dass sie nicht in falsche Hände kommen, die überhaupt kein Interesse haben, den Opfern zu helfen.
Ein Bild bestätigt mir gar nichts – eher seriöse Berichterstattung, die ihre Quellen prüft, und vor allem natürlich die Aussagen der Opfer und Betroffenen aus erster Hand – ich lese Artikel immer schon so, dass ich fast nur auf den Text achte, soweit das möglich ist, und ich hatte keinen Informationsverlust dadurch – wenn Bilder wirklich den Text ergänzen, indem sie etwas zeigen, was nicht drin steht, dann merke ich das ohnehin beim Lesen, dann schau ich mir die Bilder auch genauer an.
Gerade die Folterungen, die auf diesen Bildern zu sehen waren, waren längst vorher schon bekannt.
Was Fälschungen betrifft – Bilder können sehr leicht gefälscht werden, und darum verstehe ich es nicht, wie sich wider besseres Wissen die Welt in ihren Entscheidungen von Bildern lenken lässt. Und zwar von der „Krassheit“ der Bilder. Je krasser, desto entscheidender.

Natürlich glaube ich nicht jedes Wort, aber einer Organisation wie Ärzte ohne Grenzen, amnesty international oder attac usw. glaube ich weit eher als der Bildzeitung oder den TV-Nachrichten.

Und auch wenn ich mich hier jetzt sehr unbeliebt mach, von Bunkerbauen halte ich nicht sonderlich viel. Das Geschäft mit der Angst hat zwei Seiten, auf der einen das Wettrüsten, auf der anderen das Wettverteidigen.
Schade um das viele Geld, man könnte es dazu verwenden, soziale Spannungen abzumildern. Menschen wollen ein lebenswertes Leben haben.
Ein Leben nur in Bunkern fänd ich nicht mehr sonderlich lebenswert. Selbst wenn ich nicht krank wäre (ich würde ziemlich bald das Zeitliche segnen, weil ich auf lebensnotwendige Medikamente angewiesen bin), würd ich das vermutlich nicht lang aushalten in einem Bunker – und ich bin, ehrlich gesagt, froh, dass es hier auch keinen gibt. Wenn es einen gäbe, wäre der einzige Grund für mich, da reinzugehen, wenn meine Angehörigen und Freunde drin sind, um den Kontakt zu ihnen aufrechterhalten zu können. Fliehen würde ich sehr wohl. (Wäre aber vermutlich anders, wenn ich Kinder hätte.)
Dass russische Panzer einrollen, glaub ich auch nicht – wenn schon eine Bedrohung, dann würde ich die von ganz wo anders ausmachen, etwa als Folge eines Kampfes um überlebensnotwendige Ressourcen wie Wasser oder tatsächlich einen Bürgerkrieg, ist aber auch relativ egal - wenn russische Panzer tatsächlich einrollen sollten, dann nützen wohl auch Bunker kaum mehr, genausowenig wie im Fall von massivem Einsatz von ABC-Waffen.
Warum fragt eigentlich niemand, warum die Gewalt so zunimmt? Nach meiner Einschätzung hängt das auch mit der weitgehenden Perspektivlosigkeit zusammen und mit vollkommen falschen Sozialsystemen, die den Wert eines Menschen nicht als solchen anerkennen, sondern daran messen, wie viel und was er arbeitet, obwohl es immer weniger Arbeit im herkömmlichen Sinn gibt. Die Gewinne werden trotzdem immer fetter, es braucht keine menschliche Arbeitskraft mehr dazu, kaum mehr - aber es geht den Unternehmen und Firmen deswegen nicht schlechter, eher im Gegenteil. Statt das zuzugeben, werden immer sinnlosere "Arbeitsmaßnahmen" erfunden, die nichts anderes als Disziplinierungsmaßnahmen sind. Etwa die Arbeitslosen ständig dieselben Handgriffe (die sie ohnehin längst beherrschen) "üben" zu lassen, eine Wand, die keiner braucht, noch und nochmals streichen einen ganzen Tag lang usw. Die Bespitzelung des Privatlebens ist ja nur ein weiterer Indikator in die Richtung.

Liebe Grüße,

Elisabeth


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