Re: Der entscheidende Faktor: Massenvernichtungswaffen

Geschrieben von JeFra am 24. Dezember 2003 23:43:29:

Als Antwort auf: Re: Der entscheidende Faktor: Massenvernichtungswaffen geschrieben von Swissman am 24. Dezember 2003 02:39:59:

Ich möchte nochmal klarstellen, daß ich nicht bezweifeln möchte, daß es so etwas wie subversive Tätigkeit des KGB gibt und daß uns unter Umständen ein Einmarsch des russischen Heeres drohen könnte. Ich will lediglich die These bezweifeln, die 68iger Kulturrevolution sei vom KGB organisiert worden. Dazu möchte ich die Gegenthese vertreten, daß es sich bei 68 um eine Erscheinung der westlichen Kultur handelt, die in den USA organisiert wurde. Der KGB hat sicher gelgentlich von der durch die 68iger Kulturrevolution geschaffenen Atmosphäre profitiert und wird den einen oder anderen Vertreter der 68iger auch bezahlt haben, kann aber nicht als der eigentliche Urheber angesehen werden. Um diese Gegenthese zu begründen, versuchte ich darzulegen, daß die gegenwärtig im Westen herrschende Ideologie unsere Völker zwar in vielerlei Hinsicht sturmreif gemacht hat, aber trotzdem nicht auf die Herbeiführung einer russisch-kommunistischen Herrschaft in Europa und den USA ausgerichtet war. Wenn die Russen tatsächlich in der Lage wären, den kulturell-ideologischen Überbau unserer Gesellschaft zu kontrollieren, so hätten sie diesen Erfolg wahrscheinlich auf ganz andere Weise ausgenutzt.


... Im Sinne eines dialektischen Vorganges habe man sich schlieslich dazu entschlossen, beide Wege anzugehen: Man wollte, so weit möglich und sinnvoll, die Verwirklichung der zweiten Möglichkeit anstreben, gleichzeitig aber die eigenen Streitkräfte in einen Zustand versetzen, der es zu gegebener Zeit ermöglichen würde, nötigenfalls die bewaffnete Option zu wählen.

Die Frage dazu ist, warum haben die KGB-kontrollierten Medien keine Propaganda für die Aufnahme Rußlands in die NATO gemacht? Es böte sich dann im Rahmen einer absichtlich vorangetriebenen Verflechtung der NATO-Streitkräfte die Möglichkeit, russische Truppen in Westeuropa zu stationieren. Daß im Gegenzug auch westeuropäische Truppen in Rußland stationiert würden, wäre wegen der auf die Truppenmoral durchschlagenden Dekadenz des Westens und wegen der Weitläufigkeit des Landes kein Problem. Rußland hätte sich auf diese Weise die Möglichkeit eines schleichenden Überganges von Version 2 zu Version 1 geschaffen, wobei der Beginn der Machtübernahme der russischen Truppen als humanitäre Aktion im Rahmen der Bekämpfung des durch die zweite Weltwirtschaftskrise verursachten Zusammenbruches der öffentlichen Ordnung hingestellt werden könnte. Ich glaube nicht, daß in diesem Fall ein Eingreifen bereits in Westeuropa stationierter russischer Truppen eine nukleare Eskalation zur Folge hätte, wenn dieses Eingreifen einigermaßen glaubhaft als humanitäre Aktion hingestellt werden kann. Die Berichterstattung über die russischen Aktionen käme ja von den KGB-kontrollierten westlichen Medien.


Bis jetzt kann ich in Ihren Beiträgen nichts erkennen, was diesen Einwand widerlegt. Natürlich könnten Sie zu erklären versuchen, daß die von mir im vorigen Absatz beschriebene Strategie nicht realistisch ist. Ich bin schließlich kein Militärexperte. Wenn hingegen die obige Strategie realistisch ist, so werde ich meine Meinung über die eingangs umrissene Frage nur dann ändern, wenn es plötzlich zu einer massiven Kampagne in den westlichen Medien kommt, Rußland in die NATO aufzunehmen und/oder russische Truppen in Westeuropa zu stationieren.


Was Sie über die Rolle Reagans schreiben, widerspricht nicht unbedingt meiner Einschätzung. Auf dem Gebiet der Rüstungspolitik hat Reagan Erfolg gehabt, auf dem Gebiet der Gesellschaftspolitik nicht. Wenn seine Politik überhaupt als frontaler Angriff auf die Kulturrevolution der 60iger gedacht war. Ich finde, daß Reagan doch in starkem Maße ein Kind des amerikanischen Systemes war. Wäre das Attentat tödlich ausgegangen, hätte Bush wahrscheinlich dieselbe Politik weitergeführt. Während ich mir vorstellen kann, daß die römische Geschichte ganz anders verlaufen wäre, wenn Sulla den Asienfeldzug nicht überlebt hätte.


Laut Lenin ist der ideologische Hauptfeind des Kommunismus nicht so sehr der Kapitalismus, als vielmehr die Religion, insbesondere das Christentum, und hier vor allem (aufgrund ihrer Grösse, ihrer straffen Organisation und ihres Absolutheitsanspruches) die Katholische Kirche. ... Dass von dieser Seite alles getan wird, um das Christentum zu demontieren

Das stimmt schon, aber für die 68iger Kulturrevolution ist meiner Meinung nach kennzeichnend, daß sie eben kein frontaler Angriff auf die Religion war. Es wurde nicht der Atheismus oder Agnostizismus durchgesetzt, sondern eher einer Art von Irrationalismus zum Durchbruch verholfen. Dabei wurde die traditionell vorherrschende Interpretation des Christentumes gestürzt und durch eine andere Ideologie ersetzt (siehe Drewermann oder die Feministische Theologie), die man durchaus als religös bezeichnen muß und die nominell nach wie vor christlich ist.


Konflikte mit der katholischen Kirche ergaben sich einmal deswegen, weil die RKK nicht bereit war, ihre Glaubensgrundsätze zu verwässern und sich an die neue Theologie anzupassen. Zum anderen gibt es Konflikte über bestimmte Einzelfragen, nämlich Zölibat und Abtreibung sowie die Sexualmoral allgemein. Von einem massiven Widerstand der RKK gegen die 68iger Kulturrevolution kann aber meiner Meinung nach keine Rede sein. Ein solcher Widerstand könnte sich zum Beispiel so äußern, daß eine Partei rechts von der impotenten CDU die Unterstützung eines namhaften Vertreters der RKK erfährt. Ich hatte diese Frage bereits einmal mit Hubert diskutiert. Ich will zu Weihnachten nicht den Forenfrieden stören, indem ich meine Einschätzung dieses Verhaltens der RKK beschreibe.


Zu der Frage der Entmachtung der Oligarchen interessiert mich weniger die Haltung des KGB dazu als vielmehr die publizierte Meinung im Westen. Es gab ja Zeiten, als die westlichen Medien nahezu bedingunglos hinter der Politik der KPdSU zu stehen schienen. Beispielsweise soll laut Solschenizyn Archipel Gulag 2, S. 136 der oberste Richter des US-Bundesstaates New York, Leibowitz, in der Zeitschrift `Life' die Natschalniks des Gulag als `kluge, weitblickende, durch und durch menschliche Verwaltung' bezeichnet und geschrieben haben: `Während der Strafverbüßung bleibt sich der Häftling der eigenen Würde bewußt.' Ein ähnliches Beispiel wäre die Berichterstattung in der New York Times über die Ukraine im Hungerjahr 1933. Solschenizyn bezeichnet Leibowitz deswegen als `scharfsinnigen Esel', aber Fakt bleibt meiner Meinung nach, daß diese Spezies Esel durchaus scharfsinnig genug war, zu erkennen, daß ihr vom 3. Reich reale Gefahr drohte. Ich glaube, daß darartig massive ideologische Unterstützung für die KPdSU in der amerikanischen Mainstream-Presse nicht mehr anzutreffen war, nachdem der Sowjetkommunismus immer stärker die Züge eines russischen Nationalsozialismus angenommen hat. Ich fände Ihre These über den KGB-Einfluß auf die westlichen Medien ein ganzes Stück überzeugender, wenn man in den USA über die Verhaftung Chodorkowskis änlich beschwichtigende Artikel bringen würde wie die oben zitierten Berichte über die Kollektivierung oder über den Gulag.


Ich habe mich hier auf den Versuch einer Widerlegung der These von der Urheberschaft des KGB für die 68iger Kulturrevolution beschränkt. Man müßte natürlich noch erklären, welche Kräfte im Westen hinter dieser Entwicklung stehen, warum sie diese eingeleitet haben und warum diese Kräfte kein Interesse daran haben, durch Rußland übernommen zu werden, jedenfalls nicht bei den heutigen Machtverhältnissen in Rußland. Dazu fehlt mir im Augenblick die Zeit, außerdem habe ich mich an anderer Stelle in diesem Forum schon dazu geäußert. Außerdem gibt es noch einige andere Behauptungen in Ihrem Beitrag, die ich eher anzweifeln würde. Meiner Meinung nach gibt es beispielsweise durchaus Fälle, in denen Atheisten ein gewisses Maß an Opferbereitschaft gezeigt haben. Wenn uns noch ein weiteres Jahr des Friedens und der relativen wirtschaftlichen Stabilität vergönnt ist, wird sich sicher Gelegenheit finden, darüber zu diskutieren.


In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen anderen Foris, Katzenhai eingeschlossen, ein schönes Weihnachtsfest und ein gesundes, erfolgreiches und friedliches Jahr 2004!


JeFra


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