Meinungsfreiheit in Ost&West
Geschrieben von JeFra am 13. Juni 2003 05:36:41:
Als Antwort auf: Manches haben wir noch in der Hand geschrieben von franke43 am 12. Juni 2003 11:51:02:
Der Unterschied zwischen dem Westen und dem ehemaligen Ostblock war der:War man im Osten offen kritisch, wurde man eingebuchtet
Ist man im Westen offen kritisch, wird man verlacht und ausgegrenzt oder einfach übertönt, aber auf keinen Fall Ernst genommen
Sie haben keinerlei Ahnung von totalitären Systemen, abgesehen davon, daß Sie dem Totalitarismus der 68iger Vorschub geleistet haben, selber aber in Schweden von den Folgen relativ unbehelligt bleiben.
Es war durchaus auch im Osten möglich, abeichende Meinungen zu vertreten, ohne einen Karriereknick zu erleiden oder gar inhaftiert zu werden. Beispiel: Daß ich antisemitische Positionen vertrete, ist durchaus neu und eine Folge meiner politischen Erfahrungen im Deutschland der 90iger Jahre. Ich habe 1987 an der Moskauer MGU an einer Diskussion mit Diplomatie-Studenten aus der DDR teilgenommen, die um die Nahostproblematik ging. Darin habe ich die These vertreten, daß der radikale Islamismus kaum zu steuern sei, die Förderung der Palästinenser durch die sozialistischen Staaten daher selbstmörderisch sein könnte und daß Israel der einzige Staat in der Region sei, der wenigstens annähernd die Ideale der Aufkärung & Neuzeit verwirklicht. Daß das in erheblichem Maße von der offiziellen Doktrin abwich, an der in der DDR ja praktisch bis zum Schluß festgehalten wurde, muß wohl nicht eigens erklärt werden. Der Vorfall hatte keine negativen Folgen für mich.
Verschärft wurde die Signifikanz meines Auftrittes dadurch, daß es in zwei Jahren so ziemlich meine einzige Aktivität in einer FDJ-Versammlung war. Da ich mich nicht mehr genau erinnere, will ich nicht behaupten, daß ich durchweg allen anderen FDJ-Versammlungen ferngeblieben bin. Ich bin mir aber sicher, daß ich kaum hingegangen bin & es ist durchaus möglich, daß die von der Botschafterschule organisierte FDJ-Veranstaltung tatsächlich meine einzige war. Wenn mich das Thema nicht weiter interessierte, war mir eben meine Zeit zu schade & ich habe mich hinterher auf meine Vergeßlichkeit berufen. Obwohl ich tatsächlich ziemlich zerstreut bin, wird diese Ausrede sicher durchschaut worden sein. Aber wer füllt schon gerne Papierkram aus?
Einer meiner Kommilitonen in Jena ist soweit gegangen, in den obligatorischen ML-Seminaren den Marxismus offen als Schund&Bruch zu bezeichen. Außer einer 4 im ML hat es ihm nicht geschadet, er durfte ungehindert promovieren. Allerdings war dieser Student durch eine starke Sehbehinderung geschützt. Es ist nicht der einzige mir bekannte Fall, in dem ein körperlich behinderter Student sich so gut wie Alles erlauben konnte an Äußerungen, die in der DDR nach landläufiger Vorstellung strikt verboten waren. Die DDR hat eben großen Wert darauf gelegt, als behindertenfreundlich zu gelten. Ob es Ausnahmen von dieser erstaunlichen Nachgiebigkeit gegenüber behinderten Abweichlern gab, ist mir nicht bekannt.
Ich würde sagen, daß ab Mitte der 70iger nur die folgenden Tabubrüche wirklich gefährlich waren:
a) Offen für die Wehrdienstverweigerung Werbung machen. (Ich habe mich erfolgreich vor dem Dienst in der NVA gedrückt, aber ohne dies offen als Absicht kundzutun).
b) Ökologie, sofern sie die Effizienz der DDR-Wirtschaft bedrohte. (Es waren eben 16Mio Mäuler zu stopfen & Honni konnte nicht wie Badland Warrior darauf hoffen, die Bevölkerung schnell mal um 2/3 zu reduzieren).
c) Religiös motivierte politische Positionen vertreten oder gar einer Sekte angehören. (Die Diskussion in Moskau, die ich ungestraft führen konnte, wäre für einen religiösen Juden oder Christen sicher kreuzgefährlich gewesen, zumal wenn er seine Position auch noch mit dem AT begründet hätte).
Ich denke gerade ueber d), den Marxismus nicht grundsätzlich ablehnen, nach. Aber wirklich gefählich war die Ablehnung des ML meiner Meinung nach nicht, also lasse ich diesen Punkt besser weg. Also: d) Ausreiseantrag stellen oder gar andere dazu auffordern. Sehr viel mehr fällt mir zu Tabuverletzungen mit unvermeidlich schweren Konsequenzen nicht ein.
Es wird Ihnen sicher nicht schwerfallen, zu jedem dieser Essentials eine Position zu finden, die der Westen mit derselben Vehemenz durchsetzt.
Der einzige Fall in meiner näheren Umgebung, in dem einem wirklich leistungsstarken Schüler aus politischen Gründen das Studium verweigert wurde, betraf einen Wehrdienstverweigerer aus einer Parallelklasse. Aber auch da schlug der Apparat erst dann zu, als der Schüler Werbung für seine Haltung gemacht hat mit dem Erfolg, daß zwei Mitschüler, die nur als Offiziersbewerber auf die EOS (Gymnasium) gekommen waren, ebenfalls den Wehrdienst verweigert haben. Der Direktor hat in diesem Fall wirklich das Äußerste getan, um die Wogen zu glätten. Geholfen hat ihm das nach der Wende freilich nicht.
Ist man im Westen offen kritisch, wird man verlacht und ausgegrenzt oder einfach übertönt, aber auf keinen Fall Ernst genommen
Irgendwie scheint Schweden auf einem anderen Planeten zu liegen. Ihrer Liste wäre sehr wohl die Gefahr der Inhaftierung hinzuzufügen. Angeblich sollen sogar mehr Dissidenten in der BRD für Ideologiedelikte inhaftiert sein als in der DDR. Die von den Statistiken über rechtsextreme Straftaten gezählten angeblichen Vergehen sind zu 90% reine Ideologiedelikte, wobei sich Linksextremisten in dieser Hinsicht nicht nur Alles leisten können (W. Droste: zur Ausmordung der gesamten DDR-Bevölkerung aufrufen, oder wenigstens der Thüringer und Sachsen, P. Hacks: alle DDR-Dissidenten köpfen), sondern auch noch von dem Judenstaat Israel dafür finanziell unterstützt werden (siehe Anzeige in konkret 8/2002, S. 11).
Und schließlich werden im Westen oppositionelle Politiker bei Bedarf auch ermordet. Bekannt ist der Fall G. Kaindl, wobei die Mörder mit der Untersuchungshaft als Strafe für das sich erwischen lassen davongekommen sind. Bekannter noch ist der Fall P. Fortuyn, wobei ich Ihre Auffassungen vom letzten Jahr so interpretiere, daß Sie diese Tat durchaus nicht ohne Vorbehalt ablehnen. Sie sind sogar so weit gegangen, den bekennenden Homosexuellen, der ja nicht zuletzt auch die Interessen seiner Minderheit vertreten hat, mit Hitler zu vergleichen.
Es ist sicher schwer, die relativen Vor- und Nachteile des Ostens und Westens, was die Meinungsfreiheit angeht, objektiv gegeneinander abzuwägen. Aber der Westen steht in dieser Frage keineswegs so gut da, wie oft geglaubt wird. Was ich im Internetz unternehme, könnte durchaus gefährlicher sein als damals die Diskussion mit den Diplomatiestudenten in Moskau. Hinzu kommt, daß die Politik des Westens sehr viel destruktiver ist, was bestimmte grundlegende menschliche Werte angeht. Es fällt daher viel schwerer, dazu zu schweigen.
JeFra
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