Re: Nur einige wenige Kommentare

Geschrieben von JeFra am 14. Juni 2003 05:33:32:

Als Antwort auf: Nur einige wenige Kommentare geschrieben von franke43 am 13. Juni 2003 08:06:33:


So? Ich sehe in allen totalitären Systemen unabhängig von der Ideologie gemeinsame Strukturen.

Also ich sehe beispielsweise die Stalinschen Säuberungen als eine echte Revolution an, mit nahezu kompletter Auswechselung der führenden Elite und signifikanten Änderungen in der Ideologie. Sie müssen doch nur mal die Kulturpolitik in der SU der 20iger Jahre betrachten und dann im Vergleich dazu den Ärger, den ein vergleichsweise moderater Modernski wie Schostakowitsch unter Stalin hatte. Die Stalinsche Revolution ist später zwar verbal verurteilt, aber nie zurückgenommen worden und hat in meinen Augen so etwas wie einen russischen Nationalsozialismus zur Herrschaft gebracht, während der vorher an der Macht befindliche Bolschewismus ein ganz und gar anderes Phänomen gewesen ist.

einige wenige Veränderungen, die die68-er-Bewegung als Nebeneffekte mit sich gebracht hat

Sehen Sie sich doch mal ein paar Wiederholungen von `Stahlnetz' aus den 50igern an (das wird manchmal im Regionalfernsehen gebracht) und dann eine moderne Krimiserie dagegen. Einige wenige Veränderungen?! Ich bekomme in NRW oft genug die Konsequenzen der Sozialdemokratischen Bildungspolitik vor Augen geführt, und die sind grauenhaft.

Ihre linksradikalen und von Moskau und Ost-Berlin vorgegebenen Hauptziele

Das war keine von Moskau oder Ost-Berlin ausgelöste Revolte. Die Kommunisten werden sich da sicher rangehängt haben, als der Zug einmal in Fahrt war. Nur: Ist es Zufall, daß De Gaulle die Studentenrevolten am Halse hatte, als er die Amis ihre Staatsverschuldung in Gold abstottern lassen wollte? Und die Ideologie ist die der Frankfurter Schule, deren Vertreter klugerweise nach 1933 in die USA gegangen sind. In der SU hätten die die Stalinschen Säuberungen schwerlich überlebt. Die 68iger Kulturrevolution war eine Revolution von oben, die die Bundesrepublik in ihrer jetzigen Form geschaffen hat, mit katastrophalen Folgen für unser Volk und unsere Kultur.

Auch Schweden hat seine 68-er gehabt, und das hat dem Land mehr genützt als geschadet.

Ich glaube eher, daß es Schweden weniger geschadet hat als Deutschland. Sehen Sie sich doch mal die Bergman-Filme an, beginnend etwa vom `Siebenten Siegel' bis zu `Licht im Winter'. Mit `Tystnaden' kam dann, aus meiner Sicht, der totale Absturz. Von einigen späteren Filmen (ich glaube, `Persona') schreibt Bergman in seiner Autobiographie (sinngemäß) selber, daß es ein verunglückter Versuch war, eine halbverdaute Lesefrucht (die Urschrei-Theorie) in Kunst umzusetzen. Von den späteren Filmen sind einige noch ganz genießbar, aber soweit sie sich auf Schweden zu beziehen scheinen, zeichnen sie das Bild einer durch und durch kaputten Gesellschaft. `Dabei ein Clown' habe ich nur zu 30% durchgehalten, der Film spielt nicht umsonst in der Klapsmühle. Aber auch Fanny och Alexander zeichnet im Grunde das Bild einer zutiefst kranken Gesellschaft. Können Sie denn Sympathien für irgendeine der Figuren empfinden? Der Bischof repräsentiert wenigstens noch ein überlebensfähiges Gesellschaftmodell, aber auch da empfinde ich keine sehr ausgeprägten Sympathien. Ich habe noch einige andere neue Bergman-Filme zum Teil gesehen (die meisten kamen aus Anlaß seines 80.), aber keinen davon bis zum Ende durchgehalten. Alles das Bild einer zerstörten, ausgebrannten Gesellschaft.

Ja, aber eines sehr bequeme und sympathische.

Also, was Ihre Haltung zu Schlips und Krawatte angeht, so stimme ich mit Ihnen überein, daß es sich um ziemlich unzweckmäßige Kleidungsstücke handelt. Nur: ich würde mich gerne dem Krawattenzwang unterwerfen, wenn ich dafür Meinungsfreiheit hätte und eine Partei mit einem einigermaßen akzeptablen Parteiprogramm wählen könnte, die eine vernünftige Bildungspolitik betreibt, die soziale Indikation abschafft und der Schweinerei ein Ende setzt, die Sie nach 24 Uhr auf den privaten Fernsehkanälen genießen dürfen (0190 und 8x die 3, für 94 Euro bist Du dabei, o. ä). Aber das mit dem `Du' kann ich kaum nachvollziehen. Was hat man schon von der wahrheitswidrigen Vorspiegelung eines Idylls? Daß Sie Ihren Chef nicht mit `ni' anreden müssen, ändert doch nichts daran, daß Ihr Chef Sie feuern würde, wenn er müßte. Angeblich sollen schwedische Geschäftsleute im Schriftwechsel das `ni' gebrauchen, bis sie sich das erste Mal persönlich sehen. Wenn das stimmt, wäre es ja nicht allzuweit von der Politik entfernt, Leute im Internet zu siezen, solange man sie nicht näher kennt. Für mich persönlich heißt das `Du' ua, daß ich dem betreffenden 200 Euro borgen würde, ohne groß nach dem Verwendungszweck und dem Termin der Rückgabe zu fragen. So etwas macht man nur mit Leuten, die man ziemlich genau kennt.

Aber das zeigt ja nur die totale Willkür und Unberechenbarkeit, mit der das totalitäre DDR-Regime in seiner Unterdrückung unerwünschter Meinungsäusserungen verfahren ist.

Daß gerade die von mir genannten vier Punkte erbarmungslos durchgesetzt wurden, hat sich sicher aus dem Staatsziel ergeben und war insofern sicher nicht willkürlich. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das soll keine DDR-Apologie sein, sondern nur einige Mythen korrigieren. Daß der Westen wahrscheinlich auf eine noch größere Katastrophe zusteuert, macht die DDR nicht zu meinem Ideal, sondern nur zum kleineren Übel.

Honni hätte durch eine Maueröffnung sehr schnell die Bevölkerung um 2/3 reduzieren können.

Dann hätte sehr wahrscheinlich die SU eingegriffen, und wenn nicht hätte der Westen dann eben 10Mio Neubürger am Halse gehabt. Daß der Westen das Problem gelöst hat, die eigene Bevölkerung zu akzeptablen ökologischen Bedingungen zu ernähren, kann man nämlich auch nicht behaupten. Bei uns kommt sicher der totale Absturz, wenn das Öl teurer wird. Und den hätte die DDR-Gesellschaft sicher besser abgefedert, als es der Westen kann.

Sehr seltsam. Aber wir wissen ja alle, dass die DDR ihre Bürger als volkseigene Staatssklaven betrachtet und auch behandelt hat.

Nö. Der Staat Sparta hat seine Staatssklaven (Heloten) in einer Art permanentem Kriegszustand gehalten und jedes Jahr die agilsten Heloten liquidieren lassen. Davon konnte selbst in der SU keine Rede sein. Allerdings hatte man selbst innerhalb der SU keine Bewegungsfreiheit, insofern wäre der Vergleich mit einer Art Leibeigenschaft berechtigt. In der DDR war die Bewegungsfreiheit schon größer, wenn auch nicht unbegrenzt (die Wohnungsvergabe erfolgte ja durch die Bürokratie). Das ist ein fließender Übergang zum Westen, wo sich ja auch nicht jeder den Wohnort seiner Wahl finanzieren kann. In der DDR konnte es schwierig sein, aus Bitterfeld wegzukommen, so wie man vielleicht in der BRD nicht leicht von einem sozialen Brennpunkt wegkommt.


In, sagen wir mal, psychosozialer Sicht ging es uns in der DDR sogar goldig, verglichen mit der BRD.


Der Westen wird immer dann garantiert unerbittlich, wenn die Interessen der Wirtschaftseliten beeinträchtigt werden.

Das ist nicht gänzlich verkehrt, aber das wichtigste Machtzentrum scheint doch eine ethnisch-religiös definierte Elite zu sein. Und die Wespen sind es sicher nicht.

Oft kommt es mir auch so vor. Man sieht hier im Norden sehr vieles sehr viel entspannter, UND DAS IST GUT SO. So sollte es meiner Meinung nach überall sein.

Ich schätze mal, daß der Norden in dieser Hinsicht eine Art Zeitkonserve ist (die DDR war es teilweise auch). Den Landesvater, zu dem man relativ leicht Zugang hat, gab es ja früher auch in manchem deutschen Kleinstaat & es soll ihn in Liechtenstein noch jetzt geben. Zum Teil werden im Norden wohl einfach durch die geopolitische Situation und die ökonomische Geographie andere Rahmenbedingungen gesetzt. Daß wir kein Gegenstück zu den allemansrätten haben, ergibt sich sicher mehr aus den Rahmenbedingungen als aus der Mentalität. Im übrigen waren die Nordlichter in der 2. Hälfte des 20. Jhdts sicher nicht einem so verheerenden ideologischen Bombardement ausgesetzt wie die Deutschen.

Darf ich um Zahlen und Beweise bitten?

Die habe ich nicht. Ich habe ja ein `angeblich' vor meine Behauptung gesetzt. Ich glaube, die Behauptung stammt aus `Opposition', eine Zeitschrift, die man manchmal am Kiosk bekommen konnte. Möglich ist es schon, schließlich ist ja das Vertreten bestimmter Meinungen zur Zeitgeschichte unter Strafe gestellt. Auch in Fragen der Symbolik geht man auf der rechten Seite bis zum Verbot praktisch ubiquitärer Symbole, während es für die Linke kaum Verbote gibt. Was sich W. Droste und P. Hacks leisten konnten, hätte auf der rechten Seite möglicherweise auch zu Haftstrafen wegen Volksverhetzung geführt. Allerdings kann man in diesem Fall nur dann von Ideologiedelikten sprechen, wenn nicht an beide Seiten vergleichbare Maßstäbe angelegt werden.

Jetzt stehe ich völlig auf dem Schlauch. Wer soll da zu Völkermord aufgerufen haben. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich andere Bücher gelesen habe als Sie.

Wiglaf Droste in `Its a Zoni', Hrsg. K. Bittermann sinngemäß etwa: `Wäre es nicht besser gewesen, gleich nach der Wende alle Ostdeutschen zu erschießen? Oder wenigstens alle Thüringer und Sachsen? Aber hinterher ist man immer klüger.'
Zu den Gedichten von P. Hacks in `konkret' siehe hier. Der Aufruf zur Guilliotinierung der DDR-Dissidenten befindet sich in dem Gedicht `Apell'.

Wenn aber gegen Rechtsradikale scharf durchgegriffen werden sollte, dann erst nach Jahrzehnten der Nachlässigkeit und Nachgiebigkeit. Jahrzehntelang war die westliche Justiz auf dem rechten Auge blind. Heute ist sie es möglicherweise auf dem linken.

Würde ich nicht sagen. Gegen die rechten Gewalttäter ist man immer schon vorgegangen. Und ernsthaft bestraft wurde die Linke für den Terror der RAF nie.

Den kenne ich nicht.

Klar, daß Sie davon in Schweden nichts hören, wenn Sie nur die Systempresse lesesen.

Meine Quellen waren unvollständig. Aber Fortuyn ist hier in den Medien als fremdenfeindlicher Scharfmacher dargestellt worden. Solche Scharfmacher regieren zur Zeit unter anderem unser nordisches Nachbarland Dänemark, das seitdem leider nicht mehr zur früher so weltoffenen und toleranten skandinavischen Wertegemeinschaft zu rechnen ist.

Siehe hier für eine Selbstdarstellung Fortuyns. Daß F. homosexuell war, ist allgemein bekannt. F. soll den Vorwurf eines niederländischen Mullahs, er wisse nichts über Moslems, mit der Bemerkung gekontert haben, er gehe ja sogar mit ihnen ins Bett. Wenn man nach der von mir zitierten Selbstdarstellung urteilt, könnte die Lage der Homosexuellen in islamischen Gesellschaften einen erheblichen Teil der Motivation für Fortuyn geliefert haben.


Die dänischen Scharfmacher hätte ich wohl auch gewählt. Wieso handelt es sich um Scharfmacher, wenn die Interessen der deutschen, dänischen oder schwedischen Ureinwohner vertreten werden? Aber Leute wie der Volkskrant-Reporter van Dam, der Fortuyn `een buitengewoon minderwaardig mens' genannt hat (was van Dam zugibt) oder sogar mit Eichmann verglichen hat (was Fortuyn behauptet), werden allgemein akzeptiert. Früher hätte ich Ihre Meinung in dieser Frage geteilt, aber schon die direkte Erfahrung mit der political correctness-Welle in den USA hat mich in wenigen Wochen eines Besseren belehrt (um auch meine Meinung gegenüber den Juden um 180 Grad zu drehen, hat es fünf Jahre gebraucht). Können Sie denn Dänisch mit Ihren Schwedischkenntnissen lesen, und haben Sie die Texte der dänischen `Scharfmacher' schon selber studiert, ober glauben Sie einfach, was man Ihnen sagt? Meine Meinung über die Juden habe ich beispielsweise größtenteils (wenn auch nicht ausschließlich) auf der Grundlage von Texten gebildet, die nun wirklich unbestreitbar von Juden stammen.


Und die strukturellen Hintergründe dessen kennen wir beide.

Ich glaube nicht, daß wir dieselben Vorstellungen über die Natur der Krise des Westens haben.


Gruß
JeFra



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