Danke, Mr. President
Geschrieben von bonihopi am 11. April 2003 21:48:47:
Ein Brief an George W. Bush / Von Paulo Coelho
Danke, großer Staatsmann George W. Bush. Danke, daß Sie jedem gezeigt
haben, welche Gefahr Saddam Hussein darstellt. Viele von uns hätten sonst
womöglich vergessen, daß er chemische Waffen gegen sein eigenes Volk,
gegen die Kurden und die Iraner eingesetzt hat.
Hussein ist ein blutrünstiger Diktator und eine der augenfälligsten
Verkörperungen des Bösen in der heutigen Welt.
Aber nicht allein dafür wollte ich Ihnen danken. Während der ersten zwei
Monate dieses Jahres 2003 haben Sie der Welt eine Reihe anderer,
wichtiger Dinge gezeigt.
Ich möchte mich daher in Anlehnung an ein Gedicht, das ich als Kind
gelernt habe, bei Ihnen bedanken:
Danke, daß Sie allen gezeigt haben, daß das türkische Volk und sein
Parlament nicht käuflich sind, auch nicht für 26 Milliarden Dollar.
Danke, daß Sie der Welt gezeigt haben, welch tiefe Kluft zwischen den
Entscheidungen der Machthaber und den Wünschen des Volkes liegt.
Danke, daß Sie uns vor Augen führen, daß weder José María Aznar noch Tony
Blair ihren Wählern die geringste Achtung und Wertschätzung zeigen. Aznar
bringt es fertig, darüber hinwegzusehen, daß neunzig Prozent der Spanier
gegen den Krieg sind, und Blair ist die größte Demonstration der
vergangenen dreißig Jahre in England schlichtweg egal.
Danke, daß Sie Tony Blair dazu gebracht haben, mit einem Dossier, das ein
Plagiat einer Arbeit war, die ein Student zehn Jahre zuvor geschrieben
hatte, vor das britische Parlament zu treten und es als "vom
britischen Geheimdienst erbrachten schlagenden Beweis"
vorzustellen.
Danke, daß Sie Colin Powell gestatten, sich selbst zum Narren zu machen,
indem er dem UN-Sicherheitsrat Fotos vorlegt, die eine Woche später von
Hans Blix, dem Chef der UN-Rüstungskontrollkommission zur Entwaffnung des
Iraks, öffentlich angefochten werden.
Danke, daß Sie mit Ihrer Haltung dafür gesorgt haben, daß bei der
UN-Vollversammlung der französische Außenminister, Dominique de Villepin,
mit seiner Antikriegsrede Applaus geerntet hat, was meines Wissens vorher
nur einmal in der Geschichte der UN, im Anschluß an eine Rede Nelson
Mandelas, geschehen ist.
Danke, daß Sie mit all ihren Bemühungen, den Krieg voranzutreiben, dazu
beigetragen haben, daß die sonst untereinander zerstrittenen arabischen
Nationen sich bei ihrem Treffen in Kairo in der letzten Februarwoche
erstmals einstimmig gegen jedwede Invasion ausgesprochen haben.
Danke, daß Sie mit Ihrer rhetorischen Behauptung, die UN habe nun die
Chance, ihre wahre Bedeutung zu zeigen, sogar die zögerlichsten Länder
dazu gebracht haben, sich gegen jede Art von Angriff gegen den Irak
auszusprechen.
Danke, daß Sie mit Ihrer Außenpolitik den britischen Außenminister Jack
Straw zu der Erklärung verleitet haben, im 21. Jahrhundert könne es
Kriege geben, die sich moralisch rechtfertigen ließen, wodurch Straw
seine ganze Glaubwürdigkeit verlor.
Danke, daß Sie versucht haben, ein Europa auseinanderzudividieren, das
für seine Vereinigung kämpft - es wird ihm als Warnung dienen.
Danke, daß Sie geschafft haben, was nur wenigen in diesem Jahrhundert
gelungen ist: Millionen Menschen auf allen Kontinenten im Kampf für
dieselbe Idee zu vereinen, auch wenn diese Idee nicht Ihre ist.
Danke, daß Sie uns wieder fühlen lassen, daß unsere Worte, wenn sie
vielleicht nicht gehört, so zumindest ausgesprochen wurden - das wird uns
in Zukunft noch mehr Kraft geben.
Danke, daß Sie uns mißachten, daß Sie alle marginalisieren, die sich
gegen Ihre Entscheidung stellen, denn die Zukunft der Erde gehört den
Ausgeschlossenen.
Danke, denn ohne Sie hätten wir nicht erkannt, daß wir fähig sind, uns zu
mobilisieren. Möglicherweise wird es uns diesmal nichts nützen, aber ganz
sicher später einmal. Nun, da es keinen Weg zu geben scheint, die
Trommeln des Krieges zum Schweigen zu bringen, möchte ich wie ein
europäischer König einst zu seinem Invasoren sagen: "Möge dein
Morgen schön sein, möge die Sonne auf den Rüstungen deiner Soldaten
strahlen, denn noch am Nachmittag werde ich dich besiegen.";
Danke, daß Sie uns - einer Armee anonymer Menschen, die wir die Straßen
füllen, um einen Prozeß aufzuhalten, der bereits im Gange ist - erlauben
zu erfahren, wie man sich fühlt, wenn man machtlos ist, und aus diesem
Gefühl zu lernen und es zu verwandeln. Also, genießen Sie Ihren Morgen
und welchen Ruhm er Ihnen auch immer bringen mag.
Danke, daß Sie uns nicht zugehört und uns nicht ernst genommen haben.
Doch Sie sollten wissen, daß wir Ihnen sehr wohl zugehört haben und Ihre
Worte niemals vergessen werden.
Danke, großer Staatsmann George W. Bush.
Herzlichen Dank.
Aus dem Brasilianischen von Maralde Meyer-Minnemann.
- Re: Naiv. Guerrero 12.4.2003 16:57 (5)
- Re: Naiv. bonihopi 12.4.2003 21:46 (0)
- lieber naiv als primitiv.. Cattya 12.4.2003 17:18 (1)
- Re: Einverstanden. Guerrero 12.4.2003 17:50 (0)
- Re: Naiv. (Die Senorita ist ein Senor *g*) mica 12.4.2003 17:02 (1)
- Re: Schade - :) oT Guerrero 12.4.2003 17:51 (0)
- Re: Danke, Mr. President Zappa 12.4.2003 11:23 (0)
- SEHR SCHÖN!! Cattya 12.4.2003 02:14 (1)
- Re: SEHR SCHÖN!! bonihopi 12.4.2003 21:38 (0)