Geschichtsaufarbeitung und Propheten
Geschrieben von ahlfi am 11. September 2002 12:31:27:
Hallo Leute,habe gerade einen interessanten Bericht unter netzeitung.de gefunden. Könnte auch mit Prophs zutun haben, vor allem werden "Propheten" erwähnt.
Ich habt doch sicher keine Probleme mit der Geschichte, oder? Mein Oma war Aufpasser eines Kriegsgefangenenlagers und war bis zu seinem Lebensende vor ca. 8 Jahren Nazi geblieben. Ich habe kein Problem damit. Wenn die schlechte Geschichtsaufarbeitung nun zutage tritt, könnte sich jedoch ein Problem entwickeln, das auch mit Prophs in Zusammenhang stehen könnte.
Schluss der Worte, hier die Meldung:
Opa war kein Nazi
11. Sep 12:07
Der Nationalsozialismus war ein Massenphänomen. In den Familienüberlieferungen findet man jedoch kaum Spuren davon.
In deutschen Familiengesprächen über die eigene Nazi-Vergangenheit tauchen keine Täter auf, sondern nur Opfer von Krieg und Not oder Helden des alltäglichen Widerstands. Denn für die Enkel steht fest: «Opa war kein Nazi».Von Uschi Heidel
Was Sozialpsychologen im Rahmen der Mehrgenerationenstudie zur «Tradierung von Geschichtsbewusstsein» an der Universität Hannover zutage förderten, offenbart die enorme Kluft zwischen dem Wissen, das etwa in der Schule über das «Dritte Reich» vermittelt wird, und den Geschichten aus dem «Familienalbum».Helfer und Gegner
Heute sind Kinder und Enkel gut informiert über Hitlers Regime, über die NS-Verbrechen und die Vernichtung der europäischen Juden. Doch gerade diese gelungene Aufklärung führt offenbar dazu, dass die Nachfahren erst recht ihre Familien von jeglicher Verstrickung in eine solche Vergangenheit ausschließen wollen, stellen die Wissenschaftler fest.
Je klarer Kindern und Enkeln das Grauen und die Gräueltaten des Nazi-Staates bewusst sind, um so mehr fordert die Familientreue, die moralische Integrität der Eltern oder Großeltern zu wahren. Da werden Oma und Opa zu Helfern verfolgter Mitbürger und zu entschiedenen Gegnern des Regimes, auch wenn ihre Erzählungen dies gar nicht nahe legen.
Opfer und Helden
Das NS-Regime
40 Familien haben Harald Welzer, Sabine Moller und Karoline Tschuggnall interviewt, dabei 182 Gespräche geführt und sich über 2500 Geschichten, Erlebnisse und Erinnerungen aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 erzählen lassen - von den Großeltern, deren Kindern und Enkeln. «Nicht wenige von diesen Familiengeschichten verändern sich auf ihrem Weg von Generation zu Generation, so dass aus Antisemiten Widerstandskämpfer und aus Gestapo-Beamten Judenbeschützer werden», beobachtet Welzer. In zwei Drittel aller Erzählungen waren die Familienangehörigen entweder Opfer der NS-Vergangenheit oder sie wurden zu Helden gemacht.Eine im Juni vom Emnid-Institut durchgeführte repräsentative Bevölkerungsumfrage untermauert diese Beobachtungen: Fast jeder zweite Befragte ist überzeugt, dass die eigenen Angehörigen dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstanden. Nur sechs Prozent meinen, die Verwandten hätten Hitler zugejubelt, lediglich drei Prozent glauben, ihre Angehörigen seien «antijüdisch gewesen», und nur ein Prozent hält es für möglich, dass diese «an Verbrechen direkt beteiligt gewesen» seien. Aber für fast zwei Drittel der Befragten ist klar, dass ihre Eltern oder Großeltern «im Krieg viel gelitten hätten».
Nur vage Erinnerungen
Erinnerungen bleiben vage, vieles ist unbestimmt. Dieses «leere Sprechen» sei eine Redeweise, die wie keine andere das Gespräch zwischen den Generationen über das Nazi-Regime präge. «Akteure - und zwar meist die Täter - bleiben ohne Konturen, historische Vorgänge werden nur in Umrissen beschrieben, so dass unklar bleibt, worum es eigentlich geht. Das Geschehen erscheint dann fast harmlos», analysiert Sabine Moller. «Leeres Sprechen» lasse viel Raum für die Gestaltung einer «guten» Geschichte.
Bilder aus Filmen dienen dazu, die Leerstellen in den Erzählungen aufzufüllen. Außerdem - das verdeutlichten die Interviews - fließen immer noch Stereotypen in die Tradierung der Familiengeschichte ein, etwa der «böse Russe», der «Muss-Nazi» oder «dass man nichts wusste» und «dass Juden keine Deutsche waren». Diese Klischees entlasten von möglichen Schuldfragen. «Der Holocaust hat keinen Ort im deutschen Familiengedächtnis», so ein Fazit der Studie.
Auch anderen Propheten erlegen
In ostdeutschen Familien liegt die Erinnerung an den SED-Staat vielfach «über» der Erinnerung an die NS-Zeit, beobachten die Wissenschaftler. Beides wird ständig miteinander verglichen. Das führt dazu, dass sich die Kinder mit Vorwürfen oder Anklagen gegenüber der Zeitzeugengeneration noch stärker zurücknehmen als ihre westdeutschen Altersgenossen. Denn sie selbst haben ja eine Diktatur nicht «verhindern» können. «Dass weiß ich aus der Geschichte, dass man auch anderen Propheten erlegen sein kann, das haben wir an der eigenen Geschichte erlebt, im Sozialismus», sagt ein 56jähriger.
Die Studie zeige, so ihre Autoren, dass die Weitergabe der eigenen Vergangenheit im Familiengespräch offensichtlich den Rahmen dafür bereitstelle, wie erlerntes Geschichtswissen gedeutet und gebraucht wird. «Die emotionale Dimension der Vermittlung spielt dabei eine weitaus größere Rolle als das Lernen von Fakten.»
- meine Familie Mat72 11.9.2002 14:02 (0)
- Mauer des Schweigens Freiwild 11.9.2002 13:41 (4)
- Re: Mauer des Schweigens ahlfi 11.9.2002 13:57 (3)
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