Re: N: Fluglotse hat Unglückspiloten möglicherweise zu spät informiert

Geschrieben von Mischel am 03. Juli 2002 09:34:09:

Als Antwort auf: N: Fluglotse hat Unglückspiloten möglicherweise zu spät informiert geschrieben von XI am 02. Juli 2002 17:10:58:

Es ist bekannt, daß es im süddeutschen Raum öfter zu Beinahe-Zusammenstößen in der Luft kommt bzw. bereits tödliche Unfälle geschahen, allerdings nicht mit DER hohen Opferzahl. "Leider" ging der Mond (erstes Viertel, also hell) erst um 00:48 Uhr auf, sonst hätte einer der Piloten vielleicht die andere Maschine eher sehen können, besonders der aus Osten anfliegende, wobei die Blitzer eigentlich im Dunkeln wegen mangelnder Fremdquellen sowieso gut sichtbar sind.


aus Elliott Wellen Forum übernommen:

aus "Pilot und Flugzeug" www.pilotundflugzeug.de

Flugsicherung:
Das tödliche Risiko im hiesigen Luftverkehr

So:
Es ist passiert.
Der Grossunfall im deutschen Luftraum hat stattgefunden.
Über achtzig Menschen starben, als zwei Grossflugzeuge sich im bundesrepublikanischen Luftraum in 36.000 ft, in FL 360 wohl, berührten.
Als sie einen gemeinsamen Waypoint in Deutschland anflogen, der eine aus Südosten kommend, der andere aus Osten, also beide auf einem Even-Flightlevel und damit in FL 360 eindeutig richtig.

Man muss gar nicht spekulieren, um hier

der Deutschen Flugsicherung,
der Italienischen Flugsicherung und
womöglich auch dem Schweizer Lotsen
die Schuld an der Tötung der über achtzig Menschen – zum grossen Teil wohl Kinder – zuzuschreiben.
Selbst wenn es stimmt, dass eines der beiden Flugzeuge in einem Level flog, in dem es die Flugsicherung nicht haben wollte, selbst wenn es stimmt, dass eine der beiden Crews eine Aufforderung, den Level zu wechseln, nicht zeitnah umgesetzt hat:

ATC sitzt auf der Anklagebank mit dem Vorwurf eines Tötungsdeliktes.
Eine solche Katastrophe ist nicht plötzlich da.
Eine solche Katastrophe entwickelt sich, minutenlang, vielleicht eine halbe Stunde vorher schon erkennbar - nicht für die Piloten, aber für die Flugsicherung.
Die Fluglotsen konnten erkennen, dass zwei Airliner im Oberen Luftraum aufeinander zufliegen.
Was prahlt denn das DFS-Management um diesen entsetzlich unfähigen Geschäftsführer Betrieb, Ralph Riedle, ehemaliger Sektorlotse in München, mit der sündhaft teueren Flugsicherungstechnik, die offensichtlich entweder nicht funktioniert oder nicht bedient werden kann:


Denn sonst hätte München ATC das Flugzeug nicht an Zürich ATC weitergegeben in einem Level, der jenem entspricht, in dem Milano ATC die Boeing an Zürich ATC weitergereicht hat.

Oft, sehr oft hat Pilot und Flugzeug mahnend darauf hingewiesen, dass der süddeutsche Luftraum jener ist, in dem überproportional viele gefährliche Begegnungen stattfinden.

Oft, sehr oft hat Pilot und Flugzeug mahnend darauf hingewiesen, dass uns eine flugsicherungsinterne Studie aus dem Jahre 2001 vorliegt, die einen rasanten Anstieg der „near misses“ im süddeutschen Luftraum dokumentiert.

Oft, sehr oft hat Pilot und Flugzeug mahnend darauf hingewiesen, dass das DFS-Management die Öffentlichkeit über die tatsächliche Zahl gefährlicher Begegnungen im deutschen Luftraum brutal belügt.

Noch in der Ausgabe 12/01 haben wir unter dem provozierenden Titel „Bayern: Die lebensgefährdenden Leute in der Luftfahrtbehörde“ unter anderem die jüngsten Fehlleistungen von München ATC beschrieben.

Ausgaben zuvor hatten wir den von München verwalteten Luftraum als „Abenteuerspielplatz“ beschrieben, in dem wir selbst auf einem Fluge beinahe ums Leben gekommen wären, als ein Fluglotse versagte und wir nur mit Glück dem Zusammenstoss mit einer Tornado entkamen, in dem schon mal Verkehrsflugzeuge vom Radar verschwinden, ohne dass es dem Lotsen auffällt, etc....

Es ist völlig unerheblich, ob einer der beiden Piloten eine ATC-Anweisung nicht umgesetzt hat:
Wenn einer falsch fliegt, und womöglich hartnäckig ATC-Anweisungen nicht umsetzt, dann kann man den anderen immer noch per Steuerkurs- oder Höhenänderung aus einem Konflikt heraushalten.

Wie gesagt:
Dieser Konflikt, der erstmals in Deutschland in dieser Form in einer fürchterlichen Katastrophe endete, ist die entsetzliche Bestätigung unserer nun langjährigen, teilweise extrem deutlichen Kritik an der Deutschen Flugsicherung, die unter einem absolut unfähigen Management, das

Lotsen schlecht ausbildet,
Lotsen nicht oder nur ungenügend weiterbildet,
Lotsen unter erheblichem Druck arbeiten lässt,
selbst erst kürzlich in einen tödlichen Unfall mit dem eigenen Vermessungsflugzeug verwickelt war,
ein erhebliches Gefahrenpotential darstellt.
Verkehrsminister Bodewig trägt dafür die politische Verantwortung.
Er trägt die politische Verantwortung für die absurd schlechte Qualifikation seiner Luftfahrt-Ministerialbürokratie, die sich aus Beamten zusammensetzt, die völlig fachfremd sind.
Minister Bodewig trägt die politische Verantwortung für den von uns erst kürzlich kritisierten Fakt, dass rechtswidrig, eindeutig rechtswidrig Flugbetriebsstörungen in Form von Beinahe-Zusammenstössen eben nicht der Flugunfalluntersuchung gemeldet werden, wie das Luftverkehrsgesetz es vorschreibt, sondern dem regelmässigen Verursacher:
Der Flugsicherung nämlich.
Verkehrsminister Bodewig badet als heute politisch Verantwortlicher die Fehlleistungen seiner Vorgänger aus, die dafür sorgten, dass die Deutsche Luftfahrtadministration personell ausgedünnt wurde bis zur beinahe tödlichen Magersucht:

Aufsicht, Kontrolle, Fehlerverfolgung und -reflexion findet in dem Luftverkehr der Bundesrepublik nicht statt.
Mangels geeignetem Personal im Verkehrsministerium, mangels ausreichend Personal in der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung und im Luftfahrt-Bundesamt.

Insofern kam der jeweilige Verkehrsminister seiner Dienstaufsicht über die 1993 privatisierte Flugsicherung, deren Alleingesellschafter er ist, sowenig nach wie der konfliktscheue, inkompetente Aufsichtsrat.

An Warnungen hat es nicht gefehlt, zu viele Tote hat es gegeben in den vergangenen Jahren im Rahmen von Flugunfällen, bei denn die Flugsicherung direkt involviert war:

München,
Bayreuth,
Augsburg,
Donaueschingen
heissen die Orte, an denen Menschen ums Leben kamen, weil Mitarbeiter der Deutschen Flugsicherung versagten jenseits der 10, 20 Todesopfer jährlich in der Bundesrepublik, die zu beklagen sind, weil die DFS bestimmte Dienste nicht vorhält in internationale Vorgaben der ICAO missachtet.
Die Medien haben das nicht registriert, kaum reflektiert – es waren ja immer nur „kleine“ Flugzeuge mit „nur“ vier oder fünf tödlich Verletzten.

Nun ist der Grossunfall, den alle Fachleute stets vorausgesagt haben – der ehemalige stellvertretender Leiter der Flugunfalluntersuchung, Schuberdt, so schon vor 10 Jahren – da.
Jetzt kann nicht wieder vertuscht werden.
Jetzt müssen die enormen Lücken und Defizite der hiesigen Luftfahrt auf den Tisch.



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