an Gaia - persönliche Schuld, Fortsetzung
Geschrieben von Torsten am 30. April 2002 12:41:21:
Liebe Gaia,
doch, ich bin durchaus von der individuellen Schuld überzeugt. Die Gier nach Besitz und Macht ist keine spezifische Erscheinung bei Politikern - wie Du selbst sagst. Die sind nur die Spitze des Eisberges, zugegebenermaßen keine rühmliche. Natürlich nehmen sie sich, was sie kriegen können - wie Jeder.
Wie ich schon geschrieben habe, besteht die Lieblingsausrede, mitzumachen, darin, daß das doch Alle und schon lange so machen und man sowieso nichts ändern könne. Darüberhinaus ist das sowieso zu kompliziert und man hat ja Wichtigeres zu tun.
Wieso sollten Politiker eine andere Einstellung haben? Im Gegenteil, wenn man sich die Mechanismen des Aufstiegs betrachtet, so sind die höchsten Tugenden Durchsetzungsvermögen, Zielstrebigkeit und Rücksichtlosigkeit. Idealismus ist hinderlich und Sachkompetenz nicht unbedingt nötig - dieselben Regeln wie in anderen "gesellschaftlichen" Bereichen auch. Wer doch noch Ideale hat, wird der Fraktions- oder Koalitionsdisziplin unterworfen und unterwirft sich ihr auch (siehe auf-nach-Afghanistan-Joschka). Dann muß man sich natürlich nicht wundern, wenn egoistisch motivierte und sogar als falsch erkannte Entscheidungen im "gesellschaftlichen" Maßstab Schaden anrichten. Von der Unart ganz zu schweigen, vernünftige Vorlagen abzuwürgen, weil sie von der falschen Fraktion kommen.
Das ist aber dasselbe, was wir auch jeden Tag tun, Du selbst begründest ja die Notwendigkeit, sogar als falsch erkannte Verhaltensmuster fortzusetzen, weil das Alle so machen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen, wie man leicht an Wirtschaftlage und Umweltproblemen nachprüfen kann. Es gibt nur wenige Dinge, die den Tod herbeiführen, dazu gehören Hunger/Durst, Kälte und Krankheit. Was wir uns sonst noch an Bedürfnissen einbilden und damit von der "Gesellschaft" erwarten, das auch bereitzustellen, geht darüber weit hinaus. Und wenn wir die eigene Unvernunft einsehen, zieht auch die Begründung nicht, daß es der Nachbar oder Kollege oder Politiker genauso macht. Die Folgen haben sich angehäuft und dafür gibt's jetzt die Quittung. Ob der Einzelne seine Mitschuld eingesteht oder nicht, ist dabei völlig belanglos.
Noch mal zu den Politikern und den hohen Steuern und Abgaben: wenn Entscheidungen aufgrund egoistischer oder lobbyistischer Ziele getroffen werden, verhindert das natürlich jede Strategie zur Lösung "gesellschaftlicher" Probleme. Dann wird versucht, die Folgen über noch mehr Mitarbeiter und Kommissionen abzufangen, was aber am Grundproblem nichts ändert, daß keine Politik, sondern Flickschusterei betrieben wird. Dasselbe setzt sich in allen möglichen Verwaltungen fort, was zwei Folgen hat: erstens entsteht ein Mißverhältnis zwischen Produzenten und Wasserkopf und zweitens werden Details immer weiter zergliedert, bis die Gesamtheit nicht mehr überschaubar ist. Damit erhöhen sich nicht nur die Ausgaben für den Wasserkopf, sondern dessen Entscheidungen über die Verwendung von Geldern werden auch immer uneffektiver.
Das Problem ist aus der Sicherheitstechnik bekannt: eine immer weitere Verschachtelung von sich gegenseitig überwachenden Kontrollsystemen führt ab einem bestimmten Punkt wieder zum Anstieg des Risikos von Störfällen (z.B. in AKWs). Dieser Punkt ist in Wirtschaft und Politik längst überschritten, dennoch wird versucht, mit "mehr vom selben" die Situation in den Griff zu bekommen. Wir fordern von der Regierung, die Probleme zu lösen, aber aufgrund unserer Bedürfnisse würde garantiert keine Partei gewählt, welche von Krise, Einschränkung und Verzicht redet.
Die persönliche Schuld wird auch daran deutlich, daß zwar Viele nach mehr sozialer Gerechtigkeit rufen, aber andererseits versuchen, selbst ein größeres Stück vom Kuchen zu erwischen. So erfordert die Aufrechterhaltung des Lebensstandards im Westen ein niedriges Lohnniveau im Osten. Wenn dann ostdeutsche Bauunternehmen mit ihren Niedriglöhnen in Bayern Aufträge abgraben, geht plötzlich das große Gejammer los. Was die IG Metall im Moment treibt, ist angesichts der Rezession auch unverständlich.
Im Gegensatz zur gegenwärtigen Unsitte, für Alles einen Anderen "in die Pflicht" nehmen zu wollen, bin ich der Meinung, daß man erst einmal bei sich selbst anfangen sollte. Insofern finde ich die Wertediskussion wichtig und rede auch schon lange davon, aber diejenigen, die sie führen, sind dazu nicht in der Lage. Dazu gehören nämlich so alte Tugenden wie Ehrlichkeit, Vernunft, Bescheidenheit, Toleranz, Opferbereitschaft, Nächstenliebe und Einiges mehr - also Dinge, die Politikern wie den meisten anderen Menschen völlig unbegreiflich sind. Wahrscheinlich hat die Diskussion über Werte deshalb schon heute einem "Aktionsbündnis gegen Gewalt" Platz gemacht. Das führt zwar zu keiner Lösung, aber wird wenigstens von den Meisten verstanden und rüttelt nicht an den Grundfesten unserer Gesellschaft.
Um noch kurz auf Prophezeiungen einzugehen: die von mir erwähnten Werte hat vor knapp 2000 Jahren einer ziemlich ausführlich dargestellt. Auf den bezieht sich dann Johannes in seiner Offenbarung. Das Gegenteil der erwähnten Werte, welches unser Handeln bestimmt, könnte man auch als Gottlosigkeit bezeichnen. Davon spricht nicht bloß Johannes, sondern etliche andere Propheten auch als typisches Verhaltensmuster der "Endzeit". In der Offenbarung steht auch einerseits, wohin das führt, und andererseits, daß die Menschen sich trotzdem nicht ändern. Und da ist keine Rede von einer Handvoll Politiker, sondern von der überwiegenden Mehrheit der Menschen. Jeder kann das an sich selbst überprüfen, und die Folgen werden nicht danach fragen, ob wir "im Grunde" ein guter Mensch sind und nur so handeln, weil der Nachbar auch so handelt. Mit dem Spruch kommen regelmäßig auch Kriegsverbrecher an - ohne auf viel Verständnis zu stoßen.
Viele Grüße
Torsten
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