Problem der selektiven Wahrnehmung
Geschrieben von franke43 am 01. September 2005 11:07:16:
Als Antwort auf: Mensch ist Mensch geschrieben von Spitama am 01. September 2005 10:26:01:
Hallo
>Hallo franke43!
>
>Um die Reichen mache Dir mal weniger Sorgen. Es geht um die Armen, die nicht >flüchten konnten, die neben Angehörigen auch noch ihre Bretterbuden samt Hab >und Gut verloren haben.Richtig. Stell Dir vor: die tun sogar mir Leid, auch wenn
es Amerikaner sind. Ganz besonders wenn es schwarze oder
lateinamerikanische Amerikaner sind, die also wirklich
arm gehalten werden und jetzt auch noch das Wasser bis zum
Hals haben (oder noch höher).Ich sehe aber nicht ein, warum ich MEHR Mitleid mit den
Flutopfern der amerikanischen Südstaaten haben soll als
mit denen in Bangla Desh, Rumänien, Deutschland (!!),
Österreich, Schweiz oder sonstwo. Oder mit den Opfern
der Tsunamikatastrophe vom zweiten Weihnachtsfeiertag
voriges Jahr.Wir sind zu einer selektiven Wahrnehmung erzogen worden,
die uns konditioniert hat alles, was mit USA zusammen-
hängt, mehr und intensiver wahrzunehmen als alles andere,
unsere eigenen Probleme eingeschlossen. Die USA ist in
unserer kollektiven und anerzogenen Betrachtungsweise
immer irgendwie aus dem "Normalniveau" der "anderen Länder"
(unser eigenes einbezogen) herausgehoben. Auch wir, die
wir gar keine Amerikaner sind, tendieren daher dazu die
USA in vielen Dingen als den Vergleichsmassstab für
alle anderen absolut zu setzen und alles an den USA
zu messen.Mit welchem Recht und aufgrund welcher historischer
Verdienste ist das so ?? Rechnen wir mal nach, was die
real existierende USA zu bieten hat:Todesstrafe (auch für Minderjährige !!)
KZ´s wie Guantanamo (heute, nicht vor 60 Jahren !!)
Alltagsrassismus gegen Indianer, Latinos und "Nigger"
Neoliberalismus (die total unsolidarische Gesellschaft)
Neokolonialismus (Europa hat die Kolonien abgeschafft)
Weltpolizeiallüren (siehe Afghanistan, Irak, bald Iran ??)
Ein veraltetes Wahlrecht, das Wahlfälschungen wie in
den schlimmsten Diktaturen Tür und Tor öffnetFür all das sind die Armen aus New Orleans und Umgebung
nicht MEHR verantwortlich als andere Amerikaner, die
von der Flut nicht betroffen sind. Aber sie sind
irgendwie MITverantwortlich, genauso wie unsere
Duckmäuser vor gut 60 Jahren auch irgendwie mit-
verantwortlich waren.Sie verdienen die strenge Strafe dieser Flut nicht,
denn die Flut schlägt blind und trifft - wie jede
Naturkatastrophe - Gerechte und Ungerechte.Aber hat Südostasien den Tsunami verdient ? Oder
Rumänien, Österreich, die Schweiz und Deutschland die
Flut vor wenigen Tagen ? Oder Tschechien, Polen
und Deutschland die Flut vor ein paar Jahren ?Alle Flutopfer, die sich nicht selbst helfen können,
verdienen das gleiche Mass an Anteilnahme und Hilfe.
Aber wo sind die grossen Worte und die grossen
Taten bei Flutkatastrophen in Bangla Desh, wo die
riesigen Überschwemmungen zu fast jedem Monsunregen
dazugehören ?>Und eine seltsame Definition von Reich hast Du: was nutzen dem US/Eurobürger >in seinem Heimatland 25 Cent, mit denen man in BanglaDesh eine Mahlzeit >erhält? Bitte verliere nun nicht die Verhältnismäßigkeit aus den Augen! Das >ist Stammtischgerede.
Es geht nicht darum. Aber in den USA gibt es genügend
Leute, die nicht betroffen und im Vergleich mit den
Opfern stinkreich sind. DIE sind in erster Linie zur
Solidarität (dort ein "linkes" Fremdwort) mit ihren
Landsleuten aufgerufen. Wir haben eigene Flutopfer,
und wenn wir mit denen nicht ausgelastet sind, dann
könnten wir z.B. den Rumänen helfen, die ärmer sind
als wir und die USA und die unsere Hilfe dringend
brauchen würden. Oder den Opfern in der Karibik und
in Mittelamerika. Oder den Opfern der Tsunamikatastrophe.
Für die wurde zwar am Anfang viel getan, aber das hat
seitfdem stark nachgelassen, obwohl dort noch lange
nicht alles wieder in Ordnung gebracht ist.>Und Mitleid verdient auch ein Mittelstandsbürger, der alles verloren hat. Denn >nun gehört auch zu den Armen, die der Hilfe bedürfen.
Ja, aber in erster Linie von seinen Landsleuten,
wenn er in einem "Reichland" zu Hause ist.>Übrigens: in den betroffenen Gebieten haben die Leute nicht nur ihre >Habseligkeiten verloren, sondern auch den Broterwerb, den Job. Ein Neuanfang >wird also doppelt schwierig.
Also in etwa so wie in der Aceh-Provinz auf Sumatra oder
im Osten von Sri Lanka ??Mitleid und Hilfe ist unteilbar und steht allen
Notleidenden zu, da sind wir uns einig. Aber diese
Notleidenden im Süden der USA sind nicht ganz so
verlassen wie etwa die in Rumänien oder auf Sumatra -
oder bräuchten es zumindest nicht sein, wenn in
USA Grundwerte wie Mitleid, Anteilnahme und gegen-
seitige Hilfe grösser geschrieben würden.Ja ich bezeichne mich als Christen, obwohl ich
(noch) nicht katholisch bin. Aber die vielen
Revolver-"Christen" in den amerikanischen Freikirchen,
die offenbar nicht mal die Bergpredigt gelesen
haben und zu denen sich Bush zählt - die fasse ich
nicht als Christen auf, weil sie nicht mal versuchen
herauszufinden, was Jesus gepredigt und gewollt hat.Gruss
Franke
- Problem des Mitgefühls Spitama 01.9.2005 12:01 (2)
- Klar habe ich Mitgefühl franke43 01.9.2005 12:45 (0)
- Anhang: "Bundesregierung bietet USA Hilfe an" Na bitte ... Spitama 01.9.2005 12:09 (0)