Alles ist so kompliziert

Geschrieben von Odin am 30. Juni 2006 08:37:51:

Odin am 30. Juni 2006 08:37:51:

Als Antwort auf: Re: Jetzt begreife ich gar nix mehr geschrieben von AlexP am 29. Juni 2006 18:36:54:

Hallo

>>Kurz: Da wird man aber mit der Zeit drauf verzichten, da gammeln billiger ist.
>WER wird da drauf verzichten ? Für WEN ist gammeln billiger ?

>Auf Dauer ist es für den Staat billiger Gammler statt Zwangsbeschäftigte zu bezahlen.

Und warum macht man das dann nicht so ? Das hat man doch früher
mit der "Stütze" auch so gemacht.

>Und: WIE und WOVON sollen die Leute überleben, die gegen ihren
>Willen arbeitslos (geworden) sind ?

>arbeitslos != erwerbslos.
>(Arbeit zu Erwerbszwecken ist nicht mein Ding.)

Leider geht es nicht danach, was Dein Ding oder mein Ding ist, sondern
es geht nach den Gesetzen, die existieren, bzw. nach den kollektiven
Vorurteilen der Bevölkerungsmehrheit. Diese Vorurteile stammen aus einer
Zeit des Wirtschaftswunders und der Vollbeschäftigung:

"Wer arbeiten will, findet auch Arbeit .." (= Die Wahrheit von vorgestern)

>Auch ich bin der Meinung, dass Fleiss belohnt und Faulheit bestraft werden soll.
>Ich bin dafür dass Fleiss belohnt wird, aber nicht dass Faulheit bestraft werden muss.

Gut, auf diese Formulierung können wir uns einigen. In der Natur würde
kein Tier arbeiten, nur um zu arbeiten. In der Natur muss jede "Arbeit"
einen Sinn haben, z.B. Nahrungssuche, Schutz vor Feinden, Suche nach
einem Revier, Verteidigung des eigenen Reviers, Partnersuche für die
Fortpflanzung. Was nicht irgendeinem Ziel dieser Art dient, wird nicht
gemacht.

>Ich bin aber nicht der Auffassung, dass Faulheit ein Tatbestand ist,
>der die Todesstrafe (Verhungern durch Streichung aller Gelder)
>rechtfertigt.

>Im ungünstigsten Fall gibts kein Geld, sondern nur Naturalien. Verhungern muss zur Zeit und in den nächsten Jahren keiner.

OK das habe ich nicht gewusst. Ich habe gedacht man lässt die Leute,
denen zur Strafe ¨"Hartz IV" gestrichen wird, wirklich ohne alles
verrecken wie im finstersten Busch ... oder in Paraguay. Solche
Irrtümer erklären sich daraus, dass ich nicht in Deutschland lebe.

>>Nehmen wir einen 1 Euro Job, der kostet den Staat doch viel mehr als die Leute daheim bleiben lassen.
>Abgesehen davon dass ich nicht durchschaue warum:

>Für jeden Euro den der arme Schlucker für die 1-Euro-Arbeit bekommt, zahlt der Staat locker 10 Euro, zum einen an die ganzen Vermittler und Bearbeiter und Infrastruktur. Teilweise werden die Kosten sauber vermauschelt. Kein Wunder dass durch das Hartz-Konzept die Kosten explodieren.
>In meinen Augen wäre es besser gleich 5 Euro zu zahlen, für jede Stunde die nicht gearbeitet wird. Macht 5 Euro mehr in der Staatskasse.

Nur: warum macht man das dann nicht gleich so ?

>Wenn ich eine Agentur für die Vermittlung und Betreuung von 1-Euro-Jobbern aufmachen würde, könnte ich locker 200-500 Euro pro "Opfer" einstreichen >bei etwa 1 Stunde Arbeit im Monat. Die 1-Euro müsste ich auch nicht zahlen, da die der Staat übernimmt usw...

Warum machst Du keine auf ?

>Für den betroffenen Arbeitslosen ist das völlig irelevant.
>Nein. Durch gammeln hätte der Arbeitlose 5x soviel und der Staat die Hälfte gespart.

Besser: der Arbeitslose könnte sich sogar nebenher qualifizieren,
und das in Eigeninitiative, weil ihm ja die Zeit dafür bleibt.
Man sollte nur alles ermutigen, was Zusatzkenntnisse vermittelt,
also jede Art von Lerneifer stimulieren.

>Für den ist die Frage entscheidend, warum er als Mensch
>zweiter Klasse behandelt wird, auch wenn er ohne eigenes
>Verschulden in diesen Status gelangt ist ("wegrationalisiert")
>und diesen Status nicht aus eigener Kraft beenden kann, weil
>seine Arbeit schlicht nicht nachgefragt ist.

>Menschen erster Klasse gehen keiner Arbeit nach um Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen.

Gut, hätte ich "dritter Klasse" schreiben sollen ?

>Langfristig wird jeder Erwerbs-Arbeitsplatz wegrationalisiert egal wie qualifiziert jemand ist. Man diskutiert nicht mehr ob, sondern nur wann.

Aber warum nur ? Zu welchem Nutzen ? Ich verstehe nicht wie Menschen, also
die Entscheidungsträger, sich zu sowas hergeben können. D.h. ich kenne die
Mechanismen, die zu diesen entscheidungen führen, aber wenn ich in einer
solchen Position wäre - ich täte es nicht. Irgendeinen Vorwand, um das nicht
zu tun, würde ich mir schon einfallen lassen.

>Das hat was von "Bestrafung der Unschuldigen"
>Solange man Erwerbsarbeit als Lebensziel sieht: Ja.

Das sind kollektive Mechanismen. Der Einzelne, der das anders sieht, hat
keine Chance seiner Sichtweise Geltung oder gar Respekt zu verschaffen,
solange die Propaganda der Herrschenden weiterhin die Mehrheit aussen
herum (im "sozialen Umfeld" des Abweichlers) in der Mangel hat.


>Halte ich aber für die falsche Einstellung, die zu einem Zusammenbruch aller System führt, da man sich nicht bei Zeiten auf die erwerbsarbeitsfreie Zeit vorbereitet.

Was wir für falsch halten - wer fragt denn danach ? Und die wirklichen
Herrscher haben den Systemzusammenbruch sicher mit eingeplant und
frühzeitig dafür gesorgt, dass sie sogar DARAUS noch einen Vorteil
ziehen. denn im Gegensatz zu Hinz und Kunz WISSEN sie nicht nur, dass
der von ihenn herbeigeführte Zusammenbruch kommen muss und wird, sie
wissen sogar in etwa wann. Und letzteres Wissen haben sie sogar uns
voraus.

>>Zur Zeit werden diese Instrumente nur als Mittel genommen um eine Kürzung vorzunehmen. Das bringt dann die richtige Kohle.
>Wem bringt es die Kohle, und was soll mit denen geschehen, die
>durch die Kürzung betroffen sind ?

>Der Staat/Gemeinden sparen das Geld, wenn es eine Sperre oder Kürzung gibt. Im Zweifelsfall wird aber weiterhin die Miete und Nahrung und Krankenversorgung vom Staat bezahlt.

Na immerhin - wenigstens erspart man uns (d.h. Euch) ein Lumpen-
proletariat wie vor 100 Jahren.

>Das ist zweifellos so. Aber was ist mit den Berufsperspektiven,
>für die diese Leute sich qualifiziert haben oder die sie vor
>ihrer Arbeitslosigkeit innegehabt haben ?

>Vergiss langfristige Berufsperspektiven.

Wie soll man das, wenn unsere Zeit für jede Drecksarbeit langjährige
Ausbildungen verlangt, die eine Investition sind, die sich nicht
für 1-2 Jahre rechnet ?

>Es sind also tatsächlich Folterinstrumente. Darf ich fragen,
>warum und auf welcher Rechtsgrundlage in einer angeblich
>humanen Gesellschaft gefoltert wird ?

>Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!
>Es ist ja keine richtige Folter im Sinne des Völkerrechtes.

Unglaublich, aber wahr. Und das war ja früher auch schon so.
Auch ich singe das Lied dessen, dessen Brot ich esse. Nur habe
ich zufällig das Glück für eine gute und zukunftsträchtige
Sache zu arbeiten. Also kann ich das Lied wenigstens aus
Überzeugung singen.

>In diesem Sinne sind Hartz-IV-Empfänger de facto Sklaven der
>"Agentur".

>Im Vergleich zu vielen Zeitarbeitern oder Praktikanten gehts diesen noch gut.

Dann muss was für die Zeitarbeiter und Praktikanten getan werden.

>Wie können wir nur akzeptieren, dass in unseren
>immer noch wohlhabenden westlichen Ländern Menschen ohne
>eigenes Verschulden bis in den Zustand der de-facto-Sklaverei
>degradiert werden ?

>Die Frage ist, wer soll eine bessere Welt bezahlen. Selbst eine Enteignung aller Reichen, d.h. die Top 20% verlagert das Problem nur um wenige Jahre.

Ich lese immer bezahlen. Wie wäre es mit dieser Denkart:

Man macht einen allgemeinen Kassensturz. Wird von allem, was die
Bevölkerung zum (einfachen) Überleben benötigt, genügend hergestellt
(Kleider, Wohnraum, Essen+Trinken, Gesundheitsfürsorge etc.) ?

Wenn ja:

Dann lässt man alle Arbeitsfähigen an dieser gemeinsamen Wertschöpfung
teilnehmen (man verteilt die Arbeit an so viele wie möglich) und
erarbeitet für die Erzeugnisse einen ähnlichen Verteilungsschlüssel.

Ich weiss - das ist "Planwirtschaft" und hat im Ostblock nicht
funktioniert. Aber vielleicht lässt sich ja mal jemand eine
ideologiebefreite Variante einfallen, die ohne die hohle Rhetorik von
"Diktatur der Arbeiterklasse" und "Arbeiter- und Bauernstaat" auskommt
und in der es auch für den uns Menschen eigenen Egoismus Möglichkeiten
gibt sich auszuleben, und in der man nicht versucht einen "Neuen Menschen"
zu formen, sondern die mit den real vorhandenen Menschen auskommt.

>Das Problem ist, dass der Staat viele Jahre von der Substanz gelebt hat und alle wichtigen Systeme nicht kapitalorientiert sondern umlagebasiert sind. Das war aber schon 40-50 Jahre bekannt. Umlagebasierte Systeme zerbrechen an einer falschen Altersstruktur oder an Ressourcenmangel.

Welche Ressourcen mangeln denn ? Vermutlich hauptsächlich die fossilen
Energieträger, die für immer teureres Geld (Peak Oil) importiert
werden müssen, oder ? Ab wann rechnet sich die Kohleförderung wieder ?
Und die Umwandlung von Kohle in Flüssigbrennstoffe (Kohlenwasserstoffe)
nach Fischer-Tropsch ?

>cu AlexP

Gruss

Odin

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