Re: Was führt Hugo Chavez im Schilde?

Geschrieben von IT Oma am 05. Oktober 2006 00:42:17:

Als Antwort auf: Re: Was führt Hugo Chavez im Schilde? geschrieben von detlef am 04. Oktober 2006 21:08:15:

Hallo detlef,

Das ist eine sehr gute und prägnante Analyse!

>chavez ist kein sozialist in eurem (europaeischen) sinne.
>er ist eher ein rassist.
>in den meisten laendern lateinamerikas gibt es zwei voneinander relativ stark getrennte bevoelkerungsteile.
>einerseits die mehr europaeischstaemmigen (auch asiatisch) wohlhabenden/reichen leute, die die wirtschaftliche ober- und mittelschicht stellen.
>andererseits die reinbluetigen und fast reinbluetigen indianer und mestizen. die nur ausnahmsweise zur unteren mittelschicht gehoeren, im allgemeinen aber zur unterschicht.
>da rassen und rassismus bei euren journalisten tabuthemen sind, bezeichnen sie ihn, wie auch den neuen bolivaner als sozialisten.

Ja und nein. Es geht ihm einerseits natürlich um das Wohlergehen der Indianer, vielleicht auch um das der Mestizen (da habe ich schon ein paar Zweifel, weil die Ladinos sich gegenüber den Indianern meist schlimmer aufführen als die Europäisch- oder Asiatischstämmigen).
Aber im Grunde geht es ihm um die indianische Weltsicht, das indianische System.

>in wirklichkeit sind diese indianischen politiker eher eine art neuer inka-fuersten.

Genau.

>das gefaehrliche fuer unser wirtschaftssystem ist nicht, das sie an die macht wollen, das wichtige und gefaehrliche ist, dass ihnen kommunismus genau so fremd ist wie kapitalismus.
>indianer teilen alles, was da ist, durch alle. nachher teilen sie den mangel auch durch alle.

Richtig.

>denen ist die erhaltung von produktionsmitteln keine heilige kuh.

Jedenfalls dann nicht, wenn das auf Kosten der Gemeinschaft gehen würde.

>und das begreifen wir in wirklichkeit nicht.

Eben, das begreifen wir nicht, weil unser Credo heißt, individuell, als Einzelne/r gegen alle anderen erfolgreich zu sein und zu diesem Zweck Produktionsmittel als Einzelne/r im ausschließlichen Besitz zu haben. Diese Denkweise ist Indianern völlig fremd und gilt bei ihnen als antisozial und verachtenswert.

>chavez macht beruht darauf, dass er ein indianerhaeuptling ist. dass die indianer zu ihm halten. deshalb hat auch die ci a es nicht geschafft, ihn zu beseitigen.

Die bloße Tatsache, daß die Indianer zu ihm halten, erklärt seine Macht wohl nicht hinreichend, da es erstens in Venezuela eher wenige reinblütige Indianer mehr gibt (zum Problem der Mestizen siehe oben, die sind oft genauso übereifrig "weiß" wie Konvertiten übereifrig fromm zu sein pflegen) und die Indianer bisher auch sehr wenig Einfluß hatten. Den haben sie erst jetzt durch ihn bekommen. Allerdings, daß die Zentrale Intelligenz *g* es nicht geschafft hat ihn verschwinden zu lassen, hat er der Loyalität seiner Umgebung zu verdanken, da stimme ich Dir zu.

Vielleicht beruht seine Macht eher auf dem Weltbild, das er vertritt. Eine Alternative zu dem hemmungslos gierigen Kapitalismus und dem verbissenen Kommunismus marxistischer Prägung, und das auch noch auf dem Boden der ureigenen, viel älteren Traditionen des Kontinents - das hat schon Anziehungskraft. Gerade auch für Leute, die aufgrund ihrer Herkunft immer diskriminiert wurden, innenpolitisch von der "weißen/asiatischen" Oberschicht und außenpolitisch als Staat von den USA. Er hat denen, die vorher halb bewußtlos vor sich hin lebten, weil sie gar keine Chance sahen, eine Perspektive und eine Hoffnung gegeben. Jetzt sind sie aufgewacht. Darin liegt seine Macht.
Und er hat Mut. Er läßt sich nicht einschüchtern und nicht kaufen. Glückliches Venezuela!

Gruß
ITOma


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