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Die Endschlacht - das größere Bild (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 27.02.2014, 01:14 (vor 3712 Tagen) @ WG (5007 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Donnerstag, 31.08.2017, 08:33

Hallo!

Das Motiv hat sich im Laufe der Zeit an zahlreiche Orte geheftet, so daß unterm Tisch so gut wie alle Ortsangaben unglaubwürdig werden.

Etwa die Endschlacht bei Straßburg, zitiert nach Arthur Hübscher:
„Neben der Türkenschlacht bei Köln erscheint seit dem frühen 16.
Jahrhundert eine Endschlacht bei Straßburg. Melanchthon erwähnt sie
in einem Tischgespräche mit Luther am 15. Januar 1538, – ‚es sei eine
sehr alte Prophezeiung’. Sie begegnet uns immer wieder, es soll eine
große Schlacht gegen die Türken sein, nach welcher der Untergang der
Welt eintritt.“

Das kommt übrigens auch bei Antonius vor:
"Die Franzosen werfen sich als erste nach vorn, worauf eine Schlacht begann,
die zwei Tage dauerte und mit der Niederlage des preußischen
Heeres endetEndschlacht Unterhalb und oberhalb Straßburgs wandten sich die
Franzosen sogleich über den Rhein, und begannen, die Preußen in alle Richtungen zu verfolgen.“

Ist Antonius von Aachen im Endeffekt nur eine phantasievolle Aneinanderreihung verschiedener, dem Autor bekannter Endschlachtsagen?

Im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens heißt es zum Stichwort Endschlacht:

"Auch andrerorts sind Endschlachtprophetien bekannt. Friesische Weissagungen um 1580 kennen eine Entscheidungsschlacht zu Rispe; auch da scheint eine alte Überlieferung vorhanden gewesen zu sein. Noch älter ist die Angabe, daß bei Straßburg die Endschlacht gegen Frankreich stattfinden werde; Melanchthon, aus der Pfalz gebürtig, nennt sie eine »sehr alte Prophecey«. In England wird im 16. Jh. von der Endschlacht zu Sheriffmoor und anderorts gesprochen, zu der ein Horn das schlafende Heer aufruft. Da diese Weissagung von der des Sibyllenbuchs unbeeinflußt erscheint, dürfte es sich hier ebenfalls um alte Volksüberlieferung handeln."

Dann werden zahlreiche Orte aufgezählt, an die sich im Laufe der Zeit Endschlachtprophezeiungen hefteten:

"Lokalisierung der ENDSCHLACHT Was dazu geführt hat, die ENDSCHLACHT zu lokalisieren, läßt sich kaum sagen. Oft mögen alte Schlachtfelder genannt werden; die Bayern lassen sie z.B. auf dem Lechfelde geschehen, die Böhmen am Weißen Berge bei Prag. Vielleicht ist bei Straßburg eine ähnliche Erinnerung vorhanden. Für die westfälische Sage hat man Nachklänge der Römerschlachten annehmen wollen. Oft wird sie am Rande des bebauten Landes, an Grenzen und Landmarken lokalisiert. Der Feind durcheilt das ganze Land (Deutschland bis Köln), ehe er aufgehalten und vernichtet werden kann. Ein gleiches Gefühl spricht sich in der Annahme aus, daß erst die zweite oder dritte Schlacht Entscheidung bringt."

Diese mehreren Schlachten finden sich auch bei Antonius von Aachen wieder!

"Als Ort der ENDSCHLACHT (vgl. Schlachtenbaum) wird angegeben: Sheriffmoor, das Feld von Ringslede bei Gent, die Gegend von Amersvoord (Holland), Köln, Koblenz, Neumagen (Moselland), bei Trittenheim, die Wahner Heide (Rheinland), das Birkenwäldchen, ein Bach bei Bodberg, Dorf Schmerlecke am Lusebrinke, oder der Lausebrink bei Salzkotten, der Bockskamp, das Sintfeld bei Paderborn, Goldenstedt bei Vechta, Rispel, die Schöffe zwischen Eilenhausen und Markoldendorf, auf der Königsau, die Windmühle von Burgdorf, bei der Wiedingharde im Amt Tondern, Bornhövede oder die Kropper Heide, das Rudental mit dem Jakobsbrunnen zwischen Sackshöhe (Neu-Zizow) und Köpnitz, zwischen den Dörfern Nohra und Viselbach bei Erfurt, zwischen den Gander-Dörfern auf dem Eichsfelde, am Odensberge in Hessen, am Siegesküppel hinter Lützelwig (Hessen), Straßburg, Rems in Baden, auf dem Emmenfeld, Ochsenfeld, die Semilower Heide bei Ratzeburg, auf der Guggernollen, der Ulfiswiese (= bei Innsbruck), bei Meran, auf der langen Wiese bei Kranewitten, auf dem Lechfelde, bei Waldmünchen in der Oberpfalz, vom Gebirge (Schweiz) her an den Flüssen abwärts (Obersteiermark), in Schlesien an den Dreigräben, bei Winzig, Beuthen, Schloß Camenz, Glatz, an der Walkbrücke bei Braunau (Nordböhmen), zwischen Kronstadt und Broos in Siebenbürgen. Die Tschechen wissen von der ENDSCHLACHT am Weißen Berge bei Prag, am Blanik die Ungarn auf der Ebene von Debreczin, die Polen bei Pinsk (?)."

Es wäre wohl irrsinnig, an jedem dieser Orte im Prophezeiungsszenario eine Schlacht anzusetzen. Vielmehr müssen wir annehmen, daß ein diffuses altes Wissen über Kriegsgeschehen von der Bevölkerung auf ihre jeweilige Heimat übertragen wurde.
Irlmaier, der am Ende dieser Tradition steht, hat das Spiel mit Aachen und Köln, weil ihm (oder Adlmaier, bzw. dem unbekannten Autor) das im Szenario passend erschien, nur fortgesetzt.

In der Moderne werden dann aus Kamelen Panzer gemacht, z. B. bei der Stieglitz.

Die Frage ist, wieviel von unserem schön konstruierten russischen Feldzug überhaupt noch übrig bleibt, wenn man all diese Orte pauschal als lokale Projektionen der allgemeinen Volkssage abtut.

Zum einen scheint eine gewisse Konzentration der Aussagen in Nordrheinwestfalen vorzuliegen. Das könnt ein Hinweis sann.

Dann bedürfte es wohl der Schauungen von Menschen, die nachgewiesenermaßen sehen konnten, um bestimmte Orte zu erhärten, z. B. Ellen Grasse. Die nennt tatsächlich das Lechfeld, das auch in der Aufstellung des Handwörterbuchs zu finden ist:

"Umgestürzte, brennende Panzerfahrzeuge mit abgerissenen Türmen auf dem Lechfeld, südlich von Augsburg."

Andere Orte erscheinen im geographischen Zusammenhang sinnvoll.

Da fällt mir z. B. die Sage von der Endschlacht am "kalten Baum" ein, die der Sibylla Weis zugeschrieben wurde:

„Wenn der Wanderer auf der Heerstrasse von Vohenstrauß nach Wernberg,
in der Richtung von Ost nach West zieht, befindet er sich auf dem
Grad eines langgestreckten Bergrückens, der zu beyden Seiten ziemlich
steil abfällt, und unten rechts das liebliche Lärauthal, links das wildromantische
Thal der schauerlichen Pfreimd bilden hilft. […] und neben
ihm läuft die Spur der alten Handelsstrasse, auf welcher ehedem in der
Zeit regeren Verkehres die Landgrafen den Kaufleuten das Geleite gaben.
Da nun, hart an der Strasse, zu linker Hand, steht ein einsamer
Baum, eine Steinlinde, vor sich einen kleinen Teich, vielmehr Pfuhl, im
Rücken einen Einödhof; hier weht der Wind Tag und Nacht, Sommer
und Winter, in kalten Strömen, oft in der Stimme des heulenden Sturmes
oder des grollenden Donners, und ewig bewegt sich das Laubdach des
Baumes und theilt den Schauer des frierenden Wanderers. Darum heißt
es hier: beym kalten Baum. Dieser steigt an 80 Fuß empor und beugt
seine Krone dankbar über das Wasser, das ihn nährt und tränkt. Er war ein
Doppelbaum und steht nur mehr zur Hälfte. In dem Stamme ist eine Nische
ausgefault, groß genug um mehrere Menschen aufzunehmen. Sibylla Weis
hat ihn gepflanzt, den Baum, den Niemand kennt, und gleich einer Vala von
ihm ausgesagt, daß, wenn einst sein Ast stark genug seyn wird, um einen geharnischten
Reiter mit sammt dem Rosse zu tragen, die Feinde aus Ost und West in
zahllosen Heersäulen hier zusammen treffen werden. Dann werden sie sich
eine Schlacht liefern und bis zur Mitternachtsstunde soll das Würgen
währen, wovon so arges Blutvergiessen gegen Norden hin entsteht, daß
es die Mühle im Thale bey Lind treibt. Davon heißt der Baum auch
Schlachtenbaum. Die Rosse der Türken aber werden den Boden bedecken,
so weit das Auge reicht, und den Gräuel einer Pest verbreiten, wie
sie die Welt noch nicht gesehen. Alles Volk und Vieh fällt ihr zum Opfer.
Zuletzt wird ein Hirt heranziehen aus weiter Ferne und in dem Baume
Wohnung nehmen, seine zahlreiche Nachkommenschaft aber das öde
Land auf's neue bevölkern und fortan in seligem Frieden und Wohlstande
besitzen.“

Ich würde den Text glatt als eine wenig valide Variante der Birkenbaumsage zu den Akten legen, wenn nicht keine 30 Meter vom heute noch existierenden "Kaltenbaum" bei Vohenstrauß (im Bild links der große) die Autobahn A6 von Prag nach Nürnberg verliefe, die ein Hauptkandidat für den russischen Vorstoß aus der Tschechei ist. Schlußfolgerung: Schlacht nein, aber Heersäulen ja!

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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