Lindenlied und Proph.John.XXIII (Schauungen & Prophezeiungen)

Gerhard, Montag, 25.04.2011, 21:23 (vor 4756 Tagen) @ Gerhard (3277 Aufrufe)

Auf https://schauungen.de/forum/index.php?id=6343

hat BB eine im Sinne der Textkritik geniale und wirklich wertvolle Beobachtung eingestellt, der wir seinerzeit leider nicht weiter nachgegangen sind. In der Konsequenz müßte die Proph.John.XXIII (=PJ) unbedingt mit dem Lindenlied verglichen werden, was ich hiermit im Ansatz mal versuchen will.

Das Lindenlied ist nach meiner Auffassung eine "dichterisch-seherische" Zusammenfassung bereits vorliegender Prophezeiungen. Manchmal gehen die Übereinstimmungen des LL mit seinen Vorlagen, wie ich damals zu zeigen versuchte, bis in den Wortlaut. Außer der damals von BB gemachten Beobachtung kennen in der gesamten Prophezeiungsliteratur allein LL und PJ ein neues Konzil, und ich meine mich erinnern zu können, dass es sonst nur noch ein Konzil bei einem der französischen oder italienischen Klosterfräuleins gibt - wenn ja, könnte das die originale und erste Quelle sein (die Konzilszählung und das Vatikanum II tragen hier nichts bei, da ganz spezifisch ein Konzil nach der Wiedereinführung der Monarchie gemeint ist).

Bei der Gelegenheit darf ich hier einfügen, dass das Lindenlied keinen Ost-West-Krieg kennt (der bunte Fremdling und die Störer sind mir zu schemenhaft ...), ja nicht einmal den Zweiten Weltkrieg (was man eigentlich erwarten dürfte ...). Nach einem kurzen Reflex auf die Geschichte seit Karl dem Großen konzentriert sich das Lindenlied vielmehr ganz auf ein Land und Volk, das nach und nach innerlich zerfällt, sich richtiggehend zerfleischt, plötzlich von einer Naturkatastrophe überrascht, vom Retter-Monarchen neu aufgebaut und in der Kirche seine neue Mitte finden wird.

Wie das Lindenlied sich an das "einfache Volk" wendet, so wendet sich die Proph.John.XXIII ihrerseits an ein gebildetes und aufgeschlossenes, dabei aber marienfromm gebliebenes Publikum. In meinem vorletzten Beitrag zur PJ versuchte ich das Bild einer "upper class" und eines exklusiven Zirkels von hochgestellten Persönlichkeiten anzudeuten. Nichts desto trotz: wie das Lindenlied ist die PJ ein in sich ruhendes, geschlossenes und umgrenztes Gewebe, ein zusammenhängender Teppich von Prophezeiungen. Und einzelne Fäden in beiden Teppichen sind vielleicht vom selben Garn.

Die Proph.John.XXIII hat allerdings ungleich mehr Material: sie ist eine Kathedrale, das Lindenlied eine Kapelle. In der Kathedrale gibt es soooo viele andere interessante Dinge, dass man leicht den Überblick verliert. Aber im Kern sind sich die Aussagen in beiden Texten ähnlich: es geht um eine Gesellschaft - in der Proph.John.XXIII wird die gesamte Menschheit in den Blick genommen -, die sich selbst zerstört. Bei der PJ ist allerdings der Ausblick in die Zukunft nicht ganz so rosig ist wie im Lindenlied. Die PJ sieht zwar auch eine Monarchie (die sie sehr kritisch einschätzt), sie sieht zunächst auch weltweiten Frieden und eine erneuerte Kirche. Aber sie blickt noch einen Tick weiter, deutet weitere künftige Katastrophen an und erwartet die wirklich gute Zeit erst in einer ferneren Zukunft. Das ist aus meiner Sicht (Geschichtszyklen) sehr viel realistischer.

So wie das Lindenlied den (neuen?) Ost-West-Konflikt ausblendet, so werden in der PJ Naturereignisse fast ganz verdrängt. Beide Texte unterscheiden sich auch in wichtigen Punkten: das Lindenlied könnte man beispielsweise habsburgerfreundlich deuten (der Held ist aus dem Osten, in Wien wird ihm zuerst gesungen), während die PJ antihabsburgisch interpretiert werden könnte (Äneas) und ausgesprochen herrschaftskritisch ist.

Wenn die PJ keine genuine Prophezeiung ist und keine (was hier noch gar nicht geäußert wurde ...) Handlungsanweisung, kein Programm (!!), dann müßte ihr Autor neben ganz eminenten geschichtlichen, politische und wissenschaftlichen Kenntnissen auch ein intimer Kenner der Prophezeiungsliteratur gewesen sein. Und er müßte ein äußerst "glückliches Händchen" gehabt haben beim "Tippen" auf den Fall der Berliner Mauer, auf das Ende des Kommunismus (je 15 Jahre im Voraus) sowie auf archäologische Sensationsmeldungen (je 30 Jahre im Voraus). Dass man gar ein Pontifikat von fast 30 Jahren Dauer im Voraus in seiner Grundcharakteristik richtig er"tippen" kann (wie bei JP II ganz offensichtlich geschehen), das mag ich irgendwie nicht glauben. Was die PJ dem Lindenlied und anderen Texten also Voraus hat, ist eine teilweise "Bewahrheitung", die man provisorisch (im eigentlichen Sinn des Wortes!) akzeptieren kann. Aber nicht muss.

Ist das, was die Kathedrale PJ an mehr Material als die Kapelle LL bietet, nun dazuphantasiert? Sind es nur Schnörkel und hohle Figuren? Voraussagen über die USA spielen beispielsweise in der europäischen Schauungstradition keine bedeutsame Rolle, nur Johansson macht da ein paar längere Andeutungen, andere Seher verlieren nur wenige Worte. In der PJ ist das ein ganz ausführliches und detailliert beschriebenes Thema. Haben wir hier einen Fall vor uns wie bei "Johann Wagner's Zettelkasten"?

Während der lustige Johann Wagner sich (für mich) sehr schnell an seinen notorisch überpräzisen Ortsangaben verraten hat, besitzt der (hier mal hypothetisch unterstellte) Fabrikateur der PJ-Kathedrale doch weit mehr Raffinesse: er nennt für das neue Konzil nicht nur einen Ort (Alexandria) sondern auch weitere Details (Friedensbewegung, den Störenfried Markus etc.). Und irgendwie machen solche Details der PJ sogar einen Sinn, passen wenigstens in das Gesamtgewebe und auch zu den aktuellen geschichtlichen Entwicklungen. Wir haben heute, anders als in den 1970er Jahren den Zerfall der USA direkt vor Augen (das heißt, die Voraussagen der PJ werden "wahrscheinlich"), und nicht wenige Zeitgenossen fühlen sich heutzutage von "Verschwörern" manipuliert. In der Prophezeiungsliteratur werden extrem selten Verschwörungen thematisiert - die Lumperei der Feldpostbriefe (siehe mein paralleler Beitrag) wird hierbei etwas unvorsichtig gehandhabt. Warum sollte nun die PJ diesen ganzen diffizilen Verschwörer-Komplex mit in ihre Themen hinein nehmen? Und uns überdies positiv voraussagen, dass eines Tages diese eklige Hinterzimmerpolitik und -finanzwirtschaft ein Ende finden wird?

Bevor nicht nachgewiesen wird (wie im Fall von "Johann Wagner"), dass diese Aussagen und Voraussagen allesamt nur Phantasie und bösartiges Spiel von Carpi oder jemand anderem waren, können sie ganz pragmatisch als Instrument gebraucht werden, um laufenden Entwicklungen auf den Puls zu fühlen. Können. Müssen nicht.

Ich habe damit wieder mal genug für die PJ getrommelt. Ihre weitere Verwendbarkeit wird sich bei der Wahl des nächsten Papstes oder eines der nächsten Päpste zeigen. Denn sie macht klare Voraussagen darüber, was alles noch geschehen soll, bevor ein Papst flieht. Für Datierungsfragen kann sie damit gegebenenfalls - je nachdem wie die Prüfung ausfällt - hilfreich sein.

Ich werde erst wieder Mitte Mai dauerhafte Internetverbindungen haben. Bis dahin wünsche ich dem Forum alles Gute.

Gerhard

PS: Heute hab ich mir einen einfachen Drucker für gelegentlich notwendige Hardcopies gekauft. Die umgerechnet 30 Euro scheinen ein Freundschaftspreis für den Touristen gewesen zu sein, in Deutschland würde derselbe Drucker 40 Euro kosten (2400 Rp standen auch als Preisempfehlung auf der Verpackung). Beim Papier bekam ich ebenfalls Nachlass und zahlte umgerechnet 3 Euro (anstelle von umgerechnet 4 Euro Preisempfehlung). Das deutet an, dass die typischen "Produkte der Globalisierung" international ungefähr den gleichen Preis haben. Pommsfrits als Artikel für Touristen kosten hier ebenso viel wie im Durchschnitt in Europa. Preise für Acker- und Bauland sind dagegen extrem hoch, teilweise noch höher als in Europa, und sie explodieren geradzu (absolut sicheres Terrain für Spekulanten ...), was ein Reflex der Nachfrage gemäß Bevölkerungzahl sowie der gestiegenen Einkommen der Mittel- und Oberschichten ist. Gold kann man beliebig kaufen, keine Einschränkungen, da traditionell permanente Nachfrage (Schmuck und Aussteuer für die Frauen, Familienschatz). Der tägliche Bedarf in stadtfernen Regionen (Lebensmittel, Textilien, Baumaterial etc., jeweils aus der Produktion vor Ort) ist umgerechnet aber extrem günstig. Man muss sich nur mit Chillies usw. anfreunden können ...


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