Warum weniger, wenn man mehr haben kann!
Geschrieben von Suchender am 24. Februar 2005 23:07:
Als Antwort auf: Re: Streit um Jalta geschrieben von Tarman am 24. Februar 2005 22:30:32:
>Wer soll das bezahlen? Wovon?
>Und: Glaubt wirklich ein Einziger hier im Forum, daß diese heutigen Politiker bei einer solchen Chance entschlossen zugreifen würden? Die zahlen doch eher, damit Polen diese Gebiete behält!
>Inzwischen an Deutschland zweifelnd
>Tarman
Büsisch - Königsberg
27.10.2004KALININGRAD / BÜSINGEN (Eigener Bericht) - Die Moskauer Zurückhaltung gegenüber Territorialforderungen aus Berlin und Helsinki nutzen deutsche Parlamentarier für Offensivaktionen im Gebiet Kaliningrad. Das russische Hoheitsgebiet könnte der Gemeinde Büsingen im Bundesland Baden-Württemberg gleichgestellt werden, heißt es in den ,,Überlegungen" von 71 Abgeordneten der Oppositionsparteien CDU/CSU. Büsingen gehört zum deutschen Landkreis Konstanz und ist von mehreren Schweizer Kantonen umgeben. Schweizer Polizeibehörden dürfen in der Exklave Verhaftungen durchführen und die Arrestierten über die Grenze verbringen. Es gilt das Schweizer Wirtschaftsrecht. Die Demarche der 71 Abgeordneten hat zu heftigen russischen Reaktionen geführt. Ungeachtet der gezielten Berliner Nadelstiche läßt sich Moskau auf die fortschreitende ,,Regionalisierung" seiner Westgrenzen ein und folgt sowohl in Kaliningrad wie in Karelien deutschen Territorialplänen.
Die parlamentarische Anfrage der Bundestagsabgeordneten beschäftigt sich in über 40 Punkten mit inneren Angelegenheiten der Oblast Kaliningrad, die durchgängig als ,,Königsberger Gebiet" bezeichnet wird. So sorgen sich die Berliner Parlamentarier um den Zustand deutscher ,,Kirchen" und ,,Gutshöfe" im ,,Königsberger Gebiet" (Punkt 37), wollen den ,,Deutschunterricht im Königsberger Gebiet" durch ,,Entsendung von Deutschlehrern" verbessert wissen (Punkt 40) und ,,Planungen zum Ausbau der Infrastruktur - besonders über den Flughafen sowie über die Häfen in Königsberg und Pillau" - konkretisiert sehen 1).
Preußen
In einem weiteren Punkt bemühen die Bundestagsabgeordneten den deutsch-schweizerischen Staatsvertrag von 1964/65, der Hoheitsfragen der deutschen Exklave Büsingen regelt 2). Laut parlamentarischer Anfrage existieren ,,Überlegungen", wonach die Vereinbarung als ,,Vorbild für das Königsberger Gebiet dienen" könnte 3). Demnach hätte Russland in seiner Exklave Kaliningrad auf wirtschaftliche und polizeiliche Territorialrechte weitgehend zu verzichten. Als Zahlungsmittel müßte der Euro dienen. Auch für ,,die wirtschaftliche Kriegsvorsorge und Kriegswirtschaft (Versorgung der Zivilbevölkerung im Notstandsfall)" 4) wäre nicht Moskau, sondern die EU zuständig. Provozierender Höhepunkt der Anfrage ist ein politisch-territoriales ,,Gesamtkonzept", in dem das ,,Königsberger Gebiet" zu einer Einheit mit dem ,,Baltikum" verschmolzen wird. Als Vorstufe schweben den deutschen Bundestagsabgeordneten ,,Überlegungen" vor, wonach eine ,,Euroregion zu schaffen" wäre, ,,die geografisch in etwa mit dem historischen Gebiet Ostpreußens übereinstimmt" und den Namen ,,Prussia" verliehen bekäme.
Längst akzeptiert
Die heftigen Proteste des russischen Außenministeriums bezeichnen die Anfrage der 71 Bundestagsabgeordneten als ,,anrüchig" und monieren deren ,,Ton", aber sehen die ,,dynamischen Entwicklung der russisch-deutschen Beziehungen" dadurch in keiner Weise gefährdet. Vielmehr seien die ,,Führungen beider Länder" dabei, den Weg der ,,strategischen Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland" erfolgreich zu beschreiten 5). Völlig unberücksichtigt bleibt in der Moskauer Stellungnahme, daß das ,,anrüchige" Parlaments-Dokument aus dem Berliner Reichstag ,,Überlegungen" vorantreibt, auf die sich die russische Außenpolitik längst eingelassen hat.
Bitte
So erlaubt Moskau die Einrichtung mehrerer ,,Euroregionen", die seine westlichen Territorien in deutsche Neuordnungspläne integriert. Davon betroffen sind u.a. die Gebiete Kaliningrad und St. Peterburg (,,Euroregion Baltica"; ,,Euroregion Niemen", ,,Euroregion Karelia"). Organisator dieser ,,Euroregionen" ist die deutsche ,,Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen" (AGEG), die u.a. aus Berliner Staatsgeldern finanziert wird und als Vorposten des Auswärtigen Amtes (AA) gilt. Zwischen der AGEG sowie Aktivisten aus dem Lager der ,,Vertriebenen"-Verbände und des deutschen Rassismus bestehen nachgewiesene Beziehungen 6). Emissäre der AGEG waren bereits Mitte der 1990er Jahre mit Erkundungen in Karelien beschäftigt, um das vielfach umkämpfte und von finnischen Nationalisten beanspruchte Gebiet in einen entstaatlichten Zustand unter westlicher Verwaltung zu überführen. Nach fast zehnjähriger deutscher Vorarbeit wurde die ,,Euroregion Karelia" 2003 zur EU-Mustereinrichtung erklärt. Wie in zahlreichen anderen osteuropäischen ,,Euroregionen" umfasst die westliche Seite entschieden weniger Territorium als ihr benachbarter Gegenpart. So entfallen auf den finnischen Teil der ,,Euroregion Karelia" rund 80.000 Quadratkilometer, auf den russischen Teil mehr als doppelt so viel (180.000). Wie einer der Funktionäre der ,,Euroregion Karelia" einräumt 7), erhält nur die finnische Seite europäische Finanzmittel aus dem Programm-Topf ,,Interreg". Um Gelder für Vorhaben auf dem russischen Gebietsteil darf Moskau ,,bitten", bestätigt der Gründungsmanager der ,,Euroregion".1) Kleine Anfrage der Abgeordneten Jürgen Klimke, Dagmar Wöhrl u.a. und der Fraktion der CDU/CSU: Wirtschaftliche Zukunft des Königsberger Gebietes nach der EU-Osterweiterung; Deutscher Bundestag Drucksache 15/3746, 21.09.2004.
2) Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland Über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen am Hochrhein in das schweizerische Zollgebiet, abgeschlossen am 23. November 1964
3) Kleine Anfrage ..., Punkt 31
4) Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland ..., Art. 2
5) Kommentar des Departements für Information und Presse des Aussenministeriums Russlands Nr. 2220 vom 15.10.2004
6) s. Hintergrundbericht: Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG)
7) Tarja Cronberg: Europe making in action: Euregio Karelia and the Construction of EU-Russian partnership, www.st.karelia.ruhttp://www.german-foreign-policy.com/de/news/article/1098828000.php
- Re: Warum weniger, wenn man mehr haben kann! Suchender 02.3.2005 08:35 (4)
- Re: Warum weniger, wenn man mehr haben kann! Badland Warrior 02.3.2005 09:13 (3)
- Re: Warum weniger, wenn man mehr haben kann! Wizard 02.3.2005 23:13 (0)
- Nachtrag Badland Warrior 02.3.2005 09:18 (1)
- Re: Nachtrag Suchender 02.3.2005 09:36 (0)