Einwände

Geschrieben von franke43 am 03. Februar 2004 13:51:33:

Als Antwort auf: Re: Ein Streifzug durch die USA geschrieben von DaveRave am 03. Februar 2004 12:50:36:

Hallo

Der zitierte Text verdient einige Einwände.

>Hallo Franke,
>so klug einige Deiner Beiträge bisweilen sind, so unausgewogen bist Du beim >hema "USA". Ich weiß, daß diese für Dich ein rotes Tuch darstellen und bereits >die bloße Nennung von Amerikanismen vermag es, bei Dir einen Brechreiz zu >erzeugen.

Bei den Amerikanismen geht es mir um die Sprachentwicklung.
Weiter unten werden Goethe und Schiller zitiert. Eine Sprache,
die Literatur wie die der beiden (und vieler anderen) Autoren
hervorgebracht hat - hat die diese Überfremdung nötig ?

>Wie JEDES Land und JEDE NATION haben natürlich auch die USA sowohl Licht- als >auch Schattenseiten - die einen mehr, die anderen weniger.

Stimmt. Hier ging es aber darum, der ständigen Zurschaustellung
der Lichtseiten auch die Schattenseiten hinzuzugesellen.

Genau wie das umgekehrt bei Deutschland berechtigt wäre, dessen
Geschichte ja nicht nur aus 1933-45 besteht.

>Du fragst nach den postiven Errungenschaften der USA. Nun das dürfte nicht >sehr schwer sein. Ein Text von Dr. Joachim Granzow widerlegt die vermeintliche >Kulturlosigkeit der USA meines Erachtens knapp und gut:

>"Eines der beliebtesten deutschen Vorurteile in Deutschland ist die Annahme, >die USA hätten keine Kultur, weil sie ja in einer Wildnis ohne eigene >Kulturgeschichte gegründet wurde.

So geht´s schon mal los. Es war die Propagande der Einwanderer
(Besetzer), dass die USA in einer "Wildnis" gegründet wurden.
Die ursprünglichen Bewohner dieser "Wildnis" hatten dazu eine
völlig andere Auffassung. Sie waren auch keine "Wilden".

>Dies ist ein sehr dummes Vorurteil.
>Kulturgeschichte steckt nicht im Grund und Boden, sondern in den Köpfen der >Menschen. Und ihre Köpfe nahmen die Auswanderer bekanntlich in die USA mit, >und damit auch die gesamten Errungenschaften der europäischen Kultur, >Zivilisation und vor allem der Aufklärung.

OK es ist das Recht der Auswanderer gewesen, ihr Kulturgut in
die neue Heimat mitzunehmen und dort aus den Bruchstücken was
Neues zu schaffen. Aber

Aufklärung - das war ja nicht nur die Abschaffung von Feudalismus
und Fürstentyrannei.

>Damit nicht genug:
>Im Gegensatz zum alten Europa wurde in Amerika umgehend die Gelegenheit >genutzt, diese Erkenntnisse auch konsequent umzusetzen.

Konsequent ? Unter Ausschluss der Ureinwohner und der zwangs-
importierten Afrikaner von genau den Rechten, die man sich
(also den europäischen Einwanderern) selbstverständlich
zugestand ?

Und im amerikanischen Süden entstand nicht etwa ein neuer
Adel von Grossgrundbesitzern nach schlechtem europäischem
Vorbild ? Nur wurden die leibeigenen europäischen Bauern
durch die farbigen Sklaven ersetzt.

>Während Europa noch zahlreiche Kriege bis Mitte des 20. Jahrhunderts >benötigte, legten die USA schon 1776 die Grundlagen für Demokratie und >Menschenrechte.

Und WEM kamen diese Menschenrechte zugute ?

>Gut, die Schwarzen und die Indianer duften noch nicht mitwählen.

Sie durften nicht nur nicht mitwählen, sie wurden verfolgt
und umgebracht (Indianer) bzw. eigens zur Erledigung von
Zwangsarbeit in Gefangenschaft gehalten (Farbige).

>Auch Frauen übrigens nicht. Doch nirgends sonst auf der Welt, nicht einmal in >England, gab es damals ein breiter gegründetes Wahlrecht. Die Errungenschaften >von 1776 werden durch ihre an heutigen Maßstäben bestehenden Defizite also in >keiner Weise geschmälert.

Diese "Defizite" rechtfertigten den Indianermord bis zur Zeit
von Cochise und Geronimo und die Ausgrenzung der Farbigen
bis weit in die 60-er des vorigen Jahrhunderts, wenn nicht
sogar noch bis heute.

>Speziell Deutschland zeigte noch besonders lange ein auffallendes Desinteresse >an Demokratie und Menschenrechten.

Das Interesse war vorhanden, aber die deutsche Kleinstaaterei
verhinderte eine zusammenhängende entwicklung wie in Frankreich.
Daher stand noch 1848 erst mal die Schaffung einer nationalen
Einheit im Vordergrund, welche ja auch 1871 nur unter Beibe-
haltung einer Teilautonomie der noch vorhandenen Monarchien
erreicht wurde. Frankreich hatte EINEN König zu beseitigen,
Deutschland DUTZENDE grosser und kleiner Potentaten. Erst
Napoleon hat deren Anzahl drastisch auf ein überschaubares
Mass reduziert.

>In Sachen Aufklärung hinkte Deutschland hinterher. Goethe und Schiller waren >weitgehend unpolitisch,

Schiller unpolitisch ? Wie beginnt die "Glocke":

"In tirannos"

>und Immanuel Kant hat ein derartig singulär hohes Niveau, dass er außerhalb >eines kleinen Kreises von Intellektuellen damals wie heute kaum verstanden >wurde.

>Die breite Bevölkerung Deutschlands empfand nie das Bedürfnis nach Freiheit, >sondern richtete sich bequem in dem Absolutismus ein mit der Gewissheit, dass >ein aufgeklärter Monarch schon das Richtige tun werde.

Die breite Bevölkerung Deutschlands war seit dem Zusammenbruch
des Napoleonischen Reichs flächendeckend vom Geheimpolizei-
apparat der Metternich-Ära überwacht. Wobei es keinen Unter-
schied machte, in welcher der Teilmonarchien man wohnte. Alle
Könige und Fürsten nutzten die Totalüberwachung, um ihre von
Gottes Gnaden verliehenen Posten und Privilegien nicht zu
verlieren.

>Die Paulskirchenverfassung war eine Professorenveranstaltung, und das Deutsche >Reich mit dem Dreiklassenwahlrecht in Preussen war wieder eine bequeme >Monarchie.

>Das Desinteresse der Deutschen an Freiheit und Mitsprache, gepaart mit >Obrigkeitsglauben, wiederholte sich übrigens in der NS-Zeit und in der DDR.

Der grosse Unterschied in den Voraussetzungen bestand nicht
zu den USA, sondern zu Frankreich mit seinem frühen Zentralismus.

>Die Demokratie wurde nicht freiwillig eingeführt, sondern als Folge des ersten >Weltkrieges und auf Druck der USA. Erst die Befreiung durch die USA führte zum >Grundgesetz, was manche Menschen den USA bis heute übel nehmen.

Hier muss ich den Amerikanern beipflichten: Deutschland war
ab 1945 als "besiegter Feindstaat" zu behandeln und nicht
als "befreites" Territorium. Das entsprach den Tatsachen.
Aber war es wirklich nötig, die Leute per Flächenbombardements
auf zivile Ziele (grosse und mittlere Städte) und per Tief-
fliegerterror gegen die Menschen auf dem flachen Land zu
befreien ? Hatte die Kriegsmaschinerie der USA nicht die
Möglichkeit, ordentlich im Waffengang gegen reguläre
Truppen den Sieg zu erringen und das geknechtete Volk zu
"befreien" ? Wobei sich die US-Militärs nicht mal auf die
Rachegelüste hinausreden konnten, die der Roten Armee als
Entschuldigung hätten dienen können. Auch wenn die
Terrorbombardements gegen zivile Ziele zuerst von der
deutschen Seite aufgegriffen wurden (schon im 1. WK !),
war das kein Grund, zum selben Mittel zu greifen, wenn
der militärische Sieg sich auch anders und ritterlicher
erreichen liess.

>Die USA verdienen unseren größten Respekt, denn sie waren die ersten, die >Demokratie und Menschenrechte konsequent förderten und damit erst die guten >Seiten den europäischen Kultur zur Entfaltung brachten."

Zu "konsequent" siehe oben. Frankreich hat wohl nichts für
die Menschenrechte und die Demokratie in Europa getan,
oder ? Preussen hat unter dem Eindruck von Frankreich
selbst die Leibeigenschaft abgeschafft - ein grosser Schritt
damals, weil er gegen die Interessen des Landadels getan
werden musste. Italien hat sich im Risorgimento wohl
nicht erfolgreich vereinigt ?

>Viele Grüße!
>DR

Auch

Franke


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