off topic. Der «leere» Speisezettel der «Jasmuheen»

Geschrieben von Napoleon am 30. Oktober 2003 10:11:17:

Als Antwort auf: NACHRICHTEN (30.10.) (owT) geschrieben von Johannes am 30. Oktober 2003 00:06:08:



Seit sie nur von Licht lebe, habe sie mehr Energie, sagt Jasmuheen («Duft der Ewigkeit»). Die Lehre von Ellen Greve, alias Jasmuheen, löst Kopfschütteln aber auch Entsetzen aus. Sie verkündet, sie brauche seit 1993 weder zu essen noch zu trinken. Der «göttliche Eine in ihrem Innern» versorge sie mit der Lebensenergie «Prana». Und nicht nur sie. Sondern jeder, der es wolle. Mit ihrem «21-Tage-Prozess» könne der Mensch «frei werden» von dem «Zwang essen zu müssen». Dabei geht es um die Umstellung von fester Nahrung auf «Prana», das von der Licht-Predigerin auch mit «Qi» verglichen wird. In den ersten sieben Tagen darf weder gegessen noch getrunken werden, in den folgenden dürfen lediglich verdünnte Fruchtsäfte konsumiert werden. Anhänger streiten sich sogar, ob in den ersten sieben Tagen Speichel geschluckt werden darf, da auf diese Weise ein paar Tropfen in den Magen gelangen. Laut eigenen Aussagen lebt die 44jährige Australierin seit 1993 von «kosmischem Licht», das der Körper in die Lebensenergie Prana, in göttliche Energie umwandeln und die Transformation zum höheren Wesen vollziehen soll. Der Mensch müsse sich bewusst werden, dass uns der «göttliche Eine in unserem Innern» ernähren könne. Künftig soll die Menschheit «frei» von Nahrungsmitteln leben können. (1) Mindestens drei Personen starben während der Hungerkur. Obschon sich bei der «Lichtnahrung» alles um die Freiheit dreht «selbst wählen zu können.» Zu den Todesfällen meint Jasmuheen, der Tod eines Menschen sei ohnehin vorbestimmt. Angesichts der Chance, den Welthunger zu überwinden, müsse man solche Vorfälle in Kauf nehmen. Weiter kommentiert die Esoterikerin: «Vielleicht waren sie noch nicht bereit für die Umstellung und hatten nicht die richtige Motivation.»

Jasmuheen sagt, die positiven Auswirkungen seien viel zu zahlreich um sie überhaupt aufzuführen. Wer von der Sucht und dem Zwang essen zu müssen frei geworden sei, dem offenbare sich reine Freude, keine Krankheit, Gefühle des Lebenssinns und der Leidenschaft im Leben, phantastische Beziehungen, Fülle auf allen Ebene... (etc.) So tritt häufig «gleichzeitig ein verstärktes Hellsehen, Hellhören und Hellfühlen auf.» (2) Nach diesem Prozess könne der geneigte Lichtesser zwischen fein- und grobstofflicher Ernährungsweise hin und her zappen. Einmal um des Geschmackes Willen («Orgasmus im Mund»), oder an einer Tafelrunde um sozialen Ansprüchen zu genügen.

Wenn die Chakren und Meridiane einmal geläutert sind (à 21-Tage-Prozess), labe sich der Mensch soweit an Prana, dass jegliche weiter Form der Ernährung überflüssig werde. Man brauche bloss zu glauben, dass wir von der Nahrung die wir zu uns nehmen unabhängig sind. Ein neues Bewusstsein. Wie idiotisch von uns Westlern zu glauben, dass wir ohne «Schnipo» sterben würden.
Ähnlich den Ideen Blavatskys will Ellen Greve ihre Wunderbotschaft ebenfalls von Meistern aus der astralen Eben diktiert wissen. (3)

Stirbt jemand dabei? - Sicher.
Ob jemand bei dem Prozess sterben könne, fragt die attraktive Australierin mit norwegischen Wurzeln in einem ihrer vielen Bücher. «Das ist», lässt sie uns mit der Frage nicht alleine, «als würde man fragen, ob es passieren kann, dass jemand stirbt, wenn er an einem 100-km-Maratohn teilnimmt. Wenn jemand unvorbereitet ist - sicher.» «Früher nahm ich an, der Mensch müsste essen zum überleben.» Von dieser «völlig falschen Annahme» ist die Lichtesserin mittlerweile geheilt. Überhaupt habe das Essen, global betrachtet, nur negative Auswirkungen. Deshalb sei es unlogisch damit weiterzumachen, nur weil man es sich angewöhnt hat.

Ausgebaut will Jasmuheen dagegen ihr Training haben: Dieses umfasst Gewichtheben, Tanzen, Aerobic, Tanz der Derwische und Meditation. Zeit habe sie genug, den ihr Lebensstil, den sie «Luscious Lifestyle» nennt, ermögliche es ihr, mit vier oder weniger Stunden Schlaf auszukommen. Apropos Schlaf. Bei einer Ernährung mit Licht brauche man nur noch die Hälfte davon oder auch gar keinen mehr. Mit jemandem konfrontiert zu werden, der darauf bestehe, dass ihr Weg unmöglich sei, bezeichnet die Lichtesserin als eigenartig. Und als ein gute Übung. Klar ist ihr auch, «dass es weltweit eine massive Erziehung zum Umdenken braucht.» Dass die Menschheit so sehr an der Vorstellung «essen zu müssen» festhält wäre nicht weiter verwunderlich, schliesslich «glaubten wir während vielen Leben lang, wir bräuchten Essen um zu überleben.» (4) Im weiteren «juckt es mich nicht, was Menschen über unsere Arbeit sagen.» Dafür juckt es sie, was darüber geschrieben wird. Immerhin lässt sie sich in ihrem Buch «Licht Botschafter» auf insgesamt mehr als zehn Seiten über die bösen, bösen Medien und die hinterwäldlerischen «Ungläubigen» aus.

Die «Gläubigen» andererseits und ihre Bücher verkaufen sich 100'000fach, sind «Kriegerinnen und Krieger, deren aktuelles Augenmerk auf positiven persönlichen und planetaren Fortschritt liegt.» Zur Vorbereitung auf die 21-Tage-Rosskur empfiehlt Jasmuheen Meditation, umschalten auf vegetarische, später veganische Ernährung, Akupunktur und weitere alternative Therapien sowie die Erstellung eines elektromagnetischen Kraftfeldes um den Körper. Nicht zu vergessen das «Übergabegebet» in dem man dem wir dem «göttlichen Einen in unserem Innern» «erlauben», uns künftig ernähren zu dürfen. Inklusive allen Bitten, um Mineralien und Vitaminen. (5)

Sogar esoterische Zeitschriften wie «Spuren» und «Esotera» berichten in kritischen Tönen über die Mutter zweier Töchter. Gleich wie die «Sonntags-Zeitung» und die «Guardian». Gestützt auf australische Quellen berichteten die Blätter etwa über ihren gut gefüllten Kühlschrank («Das ist nur für meinen Mann»; Warum hat den der noch nicht auf den angeblich soviel besseren Lebensstil umgeschaltet?), über ihr bestellen eines vegetarischen Menüs (erst Stritt sie die Bestellung ab) oder ihren Käsekräcker und Flüssigkeitsbedarf. Aber eben, nach dem Prozess kann man jederzeit zwischen der pranischen und der herkömmlichen Nahrung hin und her wechseln. Jeder Zeit. Jeden Tag. Mehrfach. Von Mahlzeit zu Mahlzeit. Jasmuheen sieht im «Prana» die Nahrungsquelle für das dritte Jahrtausend. Fragt sich nur, warum Tausende und Abertausende von Kindern in der dritten Welt verhungern, wenn der Mensch gar nicht zu essen braucht. Angesichts dessen wirkt Jasmuheens Lehre zynisch bis arrogant. Warum verkündet sie ihre «freimachende» Lehre nicht im Sudan? Weil sie dort ihre Kurse nicht bezahlen können? Oder weil diese Menschen in der atlantisch (dieses Wort ist auch Jasmuheen nicht unbekannt) arischen transformierten Edelrasse keinen Platz haben? Immerhin sieht sie ihren Weg nicht nur als Einweihung und Transformation für «spirituelle Krieger», sondern auch als Rezept für den Welthunger. Und auch für den Westen sieht die duftende Australierin nur Vorteile. Man hat mehr Geld, zum Beispiel für Kleider, mehr Zeit mehr Raum, schliesslich brauche dieser Lebensstil keine Küche mehr... (6)

Nach der dreiwöchigen Fastenkur soll der Körper umprogrammiert sein und die physische Energie aus dem «kosmischen Licht» beziehen. Der Organismus soll ab dann nicht mehr nach physiologischen sondern nach spirituellen Gesetzen funktionieren. «Ein gesundes Leben ohne Nahrung setzt die Fähigkeit voraus, diese göttliche Kraft anzuzapfen, um sich auf diese alternative Weise ernähren zu können.» Dazu müsse lediglich das «Christusbewusstsein» in unserem Herzen freigesetzt werden. (7) Wenn jemand nicht von der herkömmlichen Nahrung loskommt, hänge dies damit zusammen, dass er noch zuwenig meditiert habe. Oder zuwenig diszipliniert war oder noch nicht bereit für diesen Fortschritt... Wer also nicht auf die Nahrung verzichten kann, ist noch nicht bereit für die höhere Entwicklungsstufe. Trotz täglich mehrstündiger Meditation, Lösung von Energieblockaden in diversen esoterischen Disziplinen. Also, noch mehr Kurse, noch mehr Therapien aber das mit dem leeren Speisezettel klappt noch immer nicht. Bis dem geneigten Lichtesser klar wird, dass er eine niedere Spezies ist. Noch nicht bereit für das neue Zeitalter. Souveräne und gezielte Förderung von Minderwertigkeitskomplexen.
Wer diesen Weg einschlägt muss «ein hohes Mass an physischer, emotionaler, mentaler und spiritueller Fitness Aufrechterhalten», meint Ellen Greve. Jesus, Buddha, Mohammed, Krishna und so weiter seien alle auch «Licht Botschafter» - so nennt Jasmuheen ihre «spirituellen Krieger» - gewesen.

10'000 sudanesische Hungermissionare?
Bis ihr Weg Schule machen könne, brauche es aber noch zahlreiche wissenschaftliche Tests, meint Jasmuheen. Und sie fordert die Wissenschaft dazu auf. Immerhin will die Lichtmeisterin bei sich genetische Veränderungen festgestellt haben. Sie verfüge über zwölf DNA-Stränge statt der üblichen zwei, wie jeder normale Mensch. Eine Gruppe von Skeptikern bot ihr umgehend 30'000 australische Dollar, falls sie ihr sensationelles Erbgut wissenschaftlich (also ganz in ihrem Sinne; eigentlich) untersuchen lasse. Bislang mochte sie das aber nicht tun. (8) Immerhin hofft sie aber: «dass der Weltöffentlichkeit irgendwann genügend glaubwürdige Forschungsergebnisse vorliegen...» Aber auch andere lukrative Angebote, die erst noch zur weltweiten Aufklärung geführt hätten, schlug die Greve aus: Die neuseeländische Vereinigung der Rationalisten und Humanisten bot ihr umgerechnet 95'000 Mark, wenn sie einen Monat lang unter Aufsicht hungert und anschliessend einen Kilometer läuft. Was bisher ebenfalls nicht geschehen ist. (9)

Dafür förderten Jasmuheens körperinterne Nachforschungen weitere medizinische Fortschritte zu Tage: Nach der Umstellung auf Prana lasse sich auch die Empfängnisbereitschaft regeln. Die Lichtwesen und «aufsteigenden Meister», mit denen die Australierin ständig kommuniziert offenbaren ihr solche, aber auch ganz andere Neuigkeiten: «Uns ist es gleich, welchen Namen ihr eurem Gott gebt, solange ihr ihn nur ruft», will Jasmuheen mehrfach vernommen haben. (10) Auch Mediziner lassen von sich vernehmen: Die Reserven in Organen und Muskeln werden angezapft, es kommt zu einer Ansäuerung, der Körper verliert Wasser. Leberschäden können eine von vielen Folgen sein. Das Immunsystem werde geschwächt; Infektionsgefahr. Sinkt der Blutzuckerspiegel kann der Lichtesser ins Koma fallen. (11) Die Bibel kennt ebenfalls einen vollen Speisezettel.
«Du sollst essen!», war einer der ersten Befehle Gottes. «Du sollst nicht essen!», lautet Jasmuheens Lehre. Für die meisten ihrer Anhänger ein Krampf, ein Doppelleben zwischen Hungern und nächtlich gross angelegten Überfällen auf den Kühlschrank.

Schade nur, das Jasmuheen ihren Duft der Ewigkeit noch nicht in die dritte Welt gebracht hat. Ob es daran liegt, dass dort die Kurskosten in dreistelliger Höhe nicht beglichen werden können (geschweige denn den dreiwöchige Kurs für 3000 DM; Prana inklusive)? Nun den, auch gerechte Ressourcenverteilung, auch wenn es dabei nur um das allgemein zugängliche Element «Luft» geht, hat offenbar ihren Preis. Jasmuheen meint, sie müsse zuerst genügend Lichtarbeiter haben, um ihre Mission in die ganze Welt zu tragen. Was wäre aber authentischer, wenn sie 10'000e von 15jährigen Teenies, einst dem Hungertod nahe und jetzt beinahe übersättigte Lichtesser mit der «freimachenden» (12) Jasmuheenschen Botschaft in die zurückgebliebene, Wurst und Brot essende, Zivilisation senden würde? Einen besseren Beweis könnte sie kaum liefern. Aber wer weiss, vielleicht gehört das Verhungern nach Ansicht der Australierin zum Karma dieser herzigen Kinder? Gemäss Blavatsky & Co. werden diese eh durch eine planetarische Überrasse ersetzt. «...im Moment mag das zwar als Tragödie erscheinen, aber...»



Antworten: