Re: Eurozentrismus und die Besonderheit unserer Gesellschaft und Zeit

Geschrieben von HotelNoir am 03. Oktober 2003 08:35:41:

Als Antwort auf: Re: Eurozentrismus und die Besonderheit unserer Gesellschaft und Zeit geschrieben von Andreas am 02. Oktober 2003 17:53:13:

Jede Epoche hat ihre Besonderheiten, das ist klar. Doch die heutige Zeit ist mit Nichts anderem vergleichbar. Die industrielle Revolution hat ein Leben hervorgebracht, das so noch nie war. Die Bevölkerungsexplosion ebenfalls überdeutlich, das heute Besonderes vor sich geht.
Mit scheint, Widdowson ist sehr stark im Werten. Er vergleicht Kulturen wie wenn es einen Massstab für Leben gäbe. Er sucht Schuldige wie z.B. Deutschland und das hat Einfluss auf die Objektivität beim Analysieren von Prozessen, was er sich ja rühmt zu tun. Solche Autoritäten sind m.E. immer etwas zweifelhaft, egal wie gekonnt sie sich artikulieren, schlussendlich geht es ihnen darum, mit ihrer subjektiven Weltsicht andere zu bekehren und sich selber zu bestätigen.
Sicher kann man heute eine dekadente Spassgesellschaft entdecken, der interessante Punkt ist aber, das man heute beinahe Alles entdecken kann, was man will. Der "Geist" des Lebens ist vielfältiger geworden, somit auch flexibler. Ob das "gut" oder "schlecht" ist, interessiert mich nicht, und noch weniger interessiert mich wie irgendein anderer Alter Ego das findet. Es hat keine Bedeutung. Interessant sind Menschen, die sich jenseits einer konditionierten Werteskala Gedanken über die gesellschaftlichen Prozesse machen.
Grüsse HotelNoir

>>der Kulturpessimisus Widdowsons entspricht mir auch nicht gerade, er ist zu statisch, berücksichtigt nicht das geistige Wachstum der Menschen gerade in der letzten Zeit.
>Aber genau das ist doch. Viele Menschen zu allen Zeiten haben gedacht, sie seien in einer besonderen Zeit und "gerade jetzt" fände ein grosses "geistiges Wachstum" statt. Hammurabi schrieb für Babylon schon vor Tausenden von Jahren ein Gesetzbuch, im Mittelalter schrieben Mönche in minutiöser Arbeit ganze Bücher ab, in der Renaissance wurden wunderbare musikalische Werke komponiert. Wir sind nichts besonderes und wir denken nichts besonderes. Ja vielmehr scheinen die echten kulturellen und technologischen Leistungen - besonders angesichts der Mittel, die uns heute im Vergleich zu früheren Zeiten zur Verfügung stehen - immer spärlicher zu werden*. Dafür gibt es immer mehr dekadenten Schrott wie die "Superstar"-Sendung und tausende von dubiosen Esoterik-Anzeigen in den Zeitungen. Ist das etwa geistiges Wachstum?
>(Ich habe meine Zeilen absichtlich etwas provokotiv formuliert, damit klar ist, worauf ich hinaus will)
>Gruss
>Andreas
>
>*Das Werk von Widdowson wird mit hoffentlich ein grosses Echo erhalten. Im Vergleich dazu ist Huntington's "Kampf der Kulturen" (von dem ich nicht viel halte) reinste geistige Kleingärtnerei.



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