geistiges Wachstum, Industrialisierung und Widdowsons politische Ausrichtugn
Geschrieben von Andreas am 03. Oktober 2003 10:44:02:
Als Antwort auf: Re: Eurozentrismus und die Besonderheit unserer Gesellschaft und Zeit geschrieben von HotelNoir am 03. Oktober 2003 08:35:41:
Jede Epoche hat ihre Besonderheiten, das ist klar. Doch die heutige Zeit ist mit Nichts anderem vergleichbar. Die industrielle Revolution hat ein Leben hervorgebracht, das so noch nie war. Die Bevölkerungsexplosion ebenfalls überdeutlich, das heute Besonderes vor sich geht.
>Mit scheint, Widdowson ist sehr stark im Werten. Er vergleicht Kulturen wie wenn es einen Massstab für Leben gäbe. Er sucht Schuldige wie z.B. Deutschland und das hat Einfluss auf die Objektivität beim Analysieren von Prozessen, was er sich ja rühmt zu tun. Solche Autoritäten sind m.E. immer etwas zweifelhaft, egal wie gekonnt sie sich artikulieren, schlussendlich geht es ihnen darum, mit ihrer subjektiven Weltsicht andere zu bekehren und sich selber zu bestätigen.
>Sicher kann man heute eine dekadente Spassgesellschaft entdecken, der interessante Punkt ist aber, das man heute beinahe Alles entdecken kann, was man will. Der "Geist" des Lebens ist vielfältiger geworden, somit auch flexibler. Ob das "gut" oder "schlecht" ist, interessiert mich nicht, und noch weniger interessiert mich wie irgendein anderer Alter Ego das findet. Es hat keine Bedeutung. Interessant sind Menschen, die sich jenseits einer konditionierten Werteskala Gedanken über die gesellschaftlichen Prozesse machen.
>Grüsse HotelNoirHallo HotelNoir
Ich sehe nicht ganz, worauf Du hinauswillst. Erst kritisiest Du die eurozentrische Sicht Widdowsons und welches Leid mit der Vorherrschaft des Westens für andere verbunden ist. Nun, wie ich gezeigt habe, dass Widdowson kein Eurozentrist ist, dass unsere Kultur den anderen nicht überlegen und auch nichts Besonderes ist wie viele glauben und er Verständnis für die Erbitterung der anderen Völker aufbringt, greifst Du das Detail mit dem etwas ungeschickt gewählten "Hitler-Waigel-Vergleich" (er hat keinen expliziten Vergleich vorgenommen, ich schreibe das so der Einfachheit halber!). Dass es in diesem Kapitel gar nicht um "Schuld" sondern um die Zukunft der EU angesichts der immer noch sehr starken Resseniments unter den europäischen Nationen geht, verschweigst Du wohlweislich.
Die industrielle Revolution hat uns ein fabelhaftes Wohlstandsniveau beschert. Doch es scheint, als sei der Innovationsschub an einem Ende angelangt und wolle es sich der Westen auf den Loorbeeren gemütlich machen. Anstatt mit der Atomenergie zu experimentieren, die Ozeane nach Rohstoffen auszubeuten und in den Weltraum vorzudringen, schalten wir Atomkraftwerke aus und führen Kilometerpauschalen in Städten ein. Ja ich weiss, jetzt käme der Hinweis auf die grausame Einstellung des Westens gegenüber der Natur. Doch war die industrielle Revolution etwa nicht "grausam" und wo wären wir heute, wenn wir in der Vergangenheit so gedacht hätten? Heute erscheint vielen diese Art zu denken nichts anderes als zivilisiert, doch wir übersehen, dass sie langfristig ein Hindernis für wirklich grosse Innovationen darstellt.
Als im 18. Jahrhundert im englischen Dorf Ironbridge die Eisenindustrie zu produzieren anfing, schlossen in Nordchina die letzten Eisenhütten, die für damalige Verhältnisse grosse Mengen an Metall hergestellt hatten. Als Europas Seefahrer nach Asien vordrangen wurde der chinesische Seehandel auf Anordnung der chinesischen Bürokratie unterbunden. Im Nachhinein kann man die Abneigung der chinesischen Elite an praktischen Fragen des Handels und des Schiffbaus und stattdessen ihre regressive Konzentration auf Philosophie vielleicht vergleichen mit der selbstzerfleischenden Selbstzufriedenheit vieler heutiger Westler und ihrer Konzentration auf das "geistige Wachstum".Ob dies gut oder schlecht ist, sei dahingestellt, was entscheidend ist, ist die Parellelität gewisser Vorgänge und Denkweisen in unserer Zivilisation mit den Abläufen in untergegangenen Reichen. Widdowsons Gedanken sind ganz sicher nicht konventionell. Vielmehr sind sie unkonventionell und unbequem und nicht leicht in die politische Ecke zu stellen. Die Grünen stören sich an ihm, weil er die restriktiven Schutzmassnahmen zum Schutze Umwelt und noch viel mehr die Greenpeace-Mentalität als letzten Endes fortschrittshemmend betrachtet, während bürgerliche und rechtskonservativen Kreise die Nase rümpfen werden, dass er grosses Verständnis für die Verbitterung der Dritten Welt aufbringt und Christentum und Demokratie nicht als Grund für unsere momentane Vorherrschaft ansieht. Allen gemeinsam dürfte schliesslich das Unbehagen darüber sein, dass er der Überbringer schlechter Nachrichten ist.
Gruss
Andreas