Re: Die Bomben fallen, was nun?

Geschrieben von Andreas am 23. März 2003 07:00:01:

Als Antwort auf: Die Bomben fallen, was nun? geschrieben von Swissman am 23. März 2003 03:31:51:

Hallo Swissman

>Ich habe stets die wohlbegründete Ansicht vertreten, dass der sich abzeichnende Irak-Krieg falsch sei. Selbstverständlich hatte und hat meine Ablehnung nichts mit dem politisch korrekten Pazifismus zu tun, der nun wieder allenthalben zur Schau getragen wird. - Pazifismus ist eine schädliche, zersetzende Ideologie, der ich nicht das geringste abgewinnen kann.

Pazifismus kann durchaus eine edle Gesinnung sein, wenn auch nicht eine, die je zum erhofften Resultat führen wird (universaler Friede). In vielen Fällen steckt dahinter jedoch nichts anderes als politische Naivität und Opportusimus. Man sollte m. E. unterscheiden zwischen dem "Pazifismus" etwa in Kairo und Indonesien und dem Pazifismus, der uns in unseren Breiten entgegentritt: Während im einen Falle die Verteidigung der eigenen Kultur und Religion das Motiv für die Protestmärsche ist, ist es im anderen oft ein primitives Bedürfnis, wieder einmal aufzubegehren und sich in der Masse stark zu fühlen. Der Irakkrieg bietet der ideale Anlass hierfür, während langwierige und überaus grausam geführte, aber medial wenig beleuchtete Kämpfe wie etwa der Krieg in Tschetschenien oder früher die Aktionen der Roten Khmer nie Aufmärsche derselben Qualität zur Folge hatten. Der Pazifismus zeichnet sich somit auch durch die Selbstgeisselung bzw. die kategorische Verurteilung des westlichen Standpunktes aus, eine Haltung, die nur allzu oft im Dickicht linksalternativer Ideologien zu finden ist.

>Meine Überlegungen sind auschliesslich rationaler, stretegischer Natur:
>- In einer Zeit, in der der Westen dringendst daraufhinarbeiten sollte, die islamische Welt als Verbündeten im kommenden Kampf gegen den Bolschewismus zu gewinnen, wird dieser Krieg einmal mehr das genaue Gegenteil bewirken. Der lachende Dritte sitzt im Kreml.

Ich kann Dein Argument nachvollziehen. Auch ich bin der Meinung, dass der Hauptkampf zwischen dem Westen und Rotchina stattfinden wird. Allerdings befürchte ich, dass bereits zuviel Porzellan zerschlagen wurde, um den Islam nun auf die sanfte Tour für den Westen gewinnen zu können. Wenn sich der Westen aus der Region zurückzieht, tut er genau das, was Bin Ladin sich erhoffte und es wäre denkbar, dass die Russen ihre alten Verbindungen reaktivieren und ausbauen und in ihrem Kielwasser die Chinesen nachrücken. Der Westen, und damit meine ich in erster Linie Europa, ist offener und verwundbarer, aber vor allem viel näher zum Nahen Osten gelegen als Rotchina. Er wird deshalb die bevorzugte Brutstätte islamistischer Aktivitäten sein, die aufgrund der militärischen Schwäche des Islam bei gleichzeitig starkem religiösen Bewusstsein so oder so existieren. Ein Rückzug Amerikas aus der Golfregion hätte wohl genausowenig eine Einstellung der terroristischen Planungen in den USA und in Europa zur Folge wie etwa die Gewährung der vollen nationalstaatlichen Autonomie Palästinas ein Abflauen der antiisraelischen Agitationen bewirken würde. Es gibt nur einen Weg: Dem Islam muss unmissverständlich deutlich gemacht werden - ähnlich wie es im 19. Jahrhundert China und Japan signalisiert wurde - dass er der westlichen Macht hoffnungslos unterlegen ist und dass er viel besser abschneidet, wenn er endlich kooperiert anstatt sabotiert. Es ist unglücklich, dass ausgerechnet die selbstherrlichen und wenig für den Stolz anderer Kulturen empfindsamen Amerikaner bei dieser Aufgabe die Hauptlast schultern, andererseits ist es immmer noch besser, die USA übernehmen diesen undankbaren Part der Domestizierung des Nahen Ostens als das nach allen Seiten hin offene Europa.

>- Die Ölversorgung (die zwar auch aus wirtschaftlichen, vor allem aber aus militärstrategischen Gründen überlebensnotwendig ist) wird dadurch nicht sichererer - im Gegenteil: Durch den Auftrieb, den man den wahhabitischen Fanatikern um Osama bin Laden und Konsorten durch einen Waffengang zwangsläufig verschafft, könnte im schlimmsten Fall ein Putsch in Saudi Arabien resultieren, wodurch der grösste Erdölexporteur wegbrechen würde.

Ich denke, diese Befürchtung wird mit ein Grund gewesen sein, weshalb sich die amerikanische Administration für den Feldzug gegen den Irak entschieden hat. Es wäre das gefährlich, sich aus Angst vor irgendwelchen Eventualitäten lähmen zu lassen und in einer solch wichtigen Region das Heft aus der Hand zu geben. Durch die Absetzung des Regimes von Saddam Hussein verlagert man das Standbein auf einen zukünftig womöglich zuverlässigeren Partner. Nach Jahren der Unterdrückung durch den orientalischen Despoten Saddam könnte das irakische Volk vielleicht sogar recht empfänglich sein für eine umsichtige geplante Verwestlichung.

>- Aus denselben Gründen wird der wahhabitische Terrorismus, der mit Saddam Hussein noch nicht einmal in direktem Zusammenhang steht, nicht abnehmen, sondern zunehmen.

Der wahhabitische Terrorismus wird möglicherweise zeitweise zunehmen, aber es wäre aus meiner Sicht ein Fehler zu meinen er würde gänzlich verschwinden, würde der Westen, d. h. die USA ihre Präsenz in der Golfregion aufgeben. Der islamische Fundamentalismus resultiert aus der Uneinigkeit und militärischen Schwäche der islamischen Zivilisation und er richtet sich m. E. nämlich nicht nur gegen die amerikanische Anwesenheit im Nahen Osten sondern ganz generell gegen die Vorherrschaft des Westens, die gebrochen werden soll. Sich aus dem Golf zurückzuziehen würde daher einer Appeasementpolitik gleichkommen.

>- Nicht zuletzt wird das ohnehin labile Gleichgewicht der Kräfte, das im Nahen Osten herrscht(e), erschüttert, was zweifellos ein noch härteres Vorgehen der israelischen Truppen in den besetzten Gebieten zur Folge haben wird. Selbst eine flächendeckende Vertreibung der Palästinenser dürfte nun für manche Extremisten in den Bereich des Möglichen rücken.

Israel stellt durch die zweifelhafte Legitimität seiner Gründung und seiner dominanten Position in der Tat ein massives Problem dar. Leider versteht es der Westen nicht, sich genügend von Israel zu distanzieren, wodurch letzteres für den Westen die Funktion eines "Blitzableiters" für radikalislamistische Energien übernehmen könnte. Stattdessen wird der Westen, in erster Linie die USA, in der islamischen Welt mit Israel und seinen Interessen gleichgesetzt, was ungünstige Konsequenzen hat im Hinblick auf die Domestizierung des Nahen Ostens.

>- Die weltweite Verzettelung der US-Kräfte schreitet fort. Da die USA dank Bill Clinton momentan nicht mehr in der Lage sind, auf zwei grösseren Kriegsschauplätzen gleichzeitig aktiv zu werden, könnten andere notorische Unruhestifter (ich denke dabei in erster Linie an Nordkorea und Rotchina, aber auch an den Balkan) sich ermutigt sehen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Die Richtigkeit dieses Arguments ersieht man allein schon anhand des zunehmend frecher und arroganter werdenden Auftretens der Nordkoreanischen Führung. - Früher oder später wird man sich auch um Kim kümmern müssen... Man hätte gut daran getan, dies zu tun, solange er noch keine (oder nur wenige) Atomwaffen besitzt.

Ich vermute, die Stationierung von Besatzungstruppen im Irak wird auf die Kosten der Truppenstärken in Deutschland gehen. Mit Deiner Feststellung bezüglich Clintons Abrüstungspolitik stimme ich vollkommen überein: Die damals erwirtschafteten Überschüsse gingen wohl auch auf Kosten der (quantitativen) militärischen Stärke. In der Koreafrage stimme ich ebenfalls mit Dir überein: lieber jetzt als später.

Gruss
Andreas


Antworten: