Ich muss es zugeben

Geschrieben von franke43 am 14. November 2000 10:17:21:

Als Antwort auf: Re: Unsinn geschrieben von Swissman am 13. November 2000 16:17:55:

Hallo Swissman

Erst ein klares Zugeständnis: Du bist in der Sachfrage viel besser
informiert als ich. Trotzdem ein paar Kommentare seitens meiner,
obwohl ich weniger weiss.

>>Klar verdient das harte israelische Vorgehen Kritik, aber nicht ausgerechnet >von uns. Diese Kritik sollen diejenigen äussern, die sich nicht vor 50-60 >Jahren schwer am jüdischen Volk vergriffen haben.
>
>Abgesehen davon, dass ich mit Sippenhaftung an sich schon nichts anfangen kann, tragen die Palästinenser, weder die von heute, noch ihre Vorfahren, eine wie auch immer geartete Mitschuld am Holocaust.

Die Palästinenser nicht. Aber wir. Du als Schweizer stehst da etwas abseits.
"Sippenhaftung" ist nicht fein, und vor allem rein strafrechtlich nicht
vertretbar, weil unsere westlichen Rechtsnormen vom frei entscheidenden und
deshalb voll verantwortlichen Individuum ausgehen.

>Übrigens versuchte seinerzeit Harry Truman, den damaligen saudischen König, Al-Saud, für den neu zu gründenden Staat Israel zu gewinnen. Wie nicht anders zu erwarten war dieser alles andere als begeistert von diesem Vorhaben. Truman erzählte ihm daher von den Verbrechen, die Hitler an den Juden verübt hatte.

Das war auch richtig. Nie zu vergessen: die arabische Welt ist riesengross.
Mit etwas mehr Bereitschaft zur Zusammenarbeit hätten beide - neugebackene
Israelis UND "alteingesessene" Palästinenser (Muslime, Christen etc.) gut
zusammenleben können. Gut deshalb, weil der Zustrom an Wohnbevölkerung durch
eine intensivere Kultivierung des Landes einschl. Negev im Süden für alle
ein Gewinn gewesen wäre.

>Al-Saud soll darüber geweint haben, dennoch lehnte er es mit folgenden Worten ab, Israel zu unterstützen: "Wenn dies alles wahr ist, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dann wäre es wahrscheinlich gerecht, den Deutschen ein Stück Land wegzunehmen, und es den Juden zu geben. Es wäre jedoch ungerecht, die Araber für die Verbrechen der Deutschen zu bestrafen."

An deutschem Land haben sich stattdessen die militärischen Sieger
bedient. Wir sind also unserer Strafe (Gebietsverluste und Teilung)
nicht entgangen. Nur die eigentlichen Hauptopfer sind relativ leer
dabei ausgegangen. Aber diese Aufteilung der Kriegsbeute Deutschland
haben die Siegermächte zu verantworten, genau wie den Holocaust davor
hauptsächlich die Nazis und ihre zahllosen Mitläufer zu verantworten haben.

>Tatsache ist ebenfalls, dass Theodor Herzl keineswegs von Anfang an Palästina wollte: Lange Zeit sah er Madagaskar, Kenya, und Argentinien als ideale Kandidaten an. Erst später äusserte er den verhängnisvollen Gedanken vom "Land ohne Volk" (i. e. Palästina), das nur darauf warte, vom Volk ohne Land in Besitz genommen zu werden.

Das steht doch in irgendwelchen alten Propheten.

>Der Zionismus ist seinem Ursprung nach nicht religiös, sondern säkular begründet, ja, mehr noch, er wird von der Mehrheit der orthodoxen Juden sogar als "Irrlehre" abgelehnt - Das alte Israel, so erklärte mir ein orthodoxer Rabbiner einmal, sei von Gott zerstört worden. Daher stehe es einzig und allein dem erwarteten Messias zu, Israel dereinst wieder ins Leben zu rufen... Auf keinen Fall aber dürfe der Mensch dies selbst in die Hand nehmen!

Da existieren andere Deutungen, nach denen die Rückkehr der Juden nach
Israel eher die von Gott gewollte und im Heilsplan vorgesehene Vorbereitung
für das Erscheinen des Messias und für die Errichtung des messianischen
Reiches ist.

>
>>Wohlgemerkt: für diese Leute sind auch wir Ungläubige.
>
>Dies stimmt so nicht: Ein Ungläubiger (arab. Kafir) im Sinne des Koran ist ein Polytheist (ein Hindu, beispielsweise), aber auch Atheisten fallen zweifellos hierunter (auch wenn es solche zur Zeit Mohammeds kaum gegeben haben dürfte). Was nun Christen und Juden anbelangt, so gehören diese, zusammen mit den Zarathustraanhängern zur "Familie des Buches" (Ahl al-Kitab). Dies steht im Koran, zusammen mit dem Gebot, diese seien keine Ungläubigen: Sie dürften daher nicht verfolgt, und auch nicht zwangsbekehrt werden. Vielmehr nehmen sie die rechtliche Stellung eines "Schutzbefohlenen" (Dhimmi) ein, d. h. der Kalif, wie auch jeder andere Moslem, hat sie nötigenfalls zu beschützen. Andererseits sind die Dhimmis dazu verpflichtet, eine angemessene Sondersteuer zu entrichten.

Das freut mich, auch wenn es mir dann um die Polytheisten Leid tut. Leider
haben mich die mir persönlich bekannten Muslime in dieser Frage nicht
aufgeklärt.

>Dies sieht auf den ersten Blick nach Diskriminierung aus, ist es aber nicht unbedingt: Moslems, so der Koran, sind zum Wehrdienst, und gegebenenfalls zur Teilnahme am Djihad verpflichtet, wovon Mitglieder der "Familie des Buches" befreit sind. Diese Steuer ist daher mit einer Dienstersatzabgabe gleichzusetzen. Der Grund für die rechtliche Sonderstellung dieser drei Religionen findet sich ebenfalls im Koran: Ihre Gründer seien allesamt von Gott gesandte Propheten gewesen, ihre jeweiligen heiligen Schriften seien daher ebenfalls das Wort Gottes. Sie seien dem Wortlaut nach wohl wohl voneinander verschieden, dem Sinn nach aber identisch, und daher auch von einem gläubigen Moslem zu respektieren. Christen oder Juden zu verfolgen verträgt sich daher mit dem Islam durchaus nicht, "Moslems", die dies dennoch tun, begehen eine schwere Sünde.

So haben sich ja lange Zeit auch die islamischen Staaten gegenüber Juden und
Christen verhalten. D.h. also für die damaligen Massstäbe sehr anständig.

>"Moslems" im Sinne des Korans sind übrigens genaugenommen nicht nur Mitglieder der Religion des Islam, sondern, nach Auffassung der meisten islamischen Rechtsschulen, grundsätzlich alle Menschen, die sich an Gottes Gebote halten, oder dies zumindest aufrichtig versuchen.
>Ich kann an dieser Stelle nur, einmal mehr, jedem empfehlen, Peter Scholl-Latours Bücher zu lesen!

Diese Bücher habe ich nicht. Überhaupt bin ich vom deutschen Büchermarkt
weitgehend abgeschnitten.

>
>>Vielleicht werden sogar die beiden Moscheen auf dem Haran-asch-Scharif
>>(Tempelberg) geschont, wenn man dem Forscher Glauben schenkt, der
>>herausgefunden haben will, dass die jüdischen Tempel gar nicht auf diesem
>>Berg gestanden haben sollen, sondern auf dem Berg Zion weiter südlich.
>>Dann können nämlich die Juden ihren dritten Tempel bauen, ohne vorher
>>die islamischen Heiligtümer einreissen zu müssen.
>
>Orthodoxe Juden lehnen dies, aus Gründen, die weiter oben schon angetönt wurden, ab. Hinzukommt, dass ein orthodoxer Jude den Tempelberg auch gar nicht betreten darf, da heute kein Mensch mehr weiss, wo das Allerheiligste genau lag. Wenn er den Tempelberg betreten würde, würde er das Risiko in Kauf nehmen, dieses versehentlich zu betreten, ja, mehr noch, gleichsam mit Füssen zu treten (da er ja einige Meter darüber wäre). Streng genommen müsste er das Allerheiligste noch nicht einmal wirklich betreten, um eine Todsünde zu begehen - die blosse Inkaufnahme dieses Risikos würde bereits genügen, um diesen Tatbestand zu erfüllen, wie mir der weiter oben zitierte Rabbiner versicherte...

Ja schon, aber es deuten sich aus quellenkritischer Geschichtsforschung und
aus der Archäologie Ergebnisse an, nach denen der Tempelberg vielleicht gar
nicht der Tempelberg ist. Sollten sich die Hypothesen erhärten, dass die
beiden früheren Tempel stattdessen weiter südlich auf dem Hügel bei der
Gilonquelle gelegen haben, dann ergibt sich eine völlig neue Sachlage.
Die muslimischen Heiligtümer können stehenbleiben, der Tempel kann dann am
ursprünglichen Platz wiedererrichtet werden, sobald die Bodenforschung
irgendwie ermittelt hat, wo das Allerheiligste gelegen haben muss. Die
Baumassnahmen können dann von Nichtjuden ausgeführt werden, damit sich
die orthodoxen Juden nicht ständig versündigen müssen. Und am Schluss, wenn das
Allerheiligste abgegrenzt ist, kann der Tempel eingeweiht und wieder in
Betrieb genommen werden, wie der Prophet es befiehlt.

Die Streitfrage lautet eher: war der Tempelberg der Tempelberg oder nicht ?

Franke 43

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