Re: Unsinn
Geschrieben von Swissman am 13. November 2000 16:17:55:
Als Antwort auf: Unsinn geschrieben von franke43 am 13. November 2000 07:46:42:
>Klar verdient das harte israelische Vorgehen Kritik, aber nicht ausgerechnet >von uns. Diese Kritik sollen diejenigen äussern, die sich nicht vor 50-60 >Jahren schwer am jüdischen Volk vergriffen haben.
Abgesehen davon, dass ich mit Sippenhaftung an sich schon nichts anfangen kann, tragen die Palästinenser, weder die von heute, noch ihre Vorfahren, eine wie auch immer geartete Mitschuld am Holocaust. Übrigens versuchte seinerzeit Harry Truman, den damaligen saudischen König, Al-Saud, für den neu zu gründenden Staat Israel zu gewinnen. Wie nicht anders zu erwarten war dieser alles andere als begeistert von diesem Vorhaben. Truman erzählte ihm daher von den Verbrechen, die Hitler an den Juden verübt hatte. Al-Saud soll darüber geweint haben, dennoch lehnte er es mit folgenden Worten ab, Israel zu unterstützen: "Wenn dies alles wahr ist, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dann wäre es wahrscheinlich gerecht, den Deutschen ein Stück Land wegzunehmen, und es den Juden zu geben. Es wäre jedoch ungerecht, die Araber für die Verbrechen der Deutschen zu bestrafen." Tatsache ist ebenfalls, dass Theodor Herzl keineswegs von Anfang an Palästina wollte: Lange Zeit sah er Madagaskar, Kenya, und Argentinien als ideale Kandidaten an. Erst später äusserte er den verhängnisvollen Gedanken vom "Land ohne Volk" (i. e. Palästina), das nur darauf warte, vom Volk ohne Land in Besitz genommen zu werden. Der Zionismus ist seinem Ursprung nach nicht religiös, sondern säkular begründet, ja, mehr noch, er wird von der Mehrheit der orthodoxen Juden sogar als "Irrlehre" abgelehnt - Das alte Israel, so erklärte mir ein orthodoxer Rabbiner einmal, sei von Gott zerstört worden. Daher stehe es einzig und allein dem erwarteten Messias zu, Israel dereinst wieder ins Leben zu rufen... Auf keinen Fall aber dürfe der Mensch dies selbst in die Hand nehmen!
>Wohlgemerkt: für diese Leute sind auch wir Ungläubige.
Dies stimmt so nicht: Ein Ungläubiger (arab. Kafir) im Sinne des Koran ist ein Polytheist (ein Hindu, beispielsweise), aber auch Atheisten fallen zweifellos hierunter (auch wenn es solche zur Zeit Mohammeds kaum gegeben haben dürfte). Was nun Christen und Juden anbelangt, so gehören diese, zusammen mit den Zarathustraanhängern zur "Familie des Buches" (Ahl al-Kitab). Dies steht im Koran, zusammen mit dem Gebot, diese seien keine Ungläubigen: Sie dürften daher nicht verfolgt, und auch nicht zwangsbekehrt werden. Vielmehr nehmen sie die rechtliche Stellung eines "Schutzbefohlenen" (Dhimmi) ein, d. h. der Kalif, wie auch jeder andere Moslem, hat sie nötigenfalls zu beschützen. Andererseits sind die Dhimmis dazu verpflichtet, eine angemessene Sondersteuer zu entrichten. Dies sieht auf den ersten Blick nach Diskriminierung aus, ist es aber nicht unbedingt: Moslems, so der Koran, sind zum Wehrdienst, und gegebenenfalls zur Teilnahme am Djihad verpflichtet, wovon Mitglieder der "Familie des Buches" befreit sind. Diese Steuer ist daher mit einer Dienstersatzabgabe gleichzusetzen. Der Grund für die rechtliche Sonderstellung dieser drei Religionen findet sich ebenfalls im Koran: Ihre Gründer seien allesamt von Gott gesandte Propheten gewesen, ihre jeweiligen heiligen Schriften seien daher ebenfalls das Wort Gottes. Sie seien dem Wortlaut nach wohl wohl voneinander verschieden, dem Sinn nach aber identisch, und daher auch von einem gläubigen Moslem zu respektieren. Christen oder Juden zu verfolgen verträgt sich daher mit dem Islam durchaus nicht, "Moslems", die dies dennoch tun, begehen eine schwere Sünde.
"Moslems" im Sinne des Korans sind übrigens genaugenommen nicht nur Mitglieder der Religion des Islam, sondern, nach Auffassung der meisten islamischen Rechtsschulen, grundsätzlich alle Menschen, die sich an Gottes Gebote halten, oder dies zumindest aufrichtig versuchen.
Ich kann an dieser Stelle nur, einmal mehr, jedem empfehlen, Peter Scholl-Latours Bücher zu lesen!
>Und warum das hartnäckige Bestehen auf Jerusalem ? Wie schon mehrfach
>geschrieben: in dem Augenblick, in dem die Palästinenser auf Jerusalem
>verzichten und - sagen wir - Hebron oder Ramallah oder Jericho zu
>ihrer Hauptstadt ausrufen, haben die ihren eigenen Staat, und kein
>Israeli wird sich mehr querlegen.
Hier müssen sich die israelische Regierungen der letzten Jahre zu einem guten Teil an der eigenen Nase nehmen: Zu Anfang der 80-er Jahre gab es ausser der PLO nur einige wenige, ausnahmslos winzige Splittergruppen, die in der Palästinensischen Bevölkerung so gut wie keinen Rückhalt hatten. Die wahrscheinlich einzige Gruppe ausserhalb der PLO, die eine gewisse Bedeutung besass, war diejenige Abu Nidals (wobei anzumerken wäre, dass Abu Nidals Opfer zu einem grossen Teil (gemässigte) Palästinenserführer, man denke etwa an Abu Ijad, waren - es wurde daher schon von manchen Autoren die Vermutung geäussert, Abu Nidal hätte zumindest gelegentlich mit dem Mossad zusammengearbeitet... Die Vermutung hat durchaus etwas für sich, wirklich zwingende Beweise fehlen aber naturgemäss). Eine Zeit lang machte der "Schwarze September" Schlagzeilen, doch war dieser keine Organisation im eigentlichen Sinne - man könnte sagen, es war die erste "virtuelle Terrorgruppe": Die Attentate, zu denen die "Gruppe" sich bekannte, wurden von verschiedenen Organisationen verübt, lediglich die Bekennerbriefe wurden namens des Schwarzen Septembers verübt.
Die PLO war (und ist) im Übrigen nie der monolithische Block gewesen, als den sie die israelische Propaganda gerne darstellte: Tatsächlich war die PLO bis weit in die erste Intifada hinein nur eine Art Firmenmantel, die ca zwei Dutzend "Befreiungsorganisationen" zusammenzufassen und nach aussen zu vertreten versuchte. Arafat wurde ihr Vorsitzender, weil er innerhalb der PLO die grösste Organisation anführt, nämlich die Al-Fatah. Politisch waren die verschiedenen Gruppen meist nur in zwei Punkten einig: Sie wollten einen Palästinensischen Staat schaffen, und sie waren nicht religiös motiviert. Tatsächlich sind palästinensische Christen in den oberen Etagen der PLO sogar eher überrepräsentiert: So ist beispielsweise der Präsident der "Volksfront zur Befreiung Palästinas, George Habasch, orientalischer Christ, und auch Arafats Frau ist Christin.
Dass in der zweiten Hälfte der 80-er Jahre die Fundamentalisten mehr und mehr Zulauf fanden, hat zwei Gründe: Sämtliche importierten Ideologien hatten offensichtlich versagt, denn Palästina war noch immer besetzt. Es liegt nahe, dass dies bei manchen Arabern zu einer Rückbesinnung auf den Islam führte. Perverserweise wurden die ersten militanten Prediger vom israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Beth gefördert... Die ersten Flugblätter der Hamas und des Djihad Islami wurden in Israel gedruckt, verschiedene Prediger wurden nachweislich in Israel geschult, und selbst Waffen (wenngleich diese recht exotische Kaliber aufwiesen, d. h. neue Munition konnte nur über den Shin Beth geordert werden) stellte man ihnen zur Verfügung. Man erhoffte sich davon, Arafat zu schwächen, und seine Position zu untergraben... - Dies ist ohne Zweifel gelungen, es darf jedoch durchaus bezweifelt werden, dass der Shin Beth sich dies so vorgestellt hat... Einmal mehr wurde ein Monster geschaffen, dass sich zum Schluss gegen seinen eigenen Schöpfer wendete... :-((
>Vielleicht werden sogar die beiden Moscheen auf dem Haran-asch-Scharif
>(Tempelberg) geschont, wenn man dem Forscher Glauben schenkt, der
>herausgefunden haben will, dass die jüdischen Tempel gar nicht auf diesem
>Berg gestanden haben sollen, sondern auf dem Berg Zion weiter südlich.
>Dann können nämlich die Juden ihren dritten Tempel bauen, ohne vorher
>die islamischen Heiligtümer einreissen zu müssen.
Orthodoxe Juden lehnen dies, aus Gründen, die weiter oben schon angetönt wurden, ab. Hinzukommt, dass ein orthodoxer Jude den Tempelberg auch gar nicht betreten darf, da heute kein Mensch mehr weiss, wo das Allerheiligste genau lag. Wenn er den Tempelberg betreten würde, würde er das Risiko in Kauf nehmen, dieses versehentlich zu betreten, ja, mehr noch, gleichsam mit Füssen zu treten (da er ja einige Meter darüber wäre). Streng genommen müsste er das Allerheiligste noch nicht einmal wirklich betreten, um eine Todsünde zu begehen - die blosse Inkaufnahme dieses Risikos würde bereits genügen, um diesen Tatbestand zu erfüllen, wie mir der weiter oben zitierte Rabbiner versicherte...
- Ich muss es zugeben franke43 14.11.2000 10:17 (1)
- Re: Ich muss es zugeben Swissman 14.11.2000 14:35 (0)