Re: Geier Sturzflug...
Geschrieben von Zet am 05. August 2001 15:20:07:
Als Antwort auf: NewEconomy... geschrieben von Zet am 05. August 2001 14:04:29:
< Über den Wagnisfonds kreisen die Geier
Internet-Beteiligungen belasten einige Risikokapitalgeber. Die Branche erwartet Pleiten
Wie die Geier warten einzelne Unternehmen, um sich Schnäppchen aus Risikokapitalgesellschaften herauszupicken Foto: DW
Von Mirjam MüllerBerlin - Was ist schlimmer als eine Internetaktie? Ein Bündel von Internetaktien. Vielen Risikokapitalgebern (Venture Capitalists, VC) ist angesichts solcher Witze das Lachen vergangen: In der Hoffnung, sich an den Höhenflügen von morgen zu beteiligen, ist mancher unerfahrene VC auf den fahrenden Zug aufgesprungen und hat nach dem Gieskannenprinzip in alles investiert, was nach Internet und damit nach einem schnellen Erfolg aussah. Die Gier nach dem schnellen Geld rächt sich jetzt: Die Internet-Beteiligungen liegen bleischwer in den Portfolios. An einen Börsengang ist nicht zu denken, und auch der Weiterverkauf - einst als Ausweg zweiter Klasse verpönt - ist schwierig geworden. Noch im vergangenen Herbst galten Finanzierungsrunden, deren Ergebnis unter dem vorherigen liegt, als düsteres Szenario. Heute würden sich manches B2C- (elektronischer Handel von Firmen zum Endkunden) oder B2B-Startup (elektronischer Handel unter Firmen) und mancher Investor freuen, wenn sie solche kleinen Finanzspritzen realisieren könnten. Doch wie so oft ist des einen Leid des anderen Freud: So genannte Vulture Capitalists, Geier-Kapitalisten, ziehen derzeit ihre Kreise über dem, was von den Hoffnungsträgern der New Economy übrig geblieben ist. Was anrüchig klingt, ist ein ganz normales Geschäft und folgt den selben Regeln wie das traditionelle VC-Geschäft: Firmenanteile werden billig gekauft in der Hoffnung, sie teuer zu verkaufen. Einzig der Fokus der Krisengewinnler ist anders. Statt ihr Geld in Neugründungen zu stecken, betätigen sich diese Wagnisfinanzierer als Perlentaucher in den Portfolios der traditionellen VCs und suchen dort unter Pleitekandidaten Firmen mit Potenzial. Solche Beteiligungen sind zum Schnäppchenpreis zu haben. Die neuen Investoren versuchen in der Regel, das Geschäftsmodell mit einer aggressiven Übernahme- und Rationalisierungsstrategie auf Vordermann zu bringen. Ein Investment-Konzept, mit dem man sich nicht nur Freunde macht. Doch Wagnisfinanzierer sind im Allgemeinen nicht zimperlich. "Für einen VC ist es völlig normal, kurz vor der Pleite einzusteigen. Das ist die Philosophie der Wagniskapitalgeber", erklärt Werner Dreesbach von Atlas Venture. "Wenn bei einem Unternehmen eine Finanzierungsrunde zu Ende geht, hat die Firma auch nur noch für wenige Monate Geld. Das ist die klassische VC-Situation."
Ungewöhnlich ist dagegen, dass derzeit Wagniskapitalgeber ganze Fonds verkaufen. "Normalerweise wird in der Laufzeit von maximal zehn bis zwölf Jahren nicht verkauft. Zunächst investieren VCs ein bis zwei Jahre, in der restlichen Zeit wird deinvestiert", erklärt Dreesbach. "Die, die am Schluss übrig bleiben, werden seit jeher verkauft. Wenn ein Wagnisfinanzierer allerdings den kompletten Fonds offeriert, steht er mit dem Rücken zur Wand." In den USA sind solche Geschäfte üblich. "Dort ist der Kauf von Portfoliofirmen anderer VCs schon lange bekannt", erklärt Werner Schauerte, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). "Der Kauf eines kompletten Portfolios ist allerdings ein sehr schwieriges Geschäft. Die Risiken sind erheblich, und es ist nicht damit getan, zu kaufen und teurer zu verkaufen. In der Regel sind erhebliche Folgefinanzierungen und sehr viel Arbeit an Management, Organisation und Strategie erforderlich." Was in den USA offen besprochen wird, läuft hier zu Lande eher im Verborgenen ab: "Durch die Börsenrezession sind die erwarteten schnellen Erfolge ausgeblieben und die Portfoliofirmen brauchen weiteres Kapital. Den jungen VCs ist es teilweise nicht gelungen, neue Fonds aufzulegen, weil ihnen die Investoren das Vertrauen entzogen haben", erklärt Schauerte. "Gibt es keine Neuinvestitionen, fehlt auch das Geld für Folgefinanzierungen. Damit ist der VC aus dem Markt und sein Portfolio steht zum Verkauf." Solche Portfolien werden nach Schauertes Angaben derzeit von Merger & Akquisition-Häusern anonym zum Verkauf angeboten: "Nach Übersendung einer Vertraulichkeitserklärung bekommt man zwar Detailinformationen und in der Branche hat sich auch herumgesprochen, dass mehrere solcher Angebote existieren, Namen sind aber nicht bekannt."Neben diesen diskreten Deals gibt es auch die brutale Variante des Geierkapitalismus: So hat sich der US-Online-Shop Overstock.com zum Großliquidator aufgeschwungen. Das Erfolgsrezept des Unternehmens aus Salt Lake City: Overstock kauft marode Firmen und versilbert über die Website von der Büroeinrichtung über Produkte bis zum Computer alles, was sich noch zu Geld machen lässt. Abgesehen von solchen angeblich äußerst lukrativen Auswüchsen der Krise, ist Vulture Capital als Business-Modell wohl nicht das nächste große Schritt. Eine Alternative ist für expansionswillige VCs der Kauf von Marktanteilen über den Erwerb einer kompletten VC-Gesellschaft einschließlich Portfolio und Team. Doch was 3i mit dem Einstieg bei einer Technologieholding vorgemacht hat, ist nicht für jeden Wagnisfinanzierer ein probates Mittel. "Das Modell kann zwar ein Weg zum schnellen Wachstum sein, erfordert aber volle Kassen und Integrationsarbeit", sagt Werner Schauerte. "Die Übernahme einer VC-Gesellschaft, die zum Verkauf steht, weil sie alleine nicht erfolgreich war, ist immer ein Risiko."
Derzeit versuchen klamme Finanziers nicht nur über den Verkauf ihrer Beteiligungen zu retten, was zu retten ist. Einige haben sich auch darauf verlegt, ihre Portfolios mit Hilfe von Zusatzfonds zu retten. Obwohl Wagnisfinanzierer theoretisch auch andere Töpfe nutzen könnten, wenn es bei einem Portfoliounternehmen bis zum Erfolg mal ein bisschen länger dauert, sind solche Kunstgriffe notwendig. Überkreuzinvestitionen verprellen die eigenen Investoren, was sich bei der Auflage des nächsten Fonds ungünstig auswirkt. Aber auch die Nachfolgefonds haben ihre Tücken: Häufig werden sie als Zeichen für eine unprofessionelle Investitionsstrategie gewertet, da das Geld meist in Unternehmen fließt, für deren Finanzierung der VC nicht genug Geld zurückgelegt hat. Fraglich ist, ob in manchen Fällen nicht ein Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vorzuziehen wäre. Denn ohne Erfolg fließt auch kein Geld in die Taschen des Finanziers zurück und er läuft Gefahr, selbst zur Beute eines Schnäppchen-Geiers zu werden. >
Aus: die Welt am Sonntag
Wenn das 'mal nicht sehr böse ausgeht...
Gruß
Z
- Re: Geier Sturzflug... NLMDA 05.8.2001 15:54 (2)
- Re: Geier Sturzflug... DENTARER 06.8.2001 02:48 (1)
- Re: Geier Sturzflug... NLMDA 06.8.2001 17:45 (0)